Kapitel 37

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Olivia

Jacob war schneller als ich, weshalb ich darauf vorbereitet gewesen war, dass er mich bald einholen und so zum Stoppen bringen würde. Doch meinen Namen, meinen Vornamen, aus seinem Mund zu hören und dazu noch in einem derart verzweifelten Tonfall, überrumpelte mich dermaßen, dass ich für einen kurzen Moment unaufmerksam wurde. Keine gute Idee, wenn man gerade dabei war, im Dunkeln durch die Gegend zu rennen. Mein Fuß verfing sich in irgendeiner Unebenheit und bevor ich auch nur überlegen konnte, wie ich mein Gleichgewicht und damit meine Würde retten konnte, lag ich schon der Länge nach auf dem Boden. Großartig.

Zum Glück fiel ich auf Rasen und damit verhältnismäßig weich, doch mein rechtes Handgelenk, das offenbar den Großteil des Sturzes abgefangen hatte, durchfuhr nun ein stechender Schmerz. In der Zeit, die ich brauchte, um mich halbwegs aufzurichten, hatte Jacob mich erreicht und ließ sich neben mir auf die Knie fallen.

„Hey, alles okay?", stellte er eine eigentlich durchaus berechtigte Frage, auf die ich jedoch nur mit einem Knurren reagierte. Er seufzte. „Hast du dir wehgetan?", präzisierte er im selben Moment, in dem sein Blick auf mein Handgelenk zu fallen schien, das ich reflexartig mit meiner anderen Hand umfasst hatte.

„Darf ich?" Er machte Anstalten, nach meinem Handgelenk zu greifen, doch ich robbte ein Stück von ihm weg.

„Wieso?", fragte ich und konnte einen bissigen Unterton nicht vermeiden. „Hast du heimlich ein Medizinstudium abgeschlossen?" Ich wusste, dass ich mich verhielt wie ein bockiger Teenager und ich hasste mich selbst dafür, aber ich konnte meine Wut gerade nicht unterdrücken. Zu sehr okkupierte der Schmerz meine Gedanken. Auch meine Mimik blieb davon mit Sicherheit nicht unberührt, was Jacob ein weiteres Seufzen entlockte. Oder es war mein kindisches Verhalten.

„Komm, ich bring dich ins Krankenhaus", verkündete er und richtete sich auf. Ohne zu ihm hochzuschauen, schüttelte ich den Kopf. Bockiger Teenager, ganz eindeutig. „Das war keine Frage, Watson", knurrte Jacob. Interessant, jetzt waren wir also wieder bei Watson angekommen.

„Ich muss nicht ins Krankenhaus, die Hand ist maximal gestaucht", informierte ich ihn. „Wenn du nichts dagegen einzuwenden hast, gehe ich jetzt nach Hause, um die Hand zu kühlen." Er setzte an, um etwas zu sagen, doch ich hob meine gesunde Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Falsch formuliert, tut mir leid. Ich gehe jetzt nach Hause. Punkt."

Etwas umständlich stand ich auf und sah an mir herunter. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen, doch sicherheitshalber wischte ich mir über die bestimmt grasgrünen und erdigen Knie. Vorsichtig versuchte ich, mein rechtes Handgelenk zu bewegen und meine Finger zu spreizen.

„Au", fluchte ich leise. Jacobs Hand umschloss meinen Oberarm und ich wusste, dass ich meine Chance, von ihm in Ruhe gelassen zu werden, soeben verspielt hatte. Dennoch würde ich mich nicht auf die Weise über den dunklen Campus zerren lassen. Ich entzog ihm meinen Arm und ging zurück in Richtung des erleuchteten Gebäudes, das ich fluchtartig verlassen hatte.

„Was hast du vor?", fragte Jacob, während er neben mir her ging.

„Ich fahre ins Krankenhaus."

Du fährst? Einhändig?" Ich musste ihm nicht ins Gesicht schauen, ich hörte sein Schmunzeln auch ohne es zu sehen. Idiot.

„Nein, ich frage Noah", erklärte ich meinen spontan gefassten Plan. Noah war der einzige meiner Freunde, der ein Auto besaß und nett genug, um mir diesen Gefallen zutun. Darauf fiel Jacob keine Antwort und damit auch kein Gegenargument ein, was ich als gutes Zeichen deutete. Doch als wir wenig später die Eingangstür erreichten, presste er seine Hand dagegen, um mich daran zu hindern, sie zu öffnen.

won't fall in loveWhere stories live. Discover now