Kapitel 24

248 10 3
                                    

Olivia

Mich hatte schon lange nichts mehr derart viel Überwindung gekostet, wie dieser Kuss. Nicht, weil ich es nicht wollte, ganz im Gegenteil. Aber es fiel mir noch immer schwer zu glauben, dass Finn tatsächlich Interesse an mir hatte. Und nun diesen Schritt auf ihn zuzugehen, anstatt abzuwarten bis er ein weiteres Mal versuchte mich zu küssen, gelang mir vermutlich nur, weil mein Gehirn durch den Schlafmangel aktuell auf Sparflamme lief. Fast kam es mir vor, als steuerte jemand anders meinen Körper, überwand die Distanz zu Finn an meiner Stelle und zog sein Gesicht mit erstaunlichem Selbstbewusstsein zu meinem eigenen herunter. Erst als Finn den Kuss nach einer gefühlten Ewigkeit endlich erwiderte, begriff ich was ich gerade getan hatte.

Finn konnte küssen. Natürlich konnte er hervorragend küssen, alles andere hätte mich auch gewundert. Die Suche nach einem Fehler, nach irgendetwas, das an ihm nicht perfekt war, blieb also weiterhin ohne Erfolg.

Mein Herz tanzte. Als wir uns viel zu früh voneinander lösten, um wenigstens für eine Moment Luft zu holen, lächelte Finn. Die Überraschung war ihm anzusehen, aber ich meinte auch Freude in seinem Blick zu erkennen. Würde er mich so anschauen, wenn er vorhatte, mich gleich zurückzuweisen?

„Dir auch einen guten Morgen", begrüßte er mich und legte seine Lippen erneut auf meine. Nur kurz, aber dafür umso zärtlicher. Dann trat er einen Schritt zurück, griff jedoch nach meinen Händen. Am liebsten hätte ich in diesem Augenblick die Zeit angehalten, um für immer in diesem Zustand der grenzenlosen Glückseligkeit zu verweilen. Finn hatte mich nicht von sich gestoßen, meine Sorgen waren unbegründet gewesen. „Möchte ich wissen, weshalb du um halb sechs morgens aus Jacobs Auto steigst?"

Und zack, war der Augenblick vorbei. Ich wollte Finn darauf hinweisen, dass das Auto nicht Jacob gehörte, doch das war jetzt gerade vermutlich nebensächlich. Ich konnte ihm die Frage nicht verübeln. Wäre die Situation umgekehrt gewesen, hätte sie mich ebenso stutzig gemacht. „Ich hab dir doch erzählt, dass wir verabredet waren", erinnerte ich ihn, aber ich ahnte, dass Finn das nicht vergessen hatte und es ihm um etwas anderes ging. „Ja, hast du", bestätigte er. „Die Rede war von Freitagabend. Habt ihr die ganze Nacht zusammen verbracht?"

Mein Herz raste in meiner Brust und das hatte rein gar nichts mehr mit dem Kuss zutun. So viel zum Thema ‚Dinge einfach tun, ohne über die Folgen nachzudenken'. Für einen kurzen Moment war ich wütend auf Jacob, weil er mich in diese Situation gebracht hatte. Doch ich sah schnell ein, dass ich alleine die Schuld trug. Ich hatte Finn hierher bestellt, nicht er.

„Haben wir", gab ich zu. „Aber nicht so, wie du denkst. Ich habe kein Interesse an Jacob und er hat kein Interesse an mir."

Finn runzelte die Stirn. Er wirkte nicht überzeugt, doch er hatte meine Hände noch nicht losgelassen. Bis sein Blick von meinem Gesicht an meinem Körper herunter wanderte. Meine Hände fielen schlaff an meine Seiten, als er sie losließ. „Wessen Pullover trägst du?"

Ich schloss meine Augen, während meine Hände zu zittern begannen. Ich wusste nicht, welche Antwort Finn weniger verärgern würde. Er rechnete ohne Zweifel damit, dass ich ihm Jacobs Namen nannte, aber ich entschied mich für die Wahrheit. „Der gehört Noah."

Finn wirkte fassungslos. „Ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll", murmelte er kopfschüttelnd. „Ich würde mich gerne einfach freuen, dass du mich geküsst hast. Aber nachdem du die ganze Nacht mit einem anderen Mann unterwegs warst? Und während du den Pullover eines weiteren Mannes trägst? So habe ich mir das ehrlich gesagt nicht vorgestellt."

„Es tut mir leid", sagte ich. „Ich verstehe, dass die Situation nicht ideal ist. Aber ich habe dich nicht hierher gebeten, um dich zu ärgern, vorzuführen oder ähnliches. Ich wollte dich küssen und ich wollte nicht bis nachher warten, weil ich schon die ganze letzte Woche gewartet habe. Noah und Jacob sind meine Freunde. Küssen wollte ich nur dich, aber wenn du mir das nicht glaubst oder mir nicht vertrauen kannst, dann... dann..." Meine Stimme versagte. Ich war darauf vorbereitet gewesen, von Finn zurückgewiesen zu werden. Aber dass es hierauf hinauslaufen würde, war mir nie in den Sinn gekommen. Finn fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, dann seufzte er. „Ich muss zum Training. Aber ich möchte dich nachher sehen und in Ruhe mit dir sprechen. Bleibt es bei unserer Verabredung?"

won't fall in loveWhere stories live. Discover now