Kapitel 34

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Olivia

Jacob hielt den Blick weiter geradeaus in die Dunkelheit vor ihm gerichtet, doch ich wusste, dass meine Anwesenheit ihm nicht entging. Ich ließ mich seitlich auf dem zweiten Liegestuhl nieder, sodass ich nicht nach vorne in die Richtung schaute, in der sich das Meer in der Dunkelheit verbarg, sondern Jacob ansah. Ohne sich mir zuzuwenden, reichte er mir eine geöffnete Weißweinflasche, die ich jetzt erst entdeckte. Ich trank einen Schluck und reichte ihm die Flasche dann zurück. Erst jetzt richtete Jacob sich auf, so, dass wir uns nun direkt gegenüber saßen.

„Auch schlaflos?", fragte er, woraufhin ich nickte.

Er runzelte die Stirn und warf einen Blick nach oben zu den Fenstern im ersten Obergeschoss. Das Zimmer von Finn und mir ging zur anderen Seite raus. „Ben?", fragte er dennoch.

„Schläft."

Jacob nickte einmal kurz. „Immer noch glücklich?"

„Ich?"

Er verdrehte die Augen. „Nein, Barack Obama. Ja, Watson. Du. Bist du glücklich mit Ben?"

Wenn ich mit Finn nicht über Jacob sprach, sollte ich auch nicht mit Jacob über Finn sprechen. Aber das Gefühl, mit Jacob über alles sprechen zu können, hatte sich in den letzten Wochen immer mehr verstärkt. Also nickte ich.

„Sehr gut", sagte Jacob. „Und sonst? Hat dein Dad eine Wohnung gefunden? Wie geht's deiner Mum?"

Er war nicht hier rausgegangen, um mit mir zu reden. Und doch schienen seine Fragen auf aufrichtigem Interesse zu beruhen. „Hat er", bestätigte ich und nahm ihm die Flasche wieder ab. „Meiner Mutter geht es gut... soweit ich das von hier beurteilen kann. Vermutlich sollte ich sie demnächst mal besuchen, aber..." Ich zuckte mit den Schultern.

„Aber du hast Angst, weil es sich anders anfühlen wird, wenn er nicht mehr da ist", beendete Jacob den Satz für mich.

„Ja", gab ich ihm Recht. „Das wird alles noch einmal realer machen."

„Schieb es nicht zu lange vor dir her", riet er mir. „Dadurch wird es bestimmt nicht leichter."

Wir schwiegen für eine Weile, hingen unseren eigenen Gedanken nach. „Hast du eigentlich noch Kontakt zu deiner Mutter?", fragte ich ihn schließlich. Jacob schüttelte den Kopf und wich meinem Blick aus. „Nein. Kein Interesse."

„Ihrerseits? Oder deinerseits?"

Er zuckte mit den Schultern. „Beides."

„Du hast eine Schwester, oder? Haben die beiden noch Kontakt?"

Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. Aber er schüttelte den Kopf. „Nein, auch die nicht."

Seine Antworten waren kurz und knapp, aber wenigstens antwortete er mir. Voller Euphorie versuchte ich, seine aktuelle Offenheit auszunutzen und stellte die eine Frage, die mich brennend interessierte.

„Warum möchtest du keine Beziehung?"

Jacob hatte gerade angesetzt zu trinken, doch jetzt setzte er die Flasche wieder ab und grinste. „Wieso? Bietest du dich an?"

„Nein, ich hab was gegen Doppelmoral", entgegnete ich.

Sein Grinsen verschwand, dafür hob er fragend die Augenbrauen. „Doppelmoral?" Ich nickte. „Du wirfst mir seit Wochen vor verkopft zu sein, über alles zu viel nachzudenken. Du bist derjenige, der mir eingeschärft hat, dass man auch mal ein Risiko eingehen muss, um im Leben voran zu kommen. Dabei bist du derjenige, der keine Beziehung eingehen will, weil er Angst vor ihrem Ende hat."

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