Kapitel 45

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Olivia

Noahs Wagen stand auf der anderen Straßenseite und kurz fühlte ich mich in den Moment zurückversetzt, als Jacob mich vor einer gefühlten Ewigkeit an der gleichen Stelle abgeholt hatte. Niemals hätte ich zu dem Zeitpunkt ahnen können, wie sehr dieser Abend und diese Nacht alles verändern würden. Als er mich aus dem Haus treten und die Straße überqueren sah, stieg Jacob aus, um mir den Kofferraum zu öffnen. Er hatte eine Augenbraue nach oben gezogen, während er mich musterte. Genau gesagt meine Kleiderwahl. Kommentarlos nahm er mir die Tasche ab und brachte sie im Kofferraum unter. Dann ging er zur Beifahrerseite, hielt die Tür auf und sagte noch immer kein Wort. Wenn wir jetzt 10 Stunden Schweigen vor uns hatten, würde ich vielleicht wirklich verrückt werden.

Nachdem Jacob wieder eingestiegen war, den Motor gestartet und den Wagen auf die Straße gelenkt hatte, beschloss ich, die Stimmung ein bisschen aufzulockern. Und ihm gleichzeitig klarzumachen, wo genau ich stand. Von meiner Seite bekam er jetzt nur noch Ehrlichkeit, alles andere fühlte sich entsetzlich falsch an.

„Falls du irgendwann müde wirst und nicht die ganze Nacht durchfahren möchtest, können wir gerne bei einem Motel halten. Falls es dort nur noch ein freies Zimmer gibt, in dem natürlich auch nur ein Bett steht, hätte ich damit auch kein Problem."

Jacobs Fingerknöcheln färbten sich weiß, als er den Griff um das Lenkrad verstärkte. Ich war ein bisschen überrascht über mein selbstbewusstes Verhalten und konnte es mir nur damit erklären, dass Jacob meine Schwächen bereits kannte. Mit ihm konnte ich zu einhundert Prozent ich selbst sein. Außerdem hatte er mir vorhin jeden Zweifel genommen, dass irgendetwas zwischen uns einseitig war. Er wollte mich, genauso so sehr wie ich ihn wollte, er konnte es nur aus irgendeinem Grund nicht zulassen.

Es würde mich tatsächlich nicht stören, die Ankunft bei Jacobs Familie etwas hinauszuzögern. So sehr ich auch mehr über seine Vergangenheit erfahren wollte, fürchtete ich mich ein bisschen vor dem, was ich mich erwartete. In erster Linie weil ich es überhaupt nicht einschätzen konnte. Und zu einer Nacht mit Jacob in einem Motel würde ich auch aus anderen Gründen nicht nein sagen. Ich hatte genug Bücher gelesen und Filme geschaut, um mit dem „One Bed Trope" vertraut zu sein. Aber das hier war kein Buch und auch kein Film, erinnerte ich mich selbst. Das hier war die Realität.

„Wenn ich mich richtig erinnere, hast du mir am Samstag versichert, dass du mich nicht verführen möchtest", murmelte Jacob. Er warf mir einen kurzen Blick zu, bevor er wieder grimmig auf die Straße schaute.

„Da dachte ich auch noch, dass du nicht von mir verführt werden willst. Mittlerweile glaube ich, dass du großen Gefallen daran finden würdest."

Jacobs Mundwinkel zuckten. Das verbuchte ich als Erfolg, auch wenn er seine Lippen schnell wieder in eine gerade Linie brachte.

„Ich muss kurz meiner Schwester Bescheid sagen, dass wir kommen."

Seiner Schwester, nicht seinem Vater. Ohne seine Augen für mehr als zwei Sekunden am Stück von der Straße zu nehmen, wählte Jacob auf dem Autodisplay den richtigen Kontakt aus und sofort tönte das Freizeichen laut durch den Wagen.

„Hi Jacob", meldete seine Schwester sich sehr schnell. Ich war Maja im letzten Jahr einmal kurz begegnet, als sie ihren Bruder besucht hatte, doch zu dem Zeitpunkt waren Jacob und ich noch weit von einem freundschaftlichen Verhältnis entfernt gewesen. Ich wusste, dass sie ein Jahr jünger war als ich, aber da hörte es auch schon auf.

„Hi Maja, wie geht's?"

„Ach, ganz gut. Und dir? Sitzt du gerade im Auto?" Vermutlich konnte sie das Motorengeräusch hören.

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