Teil 7

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Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Die Uhr an der Wand verriet mir, dass es gerade mal kurz nach 6 war.

Alles war still. Zu still.

Langsam setzte ich mich auf, was keinen Deut besser funktionierte als noch am Vorabend. Ich stöhnte leise vor Schmerz auf, als ich meinen Körper in eine aufrechte Position brachte. Tatsächlich war alles leer und verlassen. Es kam mir unwahrscheinlich vor, dass er mich hier einfach so alleine ließ, dennoch schaute mich zaghaft um. Zum ersten Mal konnte ich mich nun meinen Blick ungestört durch den Raum schweifen lassen. Er war nicht besonders groß. Das Sofa stand wie vermutet ungefähr in der Mitte, dahinter mit etwas Abstand an der Wand, ein einfaches Bett. Gegenüber davon stand ein kleiner Tisch mit einem Stuhl, beides aus dunklem Holz gefertigt. Mein Pullover hing über der Lehne, daneben standen meine Schuhe.

Auf dem Tisch lag ein Laptop, welches gestern Abend wohl die Geräusche verursacht hatte.

An der Wand über ihm hing ein großer Spiegel, wie es für Hotelzimmer in der Regel typisch war. Als ich einen Blick hineinwarf, fuhr ich mir unwillkürlich durch meine Haare. Die braunen Strähnen hingen wirr durcheinander und würden sich wohl nur mit einer Bürste vernünftig bändigen lassen. Ich konnte erkennen, wie blass ich war.

Die Einrichtung war an sich schlicht gehalten, die Wandfarbe glich einem dunklen Grün, worauf auch die Möbel abgestimmt waren. Weil ich mich nach Hinweisen zu meinem aktuellen Aufenthaltsort umzusehen wollte, um schnellstmöglich von hier wegzukommen, versuchte ich aufstehen, aber meine Beine trugen mich nicht und knickten unter Belastung weg.

Gezwungenermaßen ließ ich mich nach einigen Anläufen irritiert wieder auf das Sofa sinken. Meine Beine waren zwar durch die Fahrt lange angewinkelt und somit, in eine ungünstige Position gerückt, leicht gequetscht worden, aber dass es mich so lange noch beeinträchtigen würde, hätte ich nicht gedacht. Einen Anfall könnte ich auch ausschließen, da es nicht den ganzen Körper betraf. Ich würde ihm allerdings auch zutrauen, dass er mir irgendetwas verabreicht hatte, während ich geschlafen hatte, damit er sich nicht darum kümmern musste, ob ich hierblieb oder einen Fluchtversuch unternehmen würde. Auf den ersten Blick erschien das zwar sinnvoll, aber in Anbetracht der Lage des Hostels würde er mich dort draußen wahrscheinlich schneller finden als ich irgendjemand anderen, der mir helfen könnte. Trotzdem war es wohl der einzige Weg hier raus, um diesem Horror zu entkommen. Schließlich legte ich mich wieder hin. Langsam versank ich in Grübeleien, welche sich ausschließlich darum drehten, wie ich von hier verschwinden könnte, doch es führte alles zu nichts. Erst als ich die Schlüsselkarte vor der Tür surren hörte wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich schnell schloss ich meine Augen, um vorzugeben, weiterhin zu schlafen. Alles wäre besser als direkt mit ihm konfrontiert zu werden. Ich hatte Angst vor ihm, weil ich ihn, genauso wie sein Verhalten nicht richtig einschätzen konnte. Er schein mir den Bluff abzukaufen, denn er sagte nichts und schenkte mir auch weiter keine Beachtung. Das Surren seines Handys weckte wieder meine Aufmerksamkeit.

„Ja?", meldete er sich am Telefon mit leiser Stimme.

Eine Person begann am anderen Ende zu reden, ich konnte jedoch nicht jedes Wort verstehen und bekam lediglich einige Gesprächsfetzen mit. Das Telefonat hatte nicht lange gedauert, nur ein paar Minuten.

„Ja, sie schläft, ich will sie nicht wecken",

„Nein, das Lendormin scheint gut genug zu wirken. Ich brauche doch nichts stärkeres für sie", waren einige gelegentliche Antworten von ihm, die ich ohne den Kontext der Unterhaltung nicht genauer zuordnen konnte. Dennoch bestätigte sich dadurch meine Anfangsvermutung. Lendormin kannte ich von meiner Arbeit, genauer gesagt von der Krankenstation des Hauptquartiers. Es war ein Beruhigungsmittel mit dem Wirkstoff Britozolam. Mit Lendormin wurden bei uns -wenn nötig - kranke Mitarbeiter behandelt, wobei es primär, wie jetzt auch in meinem Fall, zur Ruhigstellung benutzt wurde.

Es kam auch oft bei Angstzuständen und Schlafstörungen zum Einsatz, um diese abzumildern, da es nur geringe Nebenwirkungen hatte und die Wirkzeit gut abzusehen war.

„Beeilt euch, das zu klären, dass ich hier wieder wegkomme. Ich melde mich später noch einmal", sagte er schließlich und legte dann auf. Die Situation klang nach dem, was ich verstehen konnte, ungeplanter als ich es ihm zugetraut hätte. Im Hauptquartier wurde uns bei einer Einsatzbesprechung gesagt, er würde zunehmend planvoll, aber vor allem taktisch und durchdacht vorgehen, was ihn zu einem gefährlichen Gegner machte.

Kurz war es still, dann begann er wieder zu tippen. Irgendwann schien ich wieder eingeschlafen zu sein, da das Beruhigungsmittel noch wirkte. Von unseren Ärzten hatte ich gehört, dass die Wirkung nachträglich nicht abzumildern war, weshalb man es am besten ausschlafen sollte.

Battleside - depths of despair Where stories live. Discover now