17 - „Mein Schmerz sitzt tief!"

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Mittlerweile gab ich mir selbst den Namen Holmes. Wenn das, was ich tat keine Detektivarbeit war, dann wusste ich auch nicht.
Nicht einmal die Lust auf eine Zigarette hatte ich. So durch war ich.
Um einen freien Kopf zu bekommen ging ich ans Ufer. Doch die selben Gedanken kreisten unverschämt in meinem Kopf herum.

Eine Entscheidung musste ich treffen. Entweder blieb ich in dieser verdammten Stadt! Oder ich verzog mich aus dieser Stadt.

Wenn mein scheiß Handy nicht zu klingeln begann, hätte ich mich weiterhin mit meinen Gedanken geprügelt.
„Ja?"
„Einen angenehmen Abend wünsche ich dir, Azad. Wie geht es dir?"
Es war Kayadan. Der Alte.
„Man lebt."

Er lachte.
„Dass du lebst habe ich auch vermutet. Eine Einladung habe ich an dich."
Nah, wieder eine lästige Einladung.
„Ich bin gerade ziemlich beschäftigt."
Warum war ich nicht ehrlich und sagte ab?
„Bist du dir sicher? Halil hat mir ebenso berichtet, dass du am Ufer bist."

Was? Wer ist Halil?
An der Schulter wurde ich daraufhin angetippt. Vahits Sicherheitsmann stand auf einmal hinter mir. Mit einer Handgeste deutete darauf, dass ich aufstehen sollte.
„Verfolgst du mich etwa?", verließ ich mulmig meinen Platz.

„Verfolgen ist der falsche Begriff. Ich wollte nur sichergehen, dass es dir gut geht. Halil wird dich begleiten. Ein reichlich gedeckter Tisch wartet auf dich.", richtete Vahit aus, bevor der Piepton folgte. Er legte einfach auf.
Wer war dieser Mann? Und warum schickte er mir seinen antipathischen Sicherheitsmann zu?

„Buyur, Vural gardaş*. (Hier entlang, Bruder Vural.)", sprach er gedämpft vor sich hin. Mich konnte er auch nicht leiden. Schon als ich ihn zum ersten Mal sah, war er mir unsympathisch.
„Nereden kardeşin oluyorum ben? (Woher bin ich dein Bruder?)", entgegnete ich verdrossen.
„Din gardaşıyız. Haydi, düş arkama! (Wir sind Glaubensbrüder. Los, folge mir!)", gab er gleichgültig von sich.

[*In manchen Dialekten oder ländlichen Gebieten sagt man zu kardeş (Bruder/Schwester) gardaş]


Gab es eine Regel, dass Familien in Düsseldorf herzlich sein mussten, oder warum wurde ich andauernd eingeladen?
Am hellgelben Berghaus kam ich ein weiteres Mal an. Dieses Mal war Vahit nicht allein, sondern mit seiner Frau.
„Meine Frau Sebile.", stellte er die lächelnde Dame vor.

Stets skeptisch trat ich durch die Tür nach der aufrichtigen Begrüßungszeremonie. Der Grund der abrupten Einladung war mir noch unklar.
Die Atmosphäre im Haus war seltsam. Etwas, womit ich noch nie begegnet war, lag in der Luft.
Ich kannte dieses Haus und diese Menschen nicht. Doch ich fühlte mich nicht schlecht zwischen den vier Wänden neben dem alten Pärchen.
Was auch immer.

Authentisch wurde das Haus eingerichtet. Viele Holzdetails, persische Teppiche, orientalische Elemente konnte ich sehen. Es war altmodisch, aber einladend. Ein großes Gewähr hing an der Wand. Mit Patronengurt.
Einen Hund hörte ich draußen bellen.

Eine warme Suppe wurde mir serviert. Wenn ich ehrlich war, aß ich mein ganzes Leben lang kaum Hausgerichte. Immer hier und dort. An Maraz Tisch. Mit den Schakalen.

„Als Vahit mir von dir erzählte, konnte ich kaum erwarten dich zu sehen!", entgegnete mir die alte Dame sehnsüchtig, als kenne sie mich ein Leben lang. Die gefüllten Auberginen schmeckten gut.
„Warum?", sah hin hinauf.

Wie mir die Dame erzählte, konnte das Paar keine Kinder bekommen. Nachdem sie mich mehr oder weniger adoptierten, dann zurückließen, bekamen sie ein Jahr später ein Kind.
„Du hast uns Glück gebracht.", strahlte mich Sebile an.

Daran glaubte ich nicht. Wem könnte ich schon Glück bringen? Bis heute habe ich unzähligen Menschen Leid angetan als Hintermann.

„Unser Sohn studiert im Ausland Medizin. Sonst wäre er auch am Essen beteiligt gewesen.", fügte Vahit hinzu.
„Schön", kommentierte ich uninteressiert während ich das Desert probierte. Sebile hat ein Händchen für's Kochen.

ALS ER KAMWhere stories live. Discover now