1 - „Wer ist dieser Mann?"

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Düsseldorf

„Wer ist dieser Mann?", lautete die erste Frage, nachdem sich die schwere Eingangstür aufschwenkte und eine skeptische Dame hervortrat.
Ein groß gewachsener Mann, um die 1,90 gesellte sich der Begrüßungszeremonie und ließ die Blicke prüfend über mich schweifen. Kampfbereit, als wüsste er im Voraus von meiner Ankunft.

„Ich bin für Imran Khasbulat gekommen.", gab ich trocken wieder. Der Schmerz saß immer noch in meiner Kehle, die sich trocken wie eine Wüste anfühlte.

Den Briefumschlag, den mir Ümit mitgab händigte ich ein.
Was der Zettel auch immer weitergab, es erwies sich als meine Eintrittskarte in die Mansion.
Fliesen in Anthrazit erstreckten sich über den Boden. Durch weißen Marmor wurden sie im Wohnzimmer unterbrochen. Mein Kopf schwirrte.

Solche Wohnungen kannte ich gut wie meine eigene Seele. Ein geheimer Raum müsste sich irgendwo hinterm Büro befinden. Wachposten sorgten für Sicherheit auf dem Grundstück.
In der Mansion könnte man sich leicht verirren, so komplex die Architektur war.

Nach einer Wanderung gelangen wir zum Rückzugsort von Imran Khasbulat.

„Hast du eine Waffe oder spitze Gegenstände dabei?"
Er müsste mir vertrauen, da er das Durchsuchen unterließ. Oder womöglich war er auch müde wie ich. Der Zeiger schlug auf 23 Uhr. Ich schüttelte den Kopf. Doch dann fiel mir etwas ein. „Ein Taschenmesser."
Nach der Entwaffnung wurde mir der Eintritt genehmigt.

„Imran!", hallte die Stimme meines Begleiters durch den hohen Raum. Kalim hieß er, wie ich ebenso hörte.
Im gedämmten Licht nahm ich eine Bewegung im oberen Stockwerk wahr.

Wie ein Sicherheitsmann stellte sich Kalim neben dem Schreibtisch auf und fasste den Sachverhalt zusammen.
Zunächst folgte eine prüfende Geste von Imran. Selbst um diese Uhrzeit trug er noch Hemd und Stoffhose. Die protzige Uhr schimmerte an seinem Handgelenk.

In seinem Notizheft, das mit einem Lederumschlag versehen war, kritzelte er etwas rein. Im Schnelldurchgang scannte ich den Raum ab. Dunkelrot tapeziert. Massivholzregale streckten sich über die Wände. Ein Hirschgeweih hing links unten neben der Tür. Kerzenständer aus Messing auf den Tischen. Klaviermusik surrte im Hintergrund.

Mit dem Zuklappen des Heftes kehrte ich zum Wesentlichen zurück.
„Willkommen in Düsseldorf.", hieß mich der Hausherr willkommen. Dankend nickte ich.
„Offenbare mir zuerst, wer du bist."
Für einen Moment spürte ich den kickenden Adrenalin in meinen Zellen.
Azad Duman"

Ümits Warnung hallte in meinem Kopf. Ich durfte kein Offen geben.
„Was kann ich für dich tun, Azad?", fragte Imran daraufhin mit Betonung auf meinen Namen und trat vor. Kalim stemmte die Hiebe am Schreibtisch und zog verdächtig die Augen zu Schlitzen.

„Ich suche jemanden. Ihr sollt die Richtigen dafür sein.", lockerte ich meine Sitzhaltung und stützte die Arme an der Lehne. Ungewollt zog sich mein Gesicht zusammen, als der höllische Schmerz meinen Arm hoch ging.

„Wen suchst du, Azad?", nahm Kalim gegenüber mir Platz. „Vahit Kayadan. Er lebte in Düsseldorf. Womöglich immer noch."
„Weshalb suchst du ihn?", hakte Kalim verdächtig nach. Um den Mann zu finden, der mir mein Leben gestohlen hat.
„Das geht uns nicht an.", widersprach Imran und wurde missfallen von Kalim beäugt.

„Vor 25 Jahren soll er hier gelebt haben. Dann ist er nach Istanbul gezogen.", lieferte ich die letzte Information, die ich kannte.
„Ich werde mich darum kümmern. Mein Vertrauen in Ümit ist groß, deshalb habe ich keine weiteren Fragen mehr. Hast du eine Bleibe in Düsseldorf?", ging Imran auf mich ein.

Das erste Mal überraschte mich die Aufmerksamkeit eines Fremden. Uns wurde ein Leben lang beigebracht, Unbekannte kritisch zu sehen. „Niemand ist dein Freund, Vural. Vertraue nur deiner Familie.", fielen mir die Worte von Maraz ein. Meine Kiefermuskel spannten sich unmittelbar an.

ALS ER KAMWhere stories live. Discover now