11 - „Einladungen nimmt man an."

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DUNYA

„Privet! (Hallo!)", erwiderte ich lächelnd, als die Internetverbindung letztendlich hergestellt wurde.
Wenn sie lächelte, ging die Sonne auf. Sie wirkte gestärkt. Trotz der sichtbaren Müdigkeit in ihren Augen.

„Wie geht es dir, meine Dunya?", hörte ich ihre Stimme nach Tagen. Wie gerne ich sie in meine Armen nehmen wollte. So fest, dass ich ihren Herzschlag spürte.
„Hervorragend! Wo ich dich sehe, sogar besser."

Über Gott und die Welt unterhielten wir uns, solange es die Verbindung zuließ.
„Passt Selima gut auf euch auf? Was macht sie?"
„Heute werde ich bei meiner Tante vorbeischauen. Eine große Bestellung hat sie aufgenommen.", teilte ich mit.

Ihre Therapie lief gut. Seit Tagen verging nicht das unwohle Gefühl in mir. Aber als ich sie sah, verschwand alles.
„Rustam hat am Morgen mit mir telefoniert. Er wird mich vom Flughafen abholen."

Obwohl ich es mir nicht anmerken ließ, fehlte sie mir an jedem Tag, an dem sie nicht bei uns war.

„Gott hat mir eine Tür geöffnet. Der Arzt hat gute Neuigkeiten mitgegeben.", hörte ich letztendlich.
Unsere Gebete wurden erhört. Ich wusste, dass sie die Therapie packen würde. Sie war eine Kämpferin!

„Dunya?", kam Imran hellhörig durch die Tür. Na sieh mal, wer da ist.
„Du sprichst mit Mama?", schnappte er sich das Handy. Mein Bruder war miserabel dabei Kontakte zu pflegen. In den fünf Wochen haben sie vielleicht zwei Mal miteinander telefoniert.
Das war auch der Tatsache geschuldet, dass er überbeschäftigt war.

„Pass gut auf meine Dunya auf. In einer Woche werde ich In Sha Allah (So Gott will) da sein.", gab meine Mutter ihr letztes Wort. Ich hakte mich bei Imran ein und blickte ihm über die Schulter. Das kurze Gespräch genügte nicht, um meine Sehnsucht nach ihr zu stillen. Dafür freute ich mich auf ihre Rückkehr umso mehr.
„Sie ist in guten Händen. Bis Morgen.", beendete mein Bruder das Gespräch.

Kurz verinnerlichte er den Moment, dann wandte er sich mir. Verdächtig nahm er mich unter die Lupe.
„Wo gehst du hin? Ich fahre dich."
„Zu Tante Selima? Ist das verboten?"
Die Antwort befriedigte ihn nicht, was ich anhand seiner Körperhaltung verstand.
„In einem Kleid.", nahm er das schlicht schwarze Kleid ins Visier. So was zog ich selten an, was für Verwirrung sorgte.
Etwas von den Damen, die Lezginka tanzten hatte das Kleid.

„Ja Imran"
Er schenkte sich gemütlich ein Glas Wasser ein.
„Gehen wir noch heute los, oder erst in fünf Werktagen?", hing ich meine Tasche um und signalisierte, dass ich es eilig habe.

Hintereinander verließen wir das Haus.
Kalim kam uns dabei entgegen.
Frisch aus der Nachtschicht, was mir die Schatten unter seinen Augen erklärten.

Auf meinen Bruder ging er zu und teilte etwas mit. Er erstarrte, was immer Kalim auch mitteilte.
„Steig ein. Ich komme gleich.", meinte Imran mit verschärfter Miene. Zögernd stieg ich im SUV ein.
Über das verhärmte Gesicht fuhr Kalim und zeigte etwas auf dem Handy. Ein Dokument gab er an Imran weiter.
Was ging hier los? War Imran wieder hinter einer Mission?


Vor der Fußgängerzone blieb der Wagen stehen.
Die ganze Fahrt lang war ich gedanklich bei Kalims Dokument gewesen. Mal schauen, ob mir Elmir etwas genaues sagen kann.
„Wann sollen wir dich abholen?", warf Imran einen Blick auf die Uhr.
„Ich weiß nicht wie lange es dauert. Lamiya wird mich bestimmt nachhause fahren.", kramte ich meine Sonnenbrille aus der Tasche raus.

„Sag mir Bescheid, wenn du zuhause ankommst.", befahl er kühl. Ich weiß nicht, was mit ihm seit heute Morgen los war, aber seine launische Stimmung gefiel mir ganz und gar nicht.

ALS ER KAMWhere stories live. Discover now