13 - „Dafür bin ich nicht auf diesen Typen angewiesen."

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ARYA

Die ersten Sonnenstrahlen waren der Grund für mein frühes Aufwachen. Bewusst ließ ich in der Nacht meine Gardinen offen, damit ich früh aufwachte.
Sportlich gekleidet verließ ich mein Zimmer und suchte die richtige Playlist zum Joggen aus.

Die frische Luft am morgen half mir meine wirren Gedanken einzuordnen. Auch, wenn ich eine beste Freundin und die beste Mutter der Welt habe, gab es ein Anliegen, das ich für mich behalten wollte. Und das kann auch mal anstrengend sein.

Wahrscheinlich schliefen meine Eltern noch.
Das dachte ich zumindest, bis ich den Koffer meines Vaters vor der Tür sah.
So war es immer. Seit meiner Kindheit. Bis ich vor zwei Jahren an Krebs diagnostiziert wurde, verreiste mein Vater sogar öfter.

Dass wir an unsere vergängliche Lebenszeit erinnert werden, bringt uns dazu, bessere Zeit mit unseren Liebsten zu verbringen.

„Baba? (Papa?)", schaute ich mich um.
In ein Telefonat verwickelt kam er hastig aus dem Arbeitszimmer heraus. Womöglich war Serdar an der Leitung.
Flüchtig drückte mir mein Vater einen Kuss auf die Wange beim vorbeigehen. Und dann war er schon weg. Den Gedanken ein ruhiges Sonntagsfrühstück mit meinen Eltern zu machen, könnte ich streichen.

Wohin des Weges? Ich folgte ihm zur Terrasse.
Irgendwie wirkte mein Vater unruhig. Oder bildete ich es mir ein?
Ich schaute mich um, doch fand ihn nicht weit und breit. Dann wollte ich umkehren, bis ich ein Gespräch vernahm.

„Wenn wir den Verräter im Unternehmen nicht finden, werden wir unsere Kunden verlieren, Serdar!"
Nun verstand ich, weshalb mein Vater seit Tagen spät nachhause kehrte: Es gab einen Problem im Unternehmen. Seine Projekte waren in Gefahr.


Um meinen Kopf frei zu bekommen floh ich in den Wald. Es brachte mich dazu, mich mehr mit der Thematik zu befassen. Das Hörbuch, das ich anmachte ging total an mir vorbei.
Ich stoppte es und machte eine Pause. Mehrmals atmete ich tief durch.

Wie geht es nun weiter?
Steht mein Vater unter Gefahr?
Ich musste ihm vertrauen. Bis heute überstand er jede Schwierigkeit.

Das Treffen mit meiner Cousine sagte ich ab.
Mir war danach zuhause zu bleiben und alles durch den Kopf gehen zu lassen.
Manchmal wünschte ich mir eine Schwester oder einen Bruder im Haus, um meine Gedanken mit ihr oder ihm zu teilen.
Am Frühstückstisch begegnete ich meiner Mutter, und dann ging sie los zum Tennisclub.

Als ich erfuhr, dass Dunya in ihrem Atelier war, machte ich mich auf zur Haltestelle.
Das dritte Stock eines Bürogebäudes mietete sie für ihre Kunstwerke an. Zeichnen war ihre Art Gedanken zu verarbeiten. Es war so friedlich ihr beim Zeichnen zuzuschauen. Aus ein paar Pinselstrichen zauberte sie ein Kunstwerk her.

Sie bevorzugte dunkle Töne.
„Welche Stadt ist das?", deutete ich auf die Skyline, die am entstehen war.
„Grozny"
Dunya kommt ursprünglich aus Tschetschenien. Ihre Mutter hat palästinensische Wurzeln. Sie ist außerdem Cherkessin. Ich glaube ihr Handgeschick und ihre Schönheit vererbten ihr ihre Vorfahren. Oftmals bekochte sie mich mit ihren kulinarischen Gerichten.

„Willst du mich mal mit in deine Heimatstadt nehmen?", warf ich ein Blick auf das Gemälde.
Den Pinsel tunkte sie noch einmal in die blaue Farbe ein.
„Wenn du Lust hast, gerne. Aber nur, wenn ich in eure Ferienwohnung nach Izmir darf."
„Klar. Wenn du magst können wir diesen Herbst gemeinsam verreisen!", fiel mir die hervorragende Idee ein.

ALS ER KAMWhere stories live. Discover now