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Die Nächte zusammen

Amicus ad Aras

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Es war still in der Wohnung.

Nur wenige Stunden zuvor hatten sich die sieben Freunde mit Matratzen, Decken und Kissen bewaffnet im Wohnzimmer versammelt. Zusammen hatten sie dort ihr nächtliches Lager aufgeschlagen. Die Sessel sowie das Sofa waren zur Seite geschoben, um mehr Platz zu schaffen. Die Matratzen hatten sie alle nebeneinander gelegt und die Kissen und Decken darauf verteilt. Der Boden war binnen Sekunden zu einem riesigen Bett geworden, auf welchem sieben Personen eng aneinander gekuschelt lagen.

Saejin hatte sich zwischen ihren Bruder und Seonghwa gelegt. So war sie ihren Brüdern nahe. Einer war mit ihr durch Blut verwandt und ihr bester Freund gewesen. Zur Zeit konnte sie ihn lieben, so viel sie wollte, aber das Vertrauen in San war immer noch nicht vollständig da. Es würde auch seine Zeit dauern, bis ihr Herz sich traute ihm blind zu folgen.

Seonghwa hingegen war weder ihr bester Freund noch ihr Bruder durch Blut. Er war einfach Seonghwa für sie. Die Person, die sie liebte und vertraute. Sie vertraute ihm so tief, dass es weh tat. Warum hatte ihr Herz sich dazu entschieden, ihm so viel mitzugeben? Da war nicht nur das Vertrauen, dass er sich Tag für Tag erarbeitet hatte und jetzt glaubte, verloren zu haben. Da war auch ein Stück ihres Herzens, dass sie ihm schon so lange geschenkt hatte. Im Grunde sah sie keinen Grund, warum sie nicht für Seonghwa sterben würde. Sie würde alles für ihn tun, weil sie wusste, dass er auch alles für sie tun würde. Das Mädchen konnte kein Wort finden, dass diese innere Verbundenheit, die sie mit dem Ältesten teilte. Es war Hoffnung, Freude, Angst, Trauer, Liebe und Leben. Es war Alles und es war Nichts. Es war bedingungslos. Und manchmal träumte sie davon, diese Verbundenheit Seelenverwandtschaft nennen zu können.

War es das? War diese Verbundenheit so tief und intim, so intensiv und endlos, dass sie sich Seelenverwandte nennen konnte? Fragen, die sie nicht beantworten konnte.

Aber die Verbundenheit blieb. Und deshalb war da dieses Bauchgefühl, das Saejin sagte, dass Seonghwa gebrochen war. Sie hatte seine Angst gespürt. Sie wollte ihm die Angst nehmen. Die letzten Tage war sie immer bei San gewesen. Zusammen hatten sie versucht, ihre Beziehung wieder zu heilen. Sie hatten geredet. Viel geredet. Und irgendwie hatte es geholfen. Auch wenn sie nicht über die letzten Jahre geredet hatten, waren sie auf dem besten Weg, ihre größeren Probleme zu lösen. Die meiste Zeit ging es für sie um die Zeit vor der Entführung. Zusammen versuchten sie den Ursprung ihres ständigen Streitens zu finden und zu verstehen. Saejin verarbeitet die Gespräche meistens noch einmal in ihren Therapiesitzungen und Yoojin half ihr immer mehr, die Ereignisse zu verstehen. Sie hatte ihr auch angeboten, eine ihrer Sitzungen in der Woche mit ihrem Bruder zusammen zu machen. In Endeffeḱt würde es keine große Einschränkung auf ihren Heilungsprozess haben, denn die Beziehung der Geschwister war genauso wichtig zu verstehen und wieder aufzubauen, wie ihre eigenen Probleme und Traumata aufzuarbeiten.

Die Stunden, die Saejin und Yoojin zusammen verbrachten, halfen weiter. Wenn auch die Wunden nur langsam heilten, sie schlossen sich langsam und Saejin war mehr bereit um sich auf neues wieder einzulassen.

Das Wollknäuel hatte sich aufgelöst, als Yunho und Mingi wieder in der Wohnung standen. Noch immer lagen die sieben jungen Erwachsenen auf dem Boden und schliefen fest. Zu zweit oder allein lagen sie auf den Matratzen und träumten Träume, die sie am Morgen wieder vergessen hatten. Ein Lächeln blitze über das Gesicht des Älteren, als er die Gruppe dort liegen sah. Viel zu lange waren die gemeinsamen Abende her gewesen.

Die letzten Wochen waren immer wieder ein Auf und Ab der Gefühle gewesen. Teilweise hatten sie das Gefühl kopfüber an einem dünnen Leinenseil zu hängen und mit jeder winzigen Bewegung in den Abgrund fallen zu können. Sie waren noch nicht abgestürzt, doch die Möglichkeit war immer noch da. Sie waren noch nicht aus dem Shitstorm raus. Sie waren immer noch dort wo sie sich vor Wochen befanden und sie vermissten ihren Alltag.

Die Jungs hatten es da besser als Saejin. Liebend gern hätten sie ihren Alltag mehr wie einen richtigen Alltag gestaltet, doch manchmal führt der gewählte Weg nur mit Umwegen nach Rom. Und manchmal sind diese Umwege mit Steinen und Ästen voll.

Die Jungs versuchten sich gegenseitig zu Unterstützen. Sie versuchten Saejin zu unterstützen, doch manche Tage waren eben nicht einfach. An manchen Tagen, ging der Umweg durch einen Wald und die Baumkronen rankten hoch und gleichzeitig tief. Es gab keinen Weg für das Sonnenlicht, um den Weg zu leiten. An manchen Tagen, ertrank man in Dunkelheit und wurde am nächsten Morgen von neuen Sonnenstrahlen geweckt. Die Liebe zu einander, half da häufig. Die Gruppe hielt zusammen, auch wenn es schwierig war. Sie waren eins. Sie waren Familie. Denn in einer Welt in der man mehr arbeitete als man seine Familie sehen konnte, wurden neue Menschen zu der Familie und das war bei der achtköpfigen Gruppe auch so. Sie waren miteinander älter geworden, hatten Hochs und Tiefs zusammen erlebt. Saejin war ein Teil von ihnen und sie hätte den Erfolg der Gruppe auch miterleben sollen.

Sie war nicht nur Sans Schwester, sie war Seonghwas unbiologische Schwester. Sie war Jonghos beste Freundin. Mit Sicherheit war sie auch Hongjoongs Lieblingskind, auch wenn er immer behauptete, dass er keine Lieblinge unter seinen Schützlingen als Leader hatte. Saejin hatte als Mate in Crime und als romantische Seelenverwandte einen Platz in Wooyoungs Herz gefunden. Und Yunho, Yeosang und Mingi hatten in ihr eine Freundin gefunden. Die drei hatten nicht die engste Bindung, aber sie hatten einander ins Herz geschlossen. Viele Erinnerungen wären nicht so, wie sie ihnen in Erinnerung blieben. Ohne Saejin wären die Charaktere, die sie auslebten, nicht so wie sie es jetzt sind. Saejin hatte geholfen sie zu formen. Und sie hatten gelernt, sie dafür zu lieben. Sie aufzunehmen und in ihr Familie zu sehen, auch wenn sie es nicht biologisch waren.

Mingi schloss seine Arme um Yumho, als sie zu zweit in dem Flur standen und still die Gruppe beobachteten. Ein kleiner Stein viel von ihren Herzen. Sie waren weiter gekommen. Sie waren nicht am Ende und noch lange nicht in Rom, aber sie hatten eine Hürde überwunden. Und hoffentlich würden viele weitere ihrem Weg folgen.

Yunho seufzte. Die letzten Wochen hatten ihnen allen das schwerste abverlangt. Auch wenn er an der Hoffnung festhielt, an manchen Tagen konnte er nicht verhindern, dass sie bröckelte. Manchmal war es einfach unausweichlich.

Der Ältere drehte sich in Mingis Armen so, dass er ihn genauso in die Arme schließen konnte. Er vergrub sein Gesicht im Nacken des Blonden, welcher ihn einfach nur stumm hielt. Heute waren sie das erste Mal seit Wochen wieder außerhalb ihres Dorms gewesen. Sie waren nicht angewiesen drinnen zu bleiben, aber die Ruhe in den Wänden, brachte auch ihrem Gemüt Ruhe. So ziemlich abgeschottet von der Welt, bekamen sie nicht mit wie die Menschheit in Flammen unterging. Sie bekamen den Hass, die Aufstände, die Worte nicht mit. Sie waren den Paparazzos nicht ausgesetzt, sie mussten sich nicht rechtfertigen. Und sie konnten an Saejins Seite sein.

Doch heute hatten sie die Massen gesehen. Vor dem Apartmentkomplex, vor dem Entertainment. Und sie hatten gesehen wie Menschen reagierten. Sie hatten die Hysterie mitbekommen, den Hass. Sie hatten so viel Hass gesehen. Die einen hassten die Typen, die das Saejin angetan hatten. Die anderen hassten Saejin.

Man sagte immer so schön »Schlechte Publicity ist auch Publicity«, aber diese Publicity hatte in ihren Augen nichts gutes. Um was für einen Preis mussten sie kämpfen, wenn ein solche Skandal als positiv angesehen wurde?

Die Stille umhüllte die zwei wie ein schützender Umhang. Für diesen einen Moment gab es nur die zwei auf der Welt. Es gab keine Probleme. Es gab kein Hass. Nur die Liebe und Freundschaft, die Yunho und Mingi teilten. Ihnen war bewusst, dass die letzten Wochen verhext waren und die darauf folgenden nicht besser werden würden.

Für den Bruchteil einer Sekunde wollten sie einfach alles um sich herum ausblenden und nur einander spüren.

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Schlaf ist mittlerweile nicht einfach nur Schlaf, es ist ein Entkommen.

[𝐃𝐄, 𝐀𝐓𝐙] Das Gefängnis der FreiheitWhere stories live. Discover now