I.XI

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Nacht und Stille

"Ich werde niemals wieder das Ich sein."

・゚: *・゚:*

Die Fahrt war ruhig verlaufen. Es gab keine Probleme, keinen Stau, keine unachtsamen Menschen, die einfach über die Straße liefen, um schneller an ihr Ziel zu kommen.

Erstaunlicherweise hatten es Wooyoung, Saejin und der Bodyguard ohne Zwischenfälle - auch Fans genannt - in das Auto geschafft.

Wooyoung hatte sich mit Saejin auf den Rücksitz verzogen. Die Fenster waren getönt, so dass niemand die Beiden sehen konnte. Aufgrund von Sicherheitsmaßnahmen hatte Wooyoung dem Mädchen sowohl eine Maske als auch eine Mütze gegeben. Er selbst hatte beides schon und war kaum noch zu erkennen. Auch wenn es sich in dem Teil von Seoul, in dem sie lebten, um einen recht sicheren Teil für Idols handelte, wollte der Ältere nicht, dass etwas passierte, weil sie zu leichtsinnig gewesen waren. Es reichte schon, dass Saesangs wussten, wo sie lebten. Saejin sollte nicht genau dieselbe Belästigung durchmachen müssen. Das Internet tat schon genug, um sie fertig zu machen.

Gemeinsam mit Wooyoung war sie eine Straße weiter ausgestiegen und zu dem Gebäude, welches das Apartment der Gruppe beinhaltete, gelaufen. Von außen sahen sie wie ein normales Paar aus, das einen abendlichen Spaziergang machte. Sie fielen in der Menschenmasse nicht auf. Und das war auch gut so. Auf halbem Weg hatte Wooyoung nach Saejins Hand gegriffen, um sie nicht zu verlieren. Anfangs hatte sich das Mädchen um einiges versteift, doch nach einigen Sekunden nahm sie die Wärme der Hand in ihrer an und entspannte sich wieder.


Ein kleines, kaum wahrnehmbares Lächeln stahl sich auf die Lippen des Älteren. Er hätte ihre Hand nicht nehmen müssen. Zwar waren die Straßen voller geworden und die Nebengassen dunkler, aber er würde Saejin nicht verlieren. Er wollte einfach ihre Hand in seiner halten. Er musste etwas Mut ansammeln, aber als er vollkommen da war, hatte er sich einfach getraut und das getan, wonach er sich schon lange gesehnt hatte. Es war vielleicht nur ein Händchenhalten für andere. Für ihn war es aber viel mehr. Es war eine Berührung, der er niemals genug Glauben geschenkt hatte, so dass er sie jemals mit Saejin erleben durfte. Sie waren immer enge Freunde gewesen, doch waren sie nie eng genug gewesen, um die Hand des anderen zu halten.


Glücksgefühle strömten deshalb in Wooyoung auf. Er hatte seine Chancen bei der Brünetten immer für recht klein eingeschätzt. Ihre Augen hatten immer schon für Yunho gestrahlt. Und das seit dem ersten Moment.


Um so mehr freute er sich über die kleine Geste, die ihm nun teil wurde.


Saejin hingegen spürte eine Art von Sicherheit. Sie konnte das Gefühl nicht loswerden, dass etwas nicht richtig war und Wooyoung konnte dieses Gefühl mit nur einer Berührung einfach weg radieren. Sie konnte die Beziehung zu ihm nicht genau zuordnen, aber ihr war klar dass sie stärker war als damals, als sie noch nicht zwei Jahre verschwunden war.

Ihr war nie wirklich bewusst gewesen, wie sehr sie eigentlich an dem jungen Mann hing. Auch wenn Wooyoung der beste Freund ihres Bruders war, so hatte sie immer eine starke Verbindung zu ihm. Dasselbe galt für ihn. Saejin war irgendwo immer verbotenes Terrain gewesen und doch
hatte er immer auf sie aufgepasst und war immer in ihrer Nähe gewesen. Genauso wie jetzt.
San hatte nicht viel für die Gefühle seines besten Freundes für seine Schwester übrig. Zum einen waren da die ständigen Streits, die zu eben dieser Zeit stattgefunden haben, und zum Anderen konnte er nicht viel gegen die Liebe von Wooyoung ausrichten. Im Endeffekt war es Saejins Entscheidung, wen sie ihr Herz schenkte. Er konnte nicht auf sie einreden und ihr sagen, den Jungen zu lieben. So funktionierte die Welt nicht.


Auch wenn er es gewollt hätte.


Aber er wollte es nicht wirklich.


Wooyoung konnte sich nicht gegen das Glücksgefühl in ihm wehren. Auch als die zwei den Apartmentkomplex erreicht hatten und Saejin ihre Hand aus seiner löste, war das wohlige, warme Gefühl weiterhin in ihm. Genauso wie das Lächeln konnte er es nicht verschwinden lassen. Diesmal wollte er es auch nicht, denn vor nur wenigen Sekunden konnte er davon träumen, wie es wäre, ein echtes Paar zu sein. Wie es wäre, wenn er ohne Grund und ohne Angst die Hand des Mädchen halten könnte. Er wollte einfach weiter träumen.

Die Träumerei war vorbei, als die zwei vor der Tür zum Dorm standen. Saejin sah eingeschüchtert aus. Sie wusste nicht, ob sie sich wirklich sicher war, dass jetzt alles besser wurde. Würde die Nähe zu den Jungs sie heilen? Oder alles nur schlimmer machen? Sicher war sich da niemand. Aber in ein Hotel wollte sie niemand stecken. Alleine konnte sie nicht leben und die Nähe zu Bekannten tat den meisten Opfern gut. Die Gruppe konnte nur hoffen, dass das auch bei dem Mädchen der Fall war.


Wooyoung kramte eine Schlüsselkarte aus seiner Tasche und hielt sie an einen Apparat neben der Tür. Auch wenn ein kleines Licht darüber grün aufleuchtete, musste er einen Pin eingeben, bevor die Tür vor ihnen aufsprang. Der Ältere lächelte dem Mädchen neben ihm aufmunternd zu, auch wenn sie es nicht sehen konnte, da er immer noch seine Maske auf hatte. Danach griff er nach dem Türknauf und schob die Tür auf. Bevor er komplett in den Dorm eintrat, ließ er Saejin durch und schaute noch einmal in den Flur, um sicherzugehen, dass niemand ihnen gefolgt war. Er sah niemanden, was Wooyoung als ein 'niemand war da, um ihnen auf zu lauern' nahm. Schnell schloss er die Tür und machte sich daran, jegliche Klamotten abzunehmen. Saejin tat es ihm gleich.


Die kleine Tasche, welche mit Saejins Sachen gefüllt war, stand schon im Flur bereit, um das Mädchen in ihr neues Zuhause zu begleiten. Wooyoung schickte ein weiteres aufmunterndes Lächeln in ihre Richtung, das sie diesmal erwiderte.


Es war recht still in dem Apartment. Saejin erinnerte sich daran, wie es zu den meisten Zeiten immer laut war und sich vor allem Seonghwa und Hongjoong darüber beschwert hatten, dass die Jüngeren die ganze Nacht damit verbrachten, Karako zu veranstalten. Es waren sehr wilde Nächte gewesen. Jetzt war es komisch. Die Stille glich keiner, die durch schlafende Member verursacht wurde. Es war eher eine, die einen Sturm ankündigte. Eine unangenehme Stille. Eine sehr unangenehme.


Wooyoung hob die Tasche auf und deutete Saejin an, ihm zu folgen. Diese räusperte sich leicht und folgte ihm. Ihre Schritte waren so leise, um auch niemanden zu wecken. Wooyoung hingegen achtete nicht sehr darauf. Ihm war sehr wohl bewusst, dass niemand am schlafen war. Sie waren alle viel zu aufgeregt gewesen, als dass sie auch nur ein Auge zu bekamen. Es war ein großer Tag für sie. Das kleine Mädchen war wieder bei ihnen. Zumindest physisch gesehen.
Sie waren einen Schritt weiter, sie wieder in ihr Leben einbinden zu können.


Ein Schritt weiter, wieder ein Leben wie vorher zu führen. Auch wenn sie das niemals zu 100 Prozent erreichen konnten.

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"Meine größte Angst ist, dass du mich irgendwann genauso siehst,wie ich mich selbst sehe."

[𝐃𝐄, 𝐀𝐓𝐙] Das Gefängnis der FreiheitWhere stories live. Discover now