Herz über Kopf?

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Nele

Ich fühle mich gerade alles andere als wohl. Die ganze Situation überfordert mich einfach nur nahtlos, aber ich habe nicht die Kraft, geschweige denn die Macht, irgendetwas an ihr zu verändern. Ich bin froh, dass Viveks Eltern mich hier dulden, es könnte auch anders sein. Sie hätten Vivek und mich schon längst aus dem Haus werfen können.

Vivek scheint es nicht besser zu gehen. Ganz und gar nicht. Er versucht zwar den Starken zu spielen, um mich zu entlasten und mir das Gefühl zu geben, dass wir eine Lösung finden werden. Und ich schätze das wirklich sehr. In seinen Augen dagegen sehe ich den Sturm, der gerade in ihm tobt. Ich hoffe so sehr, dass wir einen Weg finden. Wegrennen wäre das Letzte, das ich will, aber diese Option besteht. Aber will Vivek das wirklich? Wird er sich wirklich für mich und das Baby entscheiden, wenn es hart auf hart kommt? Ist die Liebe zwischen uns dafür stark genug? Oder wird er mich doch von sich stoßen, weil ihm seine Familie, seine Eltern wichtiger sind-

„Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, mit Dayita zu reden und dich.. ja.. gewissermaßen mit ihr zu verbünden", frage ich unsicher. Ich liege gerade in Viveks super gemütlichen Himmelbett, weil ich von dem ganzen Chaos, einfach total erschöpft bin. An Schlaf ist trotzdem nicht zu denken.

„Ich muss es zumindest versuchen", meint Vivek und zuckt mit den Schultern. Schon den ganzen Vormittag tigert er unruhig in seinem Zimmer umher. Es ist schwer für mich Ruhe zu finden, weil ich seine Anspannung spüren kann und dadurch auch selbst nervös werde.

„Ja ich weiß, dass ich zu aufgedreht bin", gibt er schließlich zum Besten und lässt seinen Körper endlich neben mich auf das weiche Bett sinken. „Das tut mir leid, Süße. Versuch ein wenig zu schlafen. Das wird dir und dem Baby gut tun."

Vivek zieht mich an seine warme Brust und seine Wärme, sein Geruch, in seinen Armen zu liegen, lullt mich ein und ich gleite in den ersehnten Schlaf.

Irgendwann schrecke ich wieder auf und es ist zwar nicht kalt, aber das ist auch nicht Viveks Wärme, die mich jetzt umgibt. Ich drehe meinen Kopf so lange, ehe ich in Kavitas braune Kulleraugen schaue. Sie streckt ihre Hand aus und wischt mir eine meiner leicht verschwitzten Strähnen zur Seite, so dass diese aufhört meine Augen zu kitzeln.

"Irgendwie fühle ich mich, wie in einem von Shah Rukh Khans Filmen", murmelt sie leise." Nur weiß ich gerade einfach nicht, was jetzt richtig oder falsch ist. Auf jeden Fall muss all das hier irgendwann ein gutes Ende haben".

"Süße bitte lass diese Vergleiche"; nuschele ich schlaftrunken. Ich will sie nicht verletzen, aber sie nervt dezent mit ihrer Bollywood Begeisterung." Ich habe gerade überhaupt keinen Kopf dafür."

"Du hast doch Recht. Entschuldige bitte...", antwortet Kavita mir. Ihre Stimme klingt dabei sehr traurig und auch etwas verzweifelt. " Ich will doch nur, dass sich am Ende wieder alle lieb haben".

"Das wünsche ich mir auch"; flüstere ich und spüre eine Träne, die in meinen leicht geöffneten Mund rinnt. Sie hinterlässt einen leicht salzigen Nachgeschmack auf meiner Zunge. „ Du weißt nicht wie sehr".


Vivek

"Reichst du mir mal die Feuchttücher?", fragt Nele, während sie gerade dabei ist Noah zu wickeln. Seit ein paar Minuten schreit der Kleine ununterbrochen. Vielleicht wird es besser, wenn er endlich eine frische Windel bekommt, die andere roch ziemlich streng. Nele versucht den Kleinen zu beruhigen, indem sie Quatsch mit ihm macht, aber auch das scheint nicht zu helfen. Nachdem sie ihn wieder angezogen hat, überreicht sie mir das schreiende Bündel.

„Ich muss eben meine Hände waschen". 

" Du bist bestimmt müde, Noah?"; wispere ich ihm sanft zu und wiege ihn in meinen Armen. Die letzten Tage habe ich das oft bei Nele oder Marleen gesehen und bin stolz, als er sich tatsächlich ein wenig beruhigt. Leise beginne ich eine Melodie zu summen. Wundersamerweise funktioniert das und der Kleine schläft  ziemlich schnell in meinen Armen ein. Ich habe noch nicht wirklich viel Übung mit Babys und bin daher gerade mächtig stolz auf mich selbst.

„Wir legen ihn am besten in sein Bettchen", murmelt Nele. Ich hatte sie nicht kommen gehört, weil ich so vertieft gewesen war. Ich habe mich heute ein kleines bisschen mehr in Noah verliebt. Der Kleine ist einfach zauberhaft. Ich folge Nele leise durch die Zimmer, bis sie schließlich im Kinderzimmer Halt macht. Vorsichtig lege ich den Kleinen in sein Bettchen.

„Willst du eigentlich mal Kinder?", wispert Nele mir zu, als wir  wieder im Wohnzimmer sind und uns auf die Couch gesetzt haben.

" Mit dir will ich eine ganze Fußballmannschaft", scherze ich.

Sie richtet sich wieder etwas auf, nachdem sie sich gerade in meinen Armen gemütlich gemacht hat und schaut mich leicht empört an. Gerade sieht sie einfach nur verdammt süß aus! Ich weiß, dass dieses Thema nicht hierher passt. Es sollte gar nicht aufkommen. Diese Reise zu ihr war eine Ausrede, eine verzweifelte Tat meines Herzens. Gerade fühlt sich alles so falsch an und trotzdem fühle ich mich so komplett, wenn ich bei Nele bin. Ja verdammt, ich möchte Kinder mit ihr. Ich möchte mein Leben mit ihr verbringen, aber das wird so nicht möglich sein.

" Du bist einfach nur wundervoll...", versuche ich es erneut. " Du bist die beste Tante, die Noah sich wünschen kann. Und eines Tages wirst du auch die beste Mutter meiner Kinder sein".

Trotz allem sage ich diese Worte.  Herz über Kopf! Sie stolpern nur so aus meinem Mund heraus. Meine Gefühle sprechen für mich und blenden die Wahrheit aus. Nele und ich haben keine Zukunft! Ich ertrinke in ihren Blicken, in diesen blauen Augen, die mich in ihren Bann ziehen und mich so unendlich schwach machen.

„Ich habe mich in dich verliebt, Vivek", flüstert sie schließlich.

Kurz stocke ich, ehe ich leise in ihr Ohr wispere:

„Ich mich auch in dich. Sehr sogar!"

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Die Erinnerung an diesen Abend in Stuttgart, drängt sich an die Oberfläche. Will gehört und beachtet werden. Ich halte kurz inne, weil sie so schön ist. Sie erfüllt mich und einen Moment fühlt sich alles so leicht an. Blöderweise hält dieses Gefühl  nicht lange an und schließlich sind es wieder Dayitas letzte Worte, die in meinen Gedanken auftauchen und mich mit Hoffnungslosigkeit ausfüllen.

„Ich kann dir nicht helfen. Meine Eltern werden ausrasten, wenn ich mich auf deine Seite schlage...Wenn sie wüssten, dass ich mich immer mit Ram treffe...".

Die Verzweiflung überschwemmt mich. Ich hatte so sehr darauf gehofft, dass Dayita auf meiner Seite ist und mir in überschwänglicher Freude mitteilt, dass sie sofort dabei ist und mit mir gemeinsam die Verlobung auflöst. Ich hätte ahnen müssen, dass sie es nicht tun wird. Sie ist viel zu gut erzogen und würde sich niemals gegen ihren Vater stellen.

Wenn Aman von ihrem kleinen Geheimnis wüsste...

Nein, dass kann ich nicht bringen...

So fies bin ich nicht. Damit würde ich Dayita die ganze Zukunft zerstören. Keine Familie würde sie mehr als Schwiegertochter akzeptieren.

Nein, dass ist der falsche Weg...

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich zurück in mein Zimmer schleiche.

Was soll ich jetzt tun?

Was genau ist Plan B?

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