Prolog

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„Soran, Kai kommt ihr, Sorans Mutter ist hier, um euch abzuholen." Die Stimme der Tagesmutter schallte laut durch den großen Spielraum, um die schreienden Stimmen der achtjährigen zu übertönen. Es dauerte keine Minute eh zwei kleine Jungen aufgeregt angerannt kamen. „Das ist nicht meine Mutter, das ist meine Oma." erwiderte der größere von beiden mit hoher Stimme, sobald er zum Stehen kam. Die neue Tagesmutter öffnete in Schock ihre Augen. „Wirklich, wow. Sie sehen so jung aus dürfte ich fragen, wie alt sie sind?" lachend ging Sorans Oma zu ihm rüber und fuhr ihm einmal schnell durch das zottelige hellbraune Haar um die letzten Blätter, welche noch vom Spielen draußen hängen geblieben waren, zu entfernen. „Ich bin 52." antwortete sie geschmeichelt. „Unglaublich ich hätte sie auf Mitte dreißig geschätzt." Es stimmte seine Oma hatte ein junges Gesicht und wurde dadurch oft für seine Mutter gehalten, leider hatten sie damit auch fast recht. Seine Mutter arbeitete für einen reichen Mann als Putzfrau, so erzählte sie es jedenfalls, und war fast nie zu Hause und wenn sie es war, war sie Müde und hatte keine Zeit für ihn. Also kümmerte sich schon seit er denken konnte seine Oma um ihn, aber es störte ihn nicht er kannte es ja nicht anders. „Das nehme ich als Kompliment." sagte sie noch bevor sie beide Jungen an jeweils eine Hand nahm und den lauten Raum verließ.

Schnell zogen beide ihre Schuhe mit einem großen Lächeln auf den Lippen an und sprangen zurück an die Hand der Frau. Sorans Lächeln lag breit auf seinen Lippen und er sprang aufgeregt an der Hand seiner Oma umher. Es war selten das Kai mit zu ihm kam, denn im Gegensatz zu Soran hatten seine Eltern Zeit für ihn und unternahmen viel mit ihm. Dieses Glück war Soran jedoch nicht gegönnt, denn auch wenn er dankbar ist das seine Oma sich um ihn kümmerte, so musste auch sie arbeiten. Seinen Opa hatte er nie kennengelernt, kurz nach der Geburt seiner Mutter war sein Großvater gestorben und das gleiche Schicksal hatte auch ihn selbst nach seiner eigenen Geburt erwartet. So hatte auch Soran nie seinen Vater kennengelernt. Aber auch das konnte ihm egal sein, er hatte seine Oma und das reichte. Sanft lächelnd schloss sie ihnen die Gartentür auf und ließ sie so das große Grundstück betreten. Soran war vielleicht etwas über dem Mittelstand, seine Mutter verdiente gutes Geld und auch seine Oma hatte durch das Erbe einiges an Geld erhalten. Sobald die Kinder auch nur den Rasen berührten, ließen sie die Hand der Frau los und rannten über das halbe Grundstück zu dem kleinen umgebauten Gartenhaus. Innen stand eigentlich nur ein großes Bett und noch etwas Platz um, auf dem mit einem Spielzeugteppich bedeckten Boden, zu spielen. Schnell sprangen die beiden Kinder auf das große Bett und wickelten sich in den dicken Winterdecken ein. Der Sommer war vorüber und der Herbst begann bereits seine kalten Tage über sie zu legen. Die Wege wurden von den Blättern der Bäume bedeckt und dunkle Wolken zogen fast täglich über sie hinweg.

...

Das fröhliche Lachen der Kinder drang leise durch die Holzhütte und ließ ein warmes Lächeln auf den Lippen der blonden Frau erscheinen. Vorsichtig klopfte sie gegen die Tür, welche sofort aufschwang, so dass ihr zwei freudig strahlende goldene Augen entgegenblickten. Vorsichtig stellte sie den Teller voller Kekse und die zwei Kakao Tassen auf einem kleinen Tisch neben dem Bett ab. Eigentlich war die kleine Hütte mal als Gästezimmer gedacht gewesen, aber sie bekamen so selten Besuch, dass Soran es zu seinem Spielzimmer gemacht hat. „Kannst du uns etwas vorlesen?" fragte seine helle Stimme und die Augen seines Freundes leuchteten so sehr wie seine eigenen. „Na gut, was wollt ihr denn?" gab sich die Frau schnell geschlagen, sie wusste das es nichts bringen würde auch nur zu versuchen mit Soran zu diskutieren, außerdem wusste sie wie sehr er es liebte und auch sie genoss die Zeit. Es war als könnte sie endlich das nachholen können was sie bei ihrem eigenen Kind versäumt hatte, auch wenn sie wusste das es keine Wiedergutmachung ist, so ließ es sie doch etwas ruhiger schlafen.

„Zerachiel's Tagebuch." kam schnell die Antwort und sorgte für einen verwirrten Blick auf dem Gesicht seines Freundes. „Von dem Buch habe ich ja noch nie gehört." sagte Kai und brachte die ältere Frau zum Schmunzeln. „Es ist auch kein Buch, welches du einfach so im Handel finden kannst, es ist sehr alt und ist das Tagebuch von einem unserer Vorfahren." „Wie alt?" fragte er neugierig nach. „Fast 1000 Jahre." Kais Augen wurden groß und Sorans Lächeln breiter. Er liebte den Ausdruck der Menschen, wenn sie es erfuhren. Zwar war es erstaunlich das die Papierseiten nicht zu Staub in seiner Hand zerfielen, aber er hinterfragte es nicht weiter und akzeptierte es einfach. Das hatte er schon von klein auf gelernt, manchmal war es einfach besser die Dinge so zu akzeptieren, wie sie waren. Vorsichtig holte Sorans Oma das alte Buch in dem Lederumschlag aus dem hohen Regal und legte es achtsam auf ihrem Schoß ab. Ihre Finger fuhren vorsichtig über den Ledereinband. Er war rau über die Jahre hin weg geworden. Sie hatte das Buch bestimmt schon 1000-mal in der Hand gehabt und trotzdem beeindruckt es sie jedes Mal aufs Neue. Jede Seite war noch in einem perfekten Zustand die Wörter, die mit Feder und Tinte aufgetragen waren, klar lesbar, die alten mit Bleistift gezeichneten Bilder waren vorsichtig in die Seiten eingearbeitet.

Crimson Stars [Boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt