A C H T Z E H N

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Ich versuche, eine neutrale Miene beizubehalten. Das ist also der Grund, warum ich hier bin.

»Versuchst du, sie eifersüchtig zu machen? Hast du mich deswegen eingeladen? Wenn ja, dann ist das verdammt geschmacklos«, sage ich Silas sehr direkt, der mich nun erschrocken ansieht.

»Nein, so ist das nicht! Also...« Plötzlich wirkt er verlegen. »Es ist kompliziert.«

Ich warte darauf, dass er weiterspricht. Als jedoch einige Sekunden vergehen und ich realisiere, dass da nichts mehr kommen wird, sage ich: »Ich wüsste es sehr zu schätzen, wenn du mir sagst, warum ich hier bin. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass es ein Zufall ist, dass sie hier ist.«

Silas schluckt sichtlich und reibt sich über die kurzen dunklen Bartstoppeln. »Es ist auch kein Zufall«, sagt er plötzlich, wobei er meinen Blick meidet. Mir klappt die Kinnlade herunter. Mit ruhiger Stimme entgegne ich: »Entweder du sagst mir jetzt ganz genau was hier los ist, oder ich verschwinde.«

Ich gebe Silas genug Zeit, zu antworten. Ich warte sogar noch darüber hinaus. Doch als einfach nichts mehr von ihm kommt, packe ich meine Sachen und stehe auf. Bevor ich gehe, sage ich: »Danke für den Kaffee und das Gebäck.« Er macht keine Anstalten, mich aufzuhalten.

...

Ich versuche, nicht zu verletzt zu sein. Natürlich ist das eher Wunschdenken, damit ganz souverän umgehen zu können, dass Silas mich womöglich unter falschem Vorwand ins Café eingeladen hat, aber gut.

Die Wahrheit ist nämlich, dass ich sauer bin. Und irgendwie auch traurig, weil ein kleiner Teil in mir darauf gehofft hat, dass Silas mich einfach nur eingeladen hat, weil er mich mag.

Mir ist klar, dass er meinte, dass es nicht darum ging, seine Ex eifersüchtig zu machen. Doch trotzdem kommt mir die ganze Sache irgendwie reichlich faul vor. Dass er sich nicht wirklich daran gestört zu haben scheint, dass ich gegangen bin... das spricht schon auch für sich.

Lustlos lasse ich mich auf mein Sofa fallen und starre eine Weile in die Luft vor mir. Schließlich werfe ich einen Blick auf mein Handy um zu gucken, ob Silas nicht doch noch geschrieben hat... hat er nicht. Klar.

Doch wo ich gerade schon mein Handy in der Hand habe, wird mir bewusst, dass ich vielleicht endlich David anrufen sollte. Ich bin es ihm schuldig, ihn wissen zu lassen, wie ich mich fühle. Vielleicht habe ich mir sogar schon viel zu lange einreden wollen, dass ich ihn so mag wie er mich. Aber mittlerweile kann ich mit absoluter Bestimmtheit sagen, dass dem nicht so ist und dass sich das auch nicht ändern wird.

»Romy, hi! Schön, von dir zu hören. Wie geht es dir?«, begrüßt er mich. Innerlich zähle ich bis drei um mich zu sammeln, dann antworte ich: »Gut, danke. Wie geht es dir? Hat du demnächst Zeit, dich mit mir zu treffen? Ich würde mich gerne mit dir unterhalten.«

»Oh-oh, das klingt aber nicht gut. Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, du sagst mir entweder jetzt am Telefon was dich beschäftigt, oder wir treffen uns sofort. Sonst mache ich mir noch viel zu viele Gedanken, was los sein könnte. Ist das in Ordnung für dich?«

Da ich gerade nicht die geringste Kraft dafür besitze, nochmal das Haus zu verlassen und es außerdem schon spät ist, sage ich: »Okay, dann besprechen wir das am Telefon.« Erneut schließe ich die Augen und zähle im Kopf herunter, bis ich mich ruhig genug fühle, um zu sprechen. Ich bin verdammt nervös.

»Gut, also... mir ist es wichtig gleich am Anfang zu erwähnen, dass du rein gar nichts falsch gemacht hast und du ein wirklich toller Mensch bist, soweit ich das beurteilen kann.« Mir liegt schon ein ›Es liegt nicht an dir, sondern an mir‹ auf der Zunge, doch dann wird mir klar, dass das wohl doch etwas zu klischeehaft ist. Stattdessen sage ich: »Ich habe einfach gemerkt, dass ich nicht zu hundert Prozent bei der Sache bin, was uns beide betrifft. Das hat einzig und allein etwas mit mir zu tun und ich finde, ich bin es dir auf jeden Fall schuldig, dich das wissen zu lassen. Ich will deine Zeit nicht weiter verschwenden.«

»Du hast meine Zeit nicht verschwendet, Romy«, sagt David weich. Hinter meinen Augenlidern brennen Tränen, doch ich dränge sie zurück. Ich möchte jetzt nicht weinen.

Er fährt fort: »Ehrlich gesagt habe ich mir schon fast gedacht, dass es darauf hinauslaufen wird. Ich hatte eine wirklich tolle Zeit mit dir, Romy, und finde es schade, dass nicht mehr daraus geworden ist. Aber manchmal ist das einfach so im Leben und es sollte wohl nicht so sein. Danke, dass du so ehrlich zu mir bist, ich weiß es wirklich zu schätzen.«

»Es tut mir leid, David. Ich fand es auch sehr schön mit dir.«

»Dann... wünsche ich dir noch alles Gute. Mach's gut, Romy!«

»Wünsche ich dir auch! Tschüss, David.«

Nachdem wir aufgelegt haben, fühle ich mich merkwürdig leer. Wo bleibt das Gefühl der Erleichterung darüber, das Richtige getan zu haben?

Ich ärgere mich, dass das mit David und mir nichts geworden ist. Er ist ein toller Kerl und hat mich immer fabelhaft behandelt. Die Vorstellung davon, mit so jemandem zusammen zu sein ist sehr schön... aber es ist nun einmal bloß die Vorstellung davon. Gefühle spielen bei dem Ganzen eine nicht unerhebliche Rolle. Wenn die Gefühle nicht mitspielen, hat es keinen Sinn. Mein Kopf ist sehr überzeugt davon gewesen, dass David gut für mich ist. Mein Herz hatte anscheinend andere Pläne.

Im gleichen Atemzug komme ich zu einer weiteren Erkenntnis. Silas sollte ich vielleicht auch nicht mehr sehen. Was hat es für einen Sinn, mich bei seinem Anblick immer wieder zu quälen? Es ist nun mal so, dass mein leichtsinniges Herz dachte, es ist eine tolle Idee, sich in Silas zu verknallen. Dagegen kann ich nichts tun, sowas passiert nun mal. Aber ich habe durchaus die Macht darüber, wie ich damit umgehe. Und mich konstant mit einem Menschen zu umgeben, für den ich Gefühle habe, die nicht erwidert werden, ist Folter. Ich habe keine Lust mehr darauf. Ich werde jemand anderen finden, der meinen Computer reparieren kann.

Ein Klingeln an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Irritiert stehe ich vom Sofa auf und mache mich auf den Weg zur Gegensprechanlage. Wer das wohl sein mag?

HerzschaumМесто, где живут истории. Откройте их для себя