9. Kapitel

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Verwirrt und erhitzt laufe ich durch den langen Flur des Clubs auf der Suche nach den Toiletten, nur um festzustellen, dass ich längst an ihnen vorbeigelaufen bin und wieder ganz zum Anfang zurückgehen muss. Mr. Landon ist mir zum Glück nicht gefolgt und hat meinen plötzlichen Abgang offensichtlich genau richtig verstanden.

Als ich das Damen-WC betrete, komme ich in einen hell erleuchteten, blitzblank sauberen und komplett weiß gekachelten Raum. Ich höre leise Musik und eine Duftmischung aus Vanille und Zitrone strömt mir in die Nase. Wieder einmal habe ich etwas anderes erwartet. Etwas Verruchteres, Schmuddeligeres und Dunkleres. Die Räumlichkeit ist offenbar frei von jeglichen sexuellen Handlungen, bemerke ich erfreut, nachdem ich aus keiner der Kabinen vernehme, wie jemand stöhnt oder ein Körper gegen die Tür knallt. Eine Oase der Ruhe, in der ich mir hoffentlich wieder klare Sinne verschaffen kann.

Nachdem ich mich erleichtert habe, wasche ich mir gründlich die Hände und halte anschließend meine Handgelenke noch eine Weile unter den eiskalten Wasserstrahl, während ich mich in dem riesigen Wandspiegel betrachte. Das Licht ist im Gegensatz zu vielen anderen Clubs sehr schmeichelhaft, sodass ich nicht gleich einen Schreck bekomme, weil ich in ein rot geflecktes und erschöpft aussehendes Antlitz blicke. Von meinem Lippenstift ist zwar kaum mehr was auf meinen Lippen zu sehen und auch sonst ist von meinem Make-up nur noch wenig sichtbar, dennoch wirkt mein Spiegelbild mit meinen leicht geröteten Wangen und den glänzenden Augen erstaunlich frisch, als wäre ich gerade von einem langen Spaziergang nach Hause gekommen. Ob das wohl der Verdienst meines Chefs ist, der mein Blut in Wallungen und meine Hormone zum jubilieren gebracht hat.

Bei näherer Betrachtung fällt mir jedoch auch eine leichte Fremdheit in meinem Blick auf, die ich immer dann an mir beobachtete, wenn ich zu viel Alkohol getrunken habe. Und das habe ich heute definitiv.

Mein langes je nach Lichtverhältnissen mal dunkelblondes, mal hellbraunes, glattes Haar wirkt etwas zerzaust, lässt sich aber mit einigen Fingerstrichen einfach wieder ordnen. Meine Frisur sitzt ausnahmsweise richtig gut.

Ich drehe das Wasser ab, als sich meine Haut schon ganz taub anfühlt und tupfe mit den Fingern einige Wasserspritzer an meine Schläfen. Danach fühle ich mich gleich viel frischer.

Über den kommenden Montag will ich lieber gar nicht weiter nachdenken. Wie Mr. Landon wohl reagieren wird, fragte ich mich. Ob er wieder der eiskalte Geschäftsmann sein wird, sobald wir uns in der Firma gegenüberstehen?

Wichtiger als mir darüber Gedanken zu machen, ist jetzt jedoch erst einmal, Kate wieder zu finden und dann so schnell wie möglich aus diesem Club zu verschwinden, bevor ich meinen Boss ein zweites Mal begegne. Und da ich in seiner Gegenwart an diesem Abend offensichtlich nicht zurechnungsfähig bin, will ich das tunlichst vermeiden.

Ich lasse einen letzten Kontrollblick über meinen Körper streifen. Das schwarze Kleid von Kate sitzt wie eine zweite Haut an mir und da ich nicht gerade ein Hungerhacken bin, wird dadurch jede meiner Rundungen sehr deutlich betont. Als ich protestiert habe, dass dieser Fetzen viel zu aufdringlich wäre, hat Kate nur gesagt, dass der Dark Secret Club kein Ort wäre, um sich zu verstecken, sondern wie gemacht, um selbstbewusst zu zeigen, was man hat. Natürlich habe ich mich wieder viel zu schnell von ihr überreden lassen. Vielleicht auch deshalb, weil ich insgeheim immer schon mal vorgehabt habe in einem solch hautengen, sexy Kleid auszugehen. Nur habe ich mich meistens gebremst, weil ich das zu offensiv gefunden habe. In einem Sexclub sind solche Befürchtungen natürlich überflüssig und so habe ich meine Chance ergriffen. Bei Mr. Landon ist das anscheinend sehr gut angekommen. Noch immer kann ich seine begehrlichen Blicke spüren, mit denen er meinen Körper bedacht hat.

Mit einem Seufzer verlasse ich schließlich meinen sicheren Ort, in der Hoffnung, dass Kate bereits auf mich wartet. Allerdings wird sie vermutlich erst in der Bar nach mir suchen und in die kann ich auf keinen Fall zurückgehen. Wenn Mr. Landon noch da ist, wird er das vielleicht, missverstehen. Und überhaupt kann und darf ich ihn heute nicht mehr sehen. Der Mann ist für meine berufliche Karriere wie eine tickende Zeitbombe. Denn wenn es eines gibt, dass ich mir geschworen habe, dann war das immer, nicht mit dem eigenen Boss ins Bett zu hüpfen. Das führt nur zu einem Haufen Probleme und endet mit einer unumgänglichen Kündigung. Meine derzeitig fantastische Aufwärtskurve in meiner Berufslaufbahn will ich für ein bisschen Sex nicht aufs Spiel setzen.

Als ich in den Flur blicke, ist von Kate nichts zu sehen. Falls sie in der Bar auf mich warten sollte, schreibe ich ihr lieber eine Nachricht, in der ich ihr mitteile, dass ich vor der Eingangstür auf sie warte.

Ich drücke auf Senden und starre gebannt auf mein Display. Doch keine Antwort folgt. Also halte ich weiter nach meiner Freundin Ausschau und trete dabei immer nervöser von einem Fuß auf den anderen.

Gerade als ich erneut auf mein Smartphone starre, vernehme ich direkt neben mir ein Räuspern. Erschrocken hebe ich den Kopf und muss diesen fast in den Nacken legen, um den Kerl ins Gesicht sehen zu können, der mich mit einem breiten Grinsen betrachtet.

„Hi", sagte der riesige, breitschultrige Mann, der mit seinem leicht gewellten, braunen Haar wie ein Student aussieht. Er ist mir auf Anhieb sympathisch und macht einen herrlich unkomplizierten Eindruck. Ich wundere mich, dass jemand wie er in einen Sexclub geht anstatt in eine nette Studentenkneipe, um dort ein ebenso nettes, wie süßes Mädel kennen zu lernen. Er ist attraktiv genug, dass er damit sicherlich keine Probleme hatte. Zudem wirkt er sehr selbstbewusst und ist bestimmt nicht zu schüchtern, um Frauen anzusprechen.

„Hi", antworte ich und kann nicht anders, als ihn ebenfalls anzugrinsen.

„Wartest du auf jemanden?", erkundigt er sich und macht dabei nicht den Anschein, als würde er gleich weitergehen wollen.

„Auf meine Freundin, aber ich schätze, dass es bei ihr noch eine Weile dauern wird."

„Verstehe", bemerkt er schmunzelnd und streckt anschließend seine große, kräftige Hand in meine Richtung.

„Ich bin übrigens Matt", stellt er sich vor.

„Hannah", sage ich zu ihm und spüre seinen festen, warmen Händedruck.

„Wenn deine Freundin noch beschäftigt ist, heißt das, dass du etwas Zeit hast?"

Er fixiert mich mit seinen dunklen Augen und ich kann mir gut vorstellen, dass er mit diesem Blick schon viele Frauen herumgekriegt hat.

„Hmm", mache ich unschlüssig.

„Magst du mitkommen?", fragt er, während er seine Finger mit den meinen verhakt.

Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie sich die Tür zur Bar öffnet und bin für einen Moment abgelenkt. Ob das Kate ist, frage ich mich und wende meinen Kopf.

Doch es ist nicht Kate, sondern kein Geringerer als Mr. Landon. Mein Herz setzt aus. Und vor Schreck krampfe ich meine Finger um die von Matt.

Mein Boss erfasst die Situation blitzschnell mit einem scannenden Blick und bleibt für einen Augenblich an meinen mit Matt verschränkten Fingern hängen, während er stehen geblieben ist. Als er mir wieder ins Gesicht sieht, zieht er eine Augenbraue in die Höhe. Ich frage mich, ob er dadurch sein Erstaunen zum Ausdruck bringt. Immerhin habe ich ihn erhitzt, wie er war, einfach in der Bar stehen lassen, um mir kurz darauf einen anderen Mann zu schnappen. So jedenfalls muss das gerade für ihn aussehen.

Ich schlucke, während ich es weder schaffe, meinen Blick von Mr. Landon abzuwenden, noch Matts Hand loszulassen.

„Ok, was wird das hier?", ergreift Matt als erster das Wort. „Ist das dein Dom oder soll das hier ein Dreier werden", fährt Matt unverblümt fort.

Mein Dom und Dreier wirbelt mir nur durch den Kopf, während mich schon wieder eine Hitzewelle erfasst, die mich regelrecht umhaut. Am liebsten würde ich einfach nur im Erdboden versinken.

„Ich ...", beginne ich, weil Mr. Landon es offensichtlich nicht für nötig hält, das Missverständnis aufzuklären, noch sich von Ort und Stelle zu rühren.

„Hannah", unterbricht mich in diesem Moment jedoch Kates Stimme.

Endlich lasse ich Matts Hand los und blicke erleichtert in die Richtung, aus der ich ihre Stimme vernommen habe.

Als ich sie erblicke, sind ihre Augen vor Erstaunen geweitet.

„Da bist du ja. Unser Taxi wartet schon", sage ich schnell und ergreife sofort, sobald sie in meiner Nähe ist, ihre Hand und will sie ihn Richtung Ausgang ziehen.

„Auf wiedersehen", sage ich jedoch vorher noch in Richtung der beiden Männer. Immerhin will ich auch nicht ganz unhöflich sein.

Dark SecretWhere stories live. Discover now