4. Kapitel

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Statt schnell wegzusehen, mich zu ducken oder möglichst unauffällig den Raum zu verlassen, starre ich ihn an.

Ungläubig. Fassungslos.

Wie soll ich ihm je wieder in der Firma unter die Augen treten. Ich habe sein Geschlechtsteil gesehen. Das ist einfach zu viel.

Als würde er meinen Blick auf sich spüren, schieben sich seine Mundwinkel leicht nach oben, während er seinen Kopf hebt und mich kurz darauf direkt ansieht.

Und noch immer kann ich meinen Blick nicht von ihm abwenden, obwohl das jetzt meine Chance gewesen wäre, von ihm ungesehen, diesen Raum zu verlassen. Ich kann nur annehmen, dass ich vor Schreck wie erstarrt bin und mich deshalb überhaupt keinen Millimeter mehr rühre. Dafür werde ich mir später in den Allerwertesten beißen.

Vielleicht will ich aber auch nur sichergehen, dass er es wirklich ist. Insgeheim hege ich nämlich immer noch die Hoffnung, dass er es nicht ist.

Doch die Hoffnung zerschlägt sich schnell. Trotz der Entfernung und des schummrigen Lichtes bin ich mir beinahe zu hundert Prozent sicher, dass er es ist.

Ich weiß nicht, ob ich Mr. Landon jemals so lange wie in diesem Moment in die Augen gesehen habe. Angesehen habe ich ihn schon oft. Beispielsweise bei firmeninternen Ansprachen. Ich habe ihn immer als sehr attraktiv empfunden, aber auch als unnahbar und kühl. Falls er mir mal einen Blick zugeworfen hat, war dieser immer nur flüchtig gewesen. Bisher bin ich auf der Karriereleiter in seiner Firma noch nicht so weit aufgestiegen, dass ich öfter direkten Kontakt mit ihm gehabt habe.

Nur ab und an mal kurze Nachfragen und Absprachen. Aber auch bei diesen kurzen Unterredungen ist es nie zu einem längeren Blickkontakt gekommen.

Jetzt allerdings sieht er mich an und zwar ziemlich intensiv, bis ich endlich wieder zur Besinnung komme und meinen Blick von ihm abwende.

Hat er mich erkannt oder nicht?

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Und so hoffe ich, dass er mich nicht erkannt hat. Ich bin eine von vielen seiner Mitarbeiterinnen. Außerdem bin ich heute für meine Verhältnisse ziemlich sexy gekleidet und viel stärker geschminkt als sonst. Ich habe in seinem Gesichtsausdruck auch nicht wirklich ein Erkennen oder Erschrecken ausmachen können. Mein erster Eindruck spricht also glücklicherweise dafür, dass er mich nicht erkannt hat.

„Hannah, was ist mit dir? Du siehst aus, als hättest du gerade ein Gespenst oder irgendetwas anderes Unheimliches gesehen", reißt mich Kates Stimme aus meinen Gedanken.

„Er ...er ist mein Boss", bringe ich stockend heraus und diese Worte auszusprechen, setzt meinen Körper endgültig in Flammen.

„Was?", erwiderte Kate und stellte lachend und mit einem Knall ihr Glas auf den Holztresen ab.

„Das ist ja abgefahren."

„Das ist eine Katastrophe. Wir sollten hier sofort verschwinden."

„Atme erst mal tief ein und aus. Meinst du nicht, dass es besser wäre, kurz mit ihm zu reden und die Situation hier klarzustellen, damit es im Büro nicht unangenehm wird."

Für einen Augenblick habe ich den Eindruck, als würde der Boden unter mir schwanken. Das kann doch einfach alles nicht wahr sein.

„Ich bin mir nicht sicher, ob er mich überhaupt erkannt hat. Er ist der Eigentümer der Firma. Ich habe nicht so viel direkten Kontakt zu ihm."

„Ok, damit du darüber Klarheit bekommst und dir nicht den Kopf zermarterst, bleiben wir jetzt am besten hier sitzen. Wenn er dich erkannt hat, wird er mit Sicherheit hierherkommen. Denn er wird sich bestimmt noch einmal persönlich deiner Verschwiegenheit versichern wollen."

Ich soll hier also einfach sitzen bleiben und warten und das ohne einen Herzinfarkt zu bekommen?

Kate greift mit ihrer Hand nach meiner.

„Hey, das hier ist wirklich keine Katastrophe. Das verspreche ich dir."

Dark SecretDonde viven las historias. Descúbrelo ahora