Kapitel 53

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Ich schaue das warme Grillhähnchen vor mir an, das Azad gerade für mich geholt hat. Den ganzen Tag schon beobachtet Azad mich voller Sorge und Vorsicht, als würde er gleich weinen, weil ich in seinen Augen plötzlich fragil bin. Das ist auch der Grund, wieso ich ihn nicht mehr ansehe. Stattdessen gleitet mein Blick überall hin. Ich habe heute deshalb sogar einen Fleck an unserem Küchenschrank entdeckt und das schöne, braune Schneidebrett. "Brauchst du noch etwas?" In seiner sanften Stimme schwingt so viel Vorsicht, dass ich ihm am liebsten das Grillhähnchen um die Ohren hauen will. "Passt schon." "Sicher? Komm, ich mache dir Pommes." Dagegen würde ich niemals Einspruch erheben. Ich schließe schulterzuckend die Augen. Er ist nicht einmal zur Arbeit wegen des gestrigen Zwischenfalls gefahren. Wäre es aufgrund dessen, dass wir einen Eindringling im Haus hätten, wäre es verständlich, aber Azad hat seinem Personal erlaubt, den toten Mörder ins Haus zu lassen, um mit ihm zu spielen. Krank. Außerdem war er heute vor mir zum Morgengebet wach, wie ich feststellen durfte, als ich spontan um 03:00 Uhr wach wurde, um zu duschen. Er hat gar nicht geschlafen, sondern sich mit der Leiche beschäftigt. Ich durfte auch erst dann erfahren, dass wir Macheten besitzen. Und jetzt liegt eine zerstückelte Leiche in unserer Badewanne. Wie romantisch.

Azad deckt das Hähnchen für mich wieder zu und packt es solange in den Ofen, während er das Öl für die Pommes aufsetzt. Die Stimmung ist unangenehm, aber ich komme klar damit. Dann habe ich eben Vaginismus. Ist doch nicht schlimm. Nur verstehe ich nicht, wieso es sonst geklappt hat. Klar, ein Finger ist nicht mit einem - vor allem seinem - Penis zu vergleichen, aber ich war jedes Mal einverstanden damit. Liegt es daran, dass er über mir lag? Zu nah an mir? Ich weiß es nicht. Seine Hände haben mich auf jeden Fall gestört in dem Moment. "Wie geht es dir?" "Gut und selbst?", murmele ich, woraufhin er seufzt. "Es wäre gelogen, zu behaupten, mir ginge es gut. Hast du Schmerzen?" "Nein, du?" "Wenn ich ehrlich bin, habe ich Bauchschmerzen. Das schlägt mir ziemlich auf den Magen." Oh nein ... Azad ist verdammt sensibel. Ich hebe meinen Kopf aus meinen verschränkten Armen. "Willst du eine Tablette?" Ich weiß nicht, was ich tun soll. Er ist traurig, aber das muss er nicht sein. "Nein, danke." "Aber das ist besser. Nicht, dass du Sodbrennen kriegst." So gerade seine Haltung ist, merke ich die gekrümmte Enttäuschung in ihr. Deshalb erhebe ich mich zögernd, unwissend, wie ich ihn trösten soll. Ich lege meine Arme um seinen Rumpf, schmiege mich an seinen warmen, breiten Rücken.

"Du brauchst dir deshalb nicht den Kopf zu zerbrechen." "Du hattest Angst vor mir." "Hatte ich nicht", beteuere ich. "Du vertraust mir nicht zu hundert Prozent." "Doch." "Avin, hör auf zu lügen. Du hattest gestern noch Angst, dass ich dir etwas tue, obwohl ich dir nur die Haare kämmen wollte", erwidert Azad stumpfer. Ich kann verstehen, dass ihn das reizt. "Das dauert, Azad. So schnell kann es nicht immer gehen. Ich bin überrascht, dass ich das Zucken und Erschaudern bei deiner Wahrnehmung hinter mir so schnell abwerfen konnte. Du kannst extrem stolz auf dich sein deshalb." Das kann er wirklich. Selbst bei meinem Vater bin ich jedes Mal zusammengezuckt. Azad gibt stumm die Pommes ins Öl. Ich weiß, dass er gerade trotzig ist, weshalb ich ihm aufmunternd den Rücken streichele. Es lässt mich schon ein wenig schmunzeln, ihn so zu sehen. Mein Riesenbaby. "Nicht schmollen." Doch er brummt nur stur. "Vielleicht war es auch mit der Leiche zu viel." "Nein." "Sicher?" "Sehr sicher." "Meine Frau scheint mir ja wirklich zu gleichen, wenn sie der Tod einer Person nicht abschreckt", erwidert er schon viel besser gelaunt. Zwar lächelt er nicht, aber seine angezogenen Augenbrauen und der neckende Ton in seiner Stimme sagen mir, dass er verspielter ist. "Man gleicht mit der Zeit immer mehr seinem Partner." "Ist das so?", raunt er, als er zu mir schaut. Ich muss lächeln.

Beim Nicken setze ich einen Kuss auf seine Schulter. Er soll sich bitte nicht damit belasten. Es ist alles in Ordnung und ich fühle mich nicht schlecht deswegen. Ein wenig monoton, aber das ist etwas Alltägliches. "Ist es tatsächlich", erwidere ich leiser. Mich freut es, dass er mein Lächeln erwidert. Ich habe seine Grübchen vermisst. "Mach dir keinen Kopf deshalb. Es gibt ja nicht nur diese eine Möglichkeit, intim zu werden." "Das stimmt. Ich habe da, ehrlich gesagt, die letzten Tage einige Sachen bestellt." Oh ... ich hebe gespannt die Augenbrauen. "Und wann wolltest du es mir mitteilen?" Azad weicht meinem Blick tatsächlich aus! "Na ja ... meine Ehefrau kann ziemlich einschüchternd sein, daher habe ich die Sachen doch lieber schnell versteckt." Ach, so ist das also. Ich ziehe an seinem Ohr. "Hab Gnade mit mir." "Was hast du bestellt?" "Ich habe an dich gedacht und wie es am angenehmsten für dich wird", beteuert er. Azad hat mir Sexspielsachen bestellt! "Du bist mein Spielzeug, mehr brauche ich nicht." "Ich fühle mich geehrt, benutzt zu werden, aber ich möchte dir so viel Spaß wie möglich bieten. Verzeih' deinem gebrechlichen Ehemann doch." Er hebt sogar ergebend die Hände. Es ist zu lustig, um ernst zu bleiben. Es beinhaltet für mich trotzdem etwas Skurriles. "Du kannst dich ausprobieren. Ich habe sogar Handschellen gekauft." Die werde ich definitiv einweihen. Und sein Handy werde ich wegsperren!

Durch den Weg deines HerzesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt