Die Magie der Sagen

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Anoush, Dienerin der Königin des Campbell Clans

Rhea
Ich träumte von mir selbst. Das kam selten vor. Normalerweise träumte ich von der Erde, davon, wie ich sie mir vorstellte, und dann fiel ich meistens in die Dunkelheit. Hier trug ich ein weißes Kleid. Warum zog ich denn sowas an? Mein beobachtendes Ich schüttelte bei diesem Anblick verwirrt den Kopf. Merkwürdigerweise befand ich mich in unserer Wohnung und Alain lag auf dem Bett meines Bruders und verursachte schreckliche Blutflecken auf dem weißen Laken. Moment, das war kein Traum.

Ich schreckte hoch. Mein anderes Ich drehte sich um. „Wer bist du?", fragte ich. Ich fasste mir an die Stirn und spürte ein schmales Pflaster, dass meine Augenbraue bedeckte. Das Blut war verschwunden und meine verklebten Haare waren zu einem Knoten zusammengesteckt. Das Mädchen, dass ich zunächst für mich gehalten hatte, war größtenteils in weiße Gewänder gehüllt, nur ihre blauen Augen waren nicht verdeckt, sie starrten mich unverwandt an. „Das muss dich nicht kümmern, Tochter von Bella Adeodatus."

Sie wandte den Blick wieder ab und versorgte Alains Wunden. Seine Augen waren geschlossen und ich bekam beinahe einen Herzinfarkt und sprang auf. „Keine Sorge, ich kann ihn heilen", meinte das Mädchen. Ich beobachtete sie genau. Sogar ihre Hände waren durch weiße Handschuhe verdeckt, die nun von Blut befleckt waren, und sie bewegte sie vorsichtig über die Schnittwunden. Beinahe war mir, als würde ein bläuliches Leuchten von ihr ausgehen. Wie der Sonnenaufgang der Sonne Blue.

„Ich werde meiner Meisterin berichten müssen, was du getan hast." Ihre Stimme kam mir seltsam bekannt vor. „Entweder sie wird dich töten lassen, oder sie will dich als eine ihrer Garden." Alains Augenlider zuckten. „Wer ist deine Meisterin?" Ich hatte eine ungute Vorahnung. „Das weißt du. Vermutlich wirst du bald ohnehin eine von uns sein."

Das Mädchen schob sich an mir vorbei. „Deine Wunde verheilt schnell, aber auf ihn musst du achtgeben." Ich nickte verwirrt. Sie öffnete die Tür. „Was meinst du mit, was ich getan hätte? Ich habe mich verteidigt." Sie ging einfach. „Hey!", rief ich ihr hinterher und riss die Tür auf. Ich stand draußen und innerhalb von Sekunden war ich vom Regen durchnässt. Der Sturm hatte offenbar nachgelassen und das Kraftfeld war ausgeschaltet. Ein sanftes Leuchten ging von der Richtung der Küste aus. Es musste also bald schon Morgen sein. Das Mädchen hatte die Kapuze abgenommen und zog nun das Tuch von ihrem Gesicht. Ihre kurzgeschnittenen schwarzen Haare standen in alle Richtungen ab und eine weiße Narbe zog sich über ihre rechte Gesichtshälfte. Merkwürdigerweise hatte sie die Form eines Suchers. Eines Halbmondes. Die blauen Augen leuchteten mir wie Lichter aus der Dunkelheit entgegen. „Danke", sagte ich schlicht. „Dass du Leute wie uns überhaupt ansiehst." Sie nickte. Regentropfen liefen ihr schmales Gesicht hinab. „Leute wie ihr seid bloß versteckt. Wenn man euch sieht, dann seid ihr besonders!", erwiderte sie und hob den Kopf an.

„Werde ich sein wie du?", fragte ich. Ich wusste nicht, woher dieser Wunsch plötzlich kam. Aber ich wollte die Kraft, die sie ausstrahlte. Sie begann zu lachen und die Narbe leuchtete gelb wie der Sand. „Du bist doch schon wie ich."

Sie drehte sich um und ging. Die weißen herumfliegenden Sandkörner schienen sie nicht zu berühren, mir stachen sie in die Augen. Sie verschwand um die Wegbiegung und ich beschloss wieder hereinzugehen. Alain hatte sich aufgesetzt und sah mich an. Ich näherte mich ihm vorsichtig. „Danke", sagte ich leise. So vielen Leuten war ich etwas schuldig. Ich setzte mich neben ihn auf die Bettkante. Er schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Wenn ich das richtig gesehen habe, ist er verschwunden, als du ihn angestarrt hast. Vielleicht hat er Angst vor dir." Er lachte und hielt sich die Seite. „Ich war das nicht!", meinte ich nachdrücklich. „Etwas hat ihm die Kehle zugeschnürt und er hat schwarze Linien auf der Haut bekommen. Das ist die Magie der Dienerinnen." Er blickte mich verwirrt an. „Das ist nur eine Sage", erwiderte er. „Ja, aber das Mädchen eben. Sie war ein Mensch, aber sie hatte so seltsame blaue Augen. Denkst du etwa, sie wäre völlig normal? Ich glaube, sie hat uns gerettet." Wir schwiegen eine Weile.

„Ich bin froh, hier zu sein", meinte er schließlich. „Tatsächlich?", fragte ich und versuchte meine Freude zu verbergen. Er blickte mich direkt an und zum ersten Mal bemerkte ich die grünen Sprenkel in seinen Augen. „Rhea, bitte sieh das, was du bist, nicht als Nachteil. Wenn du glaubst, jemand würde dich hassen, macht dich das unerträglich. Dann bist du nicht du selbst, weil du denkst, es wäre nicht richtig." Ich war mir nicht sicher, ob das nun ein Kompliment war, aber es war genug. „Wir sehen uns Montag", meinte er und hob kurz den Arm. Was auch immer er hatte tun wollen, er tat es nicht und ich starrte auf meine durchnässten Stiefel und stand dann auf. "Wenn du eine Dienerin der Königin wirst, mach das beste daraus und lass dich von ihr nicht beeinflussen. Da sind Leute, die dich brauchen, so wie du bist." Die Tür fiel hinter ihm zu. Das Einzige, was zurückblieb war eine Mischung eines Geruchs aus Zimt und Blut. „Bis Montag", flüsterte ich viel zu spät und schloss die Augen, um die Tränen zu verdrängen. Ich selbst zu sein, war schwerer, als er dachte, aber seinetwegen würde ich es versuchen.

Aphrodite 13 (paused, returning this summer)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن