The End

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          Er war tot und die Welt drehte sich trotzdem weiter. Sie hatte immer noch nicht gelernt, wann es sinnlos war, weiterzumachen. Meine Tasche wartete gepackt neben meiner grünen Nevanam-Kleidung auf meinem Bett, während ich mich schrittweise aus den tausend Lagen meiner Kleidung quälte. 

Meine Finger waren taub, seit ich Lorik aus den Händen gegeben hatte. Sie hatten mich mit all meinen Sinnen verlassen, als ich in mein Zimmer zurückkehrte. Müde, eisig und leer. 

Ich würde den Mantel mitnehmen, mehr nicht. Es musste genug Schutz gegen die Kälte bieten. Sobald ich den Sakella-Wald erreicht hatte, würde ich ihn nicht mehr brauchen. 
Der Sakella-Wald. Er kam mir weiter entfernt vor, als das Land der Riesen. Ein Mythos, den ich nicht mehr erreichen würde. 

Stunden waren verstrichen, in denen ich die Wand angestarrt hatte. Nicht hier und nirgendwo anders. Leer. Dunkel. 

Das leise Knarzen meiner Zimmertür kündigte Lichi an, die sich in mein Zimmer schob. Ihre wachsamen Augen bemerkten die Tasche und schossen im nächsten Moment zu mir zurück. Kritisch nahm sie meine Erscheinung wahr. „Du willst nicht bei Loriks Beerdigung dabei sein?"

Ich war bei nichts von all dem dabei gewesen. Nicht, als sie ihn herein gebracht hatten. Nicht, als sie seinen Körper zurück in das Krankenbett gelegt hatten, aus dem ich ihn gesundgepflegt hatte. 

Drei Tage hatte ich in diesem Zimmer verbracht. Warum war sie jetzt hier?

Ohne ein Laut setzte ich meine Befreiungsaktion fort. Der Unterrock wehrte sich, hängte sich in meinen Haaren fest und ließ mich beinahe zurück aufs Bett stürzen. Tränen brannten hinter meinen Augen und machten das Sprechen schwer. 
„Irgendjemand hat ihm einen giftigen Tee eingeflößt. Und ich werde nicht darauf warten, bis es mich als Nächstes trifft."
Moira hatte gesagt, es war in Ordnung zu rennen. Jetzt war ich dafür bereit. 

Jetzt war es zu spät. 

Ein Paar helfender Hände hoben den Rock um meine Ohren hoch und gaben den Blick auf Lichi frei. „Ich habe Lorik den Tee gebracht", ihre Stimme bebte bei den Worten, während sie vorsichtig den Stoff weglegte. Sie schaffte es nicht, mir in die Augen zu sehen.

Ich war so müde. Zu müde. 
„Wer hat dir den Tee gegeben?" Mühsam stieg ich aus den Socken und schnappte mir die dünne Hose, die sich wie ein flüsterndes Versprechen in meinen Fingern anfühlte. Sie kam mir unzureichend vor. Merkwürdig und fremd.

Lichi verschwendete keine Sekunde. 
Liona. Sie hat mir den Tee gegeben, mitsamt einer Genesungsnachricht!"

Ich blinzelte sie dumpf an. Da war keine Überraschung mehr. Keine Kraft dafür. Wollte ich überhaupt noch wissen, warum?

Mit entschlossenem Gesicht reichte Lichi mir den Mantel und meine Reisetasche.
„Ein Pferd erwartet dich hinter den Stallungen." Sie sprach schnell und emotionslos.

Ich konnte ihr genauso wenig in die Augen sehen, wie sie mir. Sollte ich es ihr sagen? Mein eigener Verstand war unfähig, die Tragweite meiner Erkenntnis zu fassen. War sie in Gefahr? Oder würde ich sie mehr gefährden, wenn sie mit mir floh? Eisige Hände schlossen sich um meinen Magen. Ich wusste es nicht! Ich wusste nicht, was ich denken sollte! Doch die Panik erlangte keinen richtigen Halt in meinem Kopf. 

Mit unstetigen Beinen folgte ich Lichi in die Dämmerung hinaus. Weiter hinten konnte ich den Schein von Loriks Grabfeuers sehen. Leute standen drum herum, die Köpfe gesenkt, in trauernden Erinnerungen gefangen. Es musste fast der ganze Hof sein.

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt