Kosotus-Kerne

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Hannabas; Hauptstadt von Eslaryn.
Bekannt für die hohe Diebstahlquote
an Markttagen.
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          Das Haus der Frau lag zu weit außerhalb der Stadt, aber ich merkte davon nichts.

Mein wutgefüttertes Selbstbewusstsein verrauchte mit jedem Schritt. Und das berechtigt. Was dachte ich mir dabei, eine voll ausgebildete Nevanam zu verkörpern? Wenn die Mutter in ihrer Beschreibung geirrt hatte, lief ich große Gefahr hilflos vor einem sterbenden Kind zu stehen.
Ich biss auf meine Unterlippe und schmeckte Blut. Ich konnte nicht noch ein Leben zu meinem Schuldenberg hinzufügen.

Und mit genau dieser Sorge folgte ich der Frau durch einen kleinen Gemüsegarten, der seit bestimmt zwei Jahren nicht mehr bestellt worden war zu einem ähnlich schäbigen Haus.
Rückblickend hätte ich die Zeichen erkennen müssen, wäre ich nicht so sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen.

Jemand hatte ein Pferd an der Seite des Hauses angebunden, anstatt es in den heruntergekommenen Stall zu stellen. Das schöne Tier stach zwischen dem ganzen Verfall heraus und ich wunderte mich, wie eine Bäuerin zu einem Schlachtross kam.
Mehr sagte mein Verstand jedoch nicht dazu.

Das Dach der Hütte strotze vor Löchern, dass es schwierig wurde zu erkennen, womit es ursprünglich einmal gedeckt worden war. Die Fenster waren grob vernagelt und die Tür hing in einer einzigen Angel, weswegen die Frau heftig daran rucken musste, um sie zu öffnen.

Ich wartete höflich und ohne jedes Misstrauen.

Was sich mir dahinter bot, war im ersten Moment nur zu erkennen, weil genug Licht durch die Decke fiel. Es war ein kleiner Wohnraum, satt mit Staub bedeckt, dass ich kaum Luft bekam. Ein Tisch ohne Stühle, ein leeres Regal und ein zerfressener Teppich teilten die einheitliche Farbe des Bannafal Wüstensandes.

Nichts davon sah für mein Auge bewohnt aus, doch alles, was mich kümmerte, waren die schädlichen Verhältnisse für das Kind.

Die Frau führte mich ohne Stopp in ein angrenzendes Zimmer, das im ähnlichen Stil eingerichtet war wie der Rest des Hauses: Typ Armut. Damit kannte ich mich aus.
Das Bett war kaum mehr als ein schlecht geformter Strohsack, für den sich nicht einmal jemand die Mühe eines Gestells gemacht hatte.
Darauf lag ein regungsloses Kind, das Gesicht wächsern und bleich.

Ich erstarrte auf der Türschwelle. Es sah genau wie Moira aus. Weiß und unbewegt, als fürchte es sich zu sehr, sich zu bewegen. Der Tod lag wie ein Tuch über der Gestalt.

Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen und ich vergaß zu atmen. Die Brust des Kindes hob sich nicht mehr, die Mutter hatte nicht einmal eine Decke ausgebreitet, die das hätte verdecken können.

Ich war zu spät.

Das durfte nicht wahr sein. Es war ein Kind. Wie konnte ich schon wieder zu langsam gewesen sein?
Ich wollte mich bewegen, wollte die aufkeimende Panik durch Handeln ersticken, doch meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Ich umklammerte den Ring meines Bruders wie einen Anker, doch er war das Einzige in diesem Raum, was ich noch spürte.
Stattdessen holten mich Bilder von Moira ein.

Ihre verrenkte Gestalt. Der leise, langsame Atem.

Meine Atmung beschleunigte sich, als ich alle Kraft darauf verwendete einen Fuß vor den Nächsten zu setzen. Es war mehr ein Stolpern als ein Schritt.

Das rote Gift, das zäh aus der Phiole tropfte.

Haltlos ging ich neben dem Bett in die Knie. Unfähig meine zitternden Finger zu kontrollieren, brauchte ich einige Anläufe, um den Puls nehmen zu können.

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt