Ein Popplet-Kraut

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Die alten Götter; von Kaar für
ihre Grausamkeit in eine andere
Dimension verbannt.
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          Sechs Tage später kam der erste Traum. Zuerst schob ich es auf die Erschöpfung. Die vierfache Zahl der Patienten, Baustellen und die Sorge hatten mich einschlafen lassen, noch bevor mein Kopf das Kissen erreichte.

Ich hatte den ganzen Tag überlegt, ob ich mit Lichi reden sollte. Nicht, dass ihr Geheimnis mit jemandem teilen wollte. Aber sie wusste von meiner Vergangenheit und das warf ganz neue Fragen auf. Kannte sie meinen Nachnamen? Oder wusste sie wie lange die Ausbildung zu einer Nevanam ging?

In meinem Traum fand ich mich also auf einem von Willard Roussex Feiern wieder. Es war ein Lagerfeuer vor der Stadt. Rauch stieg in den sternenverhangenen Himmel und Wein wurde in großen Karaffen herumgereicht. Betrunkenes Gelächter hallte von den hundert Gästen wieder, die in offenen Wägen um das große Feuer herumsaßen oder torkelnden Schrittes versuchten, den Tänzerinnen zu folgen, die einen großen Kreis um die Szene drehten.

Ich saß dicht neben Jac gedrängt, meine Hände in meinen dünnen Mantel gekrallt, der mich weniger vor der milden Nacht, als vor den Blicken der anderen schützen sollte. Der Wagenkönig sah mich trotzdem. Sein Wagen stand auf der anderen Seite des Feuers, kaum mehr als ein dunkler Umriss. Roussexs Gestalt darauf wurde von dem flackernden Licht erhellt, das sich selbst in seinen dunklen Augen fing, die mich niemals verließen, während er trank, aß und seine Hunde streichelte.

In meinem Traum seufzte ich. Das hier war eine gut verdrängte Erinnerung. Es war der erste Abend gewesen, an dem Jac mich auf Roussexs Geheiß mitgebracht hatte. An dem ich vor all den betrunkenen Männern und wenig bekleideten Frauen hatte singen müssen.

„Erinnerst du dich auch noch, was dann passiert ist?"
Moira tauchte so plötzlich neben mir auf, dass ich zusammenzuckte. Keine Erinnerung. Definitiv ein Traum. 

Ruckartig drehte ich mich zu ihr um und fühlte mich für einen kurzen Moment wie in Zeitlupe gefangen. Ich konnte nicht anders als sie anstarren. Von ihrer kleinen, rundlichen Gestalt über die scharfen Falten bis zu den intelligenten Augen. Solide saß sie neben mir und ich konnte nicht anders, als meine Finger nach ihr ausstrecken. 

Ich hatte sie so lange nicht mehr gesehen, dass es mich zerbrach, als ich ihre Wärme unter meiner Hand spürte und ich warf mich förmlich gegen sie. Die Arme um sie geschlungen, als wolle ich sie festhalten. 

„Kaliee, du bist so emotional", tadelte sie mich, doch ihre Hand strich verständnisvoll über meine Haare.

Ich schloss die Augen.
„Du solltest nicht hier sein." Ich wusste nicht, ob ich das Lagerfeuer meinte oder den Traum. Meine Worte klangen gepresst von der Realisation, dass wenn ich aufwachte, sie nicht mehr da sein würde. Das hier war nicht Moira. Es war mein Unterbewusstsein.
Aber ich hielt mich daran fest, als könne ich es so Wirklichkeit werden lassen. 

„Ich möchte dir etwas zeigen."
Als ich den Kopf von ihrer Schulter hob, waren wir beide im Palast Eslaryns. Spätes Abendlicht fiel durch die nicht verglasten Fenster der Galerie und zeichnete Muster auf das verlegte Mosaik. Grillenzirpen füllte die warme Luft.

Daheim. 

Angezogen von den friedlichen Geräuschen, lief ich zu den Fenstern und lehnte mich hinaus. Heimweh spülte über mich hinweg wie eine Flut und für einen kurzen Augenblick bekam ich keine Luft mehr. Der Garten erstreckte sich in hundert Blautönen der Nacht vor mir, gesprenkelt von den goldenen Lichtern, die dutzende Diener nacheinander entzündeten.

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt