Kaspian Sträucher 1

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Crescen; Teil von Gican, Nachbargrafschaft
von Tacia. Im Moment
Besitz von Bachar.
Ranaba; Gott der Jagd und
der Rache. Meistens gehuldigt
in Gican.
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          Der Garten schaffte es, mir gleichzeitig das Gefühl von Heimat und Fremde zu geben. Ich saß in einem Stoffbausch aus zwei Unterröcken zwischen mehreren Beeten und starrte stumpf auf die dort angepflanzten Kräuter, unsicher, ob es Unkraut oder mir vollkommen unbekannte Gewächse waren.
Was jedoch meine Aufmerksamkeit hielt, war das andauernde Tuscheln, der um mich herum arbeitenden Angestellten. Vier Tage und Yessaias Plan zeigte alle Anzeichen einer vollkommenen Katastrophe. Die Leute wollten mich hier nicht. Sie kamen nie näher als einen Steinwurf, doch ihren brennenden Blicken setzten selbst sieben Lagen Baumwolle nichts entgegen.

Während der Palastgarten in meiner Heimat für Höflinge und Gäste aufgebaut worden war, hatte der Innenhof hier etwas Zweckmäßiges. Ihm fehlten die kunstvollen Pavillons, die Rosenbögen und Glashäuser, Springbrunnen und Zierhecken. An ihrer statt, fand ich Wäscheleinen, Obstbäume, einen eingezäunten Platz zum Einreiten der Pferde, einen Brunnen und jede Menge Beete. Einzig und allein eine bescheidene Gruppe Trauerweiden in der Mitte der Anlagen schützen eine steinerne Parkbank und entrissen sie der hektischen Umwelt aus geschäftig umher eilenden Bediensteten.

Leider schützte weder ein Baum noch eine Hecke mein kleines Stück des Gartens. Es war von einem kniehohen Zaun eingegrenzt, an dem ich hängen geblieben war, in meinem Versuch herüberzusteigen. Daraufhin war ich zwischen sorgfältig gerade gezogene Beete gefallen, die trotz Mangel an einem Heiler immer noch Liebe und Aufmerksamkeit von jemand anderem erfahren hatten. Jemand, der vermutlich keine Ahnung von Heil-Kräutern hatte und jetzt auch nicht glücklich war, dass ich es nutzen würde. Per Dekret des Königs. Pah.

Mein Tipp wäre, dass der letzte Medikus bereits höheren Alters gewesen war, denn irgendwer hatte ihm einen verwitterten Stuhl neben eine gräuliche Kiste voll mit Gartenutensilien gestellt. Mein Blick blieb an dem aufgequollenen Mobiliar hängen, während mein Kopf leer wurde.

Andrew hatte mit mir den ersten Rundgang bei den Kranken gemacht. Es war genauso furchtbar gewesen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte die Krankheit kennengelernt, die erstaunlich merkwürdige Ähnlichkeiten zu einer langsamen Lebensmittelvergiftung hatte. Fieber. Schüttelfrost und Schwindel. Manchmal Bauchschmerzen. Bei Kindern gerne Erbrechen.

„Zwei Kronen für deine Gedanken."

Ich drehte mich nicht zu Yessaia um. Kronen waren ein gutes Stichwort. Wo ist deine?
Ich schürzte die Lippe und ließ den Gedanken los. War ich ein klein wenig beleidigt, dass er es mir nicht gesagt hatte? Definitiv. War das sinnlos und auch noch vollkommene Doppelmoral von einer Person, die so tat, als wäre sie eine Nevanam? Definitiv. Aber ändern tat das leider auch nichts.

Der Wind zupfte einzelne Strähnen aus meinem geflochtenen Zopf und blies sie mir ins Gesicht.
„Ich kann, ohne das Gift zu kennen, kein Gegengift brauen", sagte ich schließlich, einen ratlosen Blick zwischen den Gewächsen wandern lassend, „Und bestimmt die Hälfte aller Kräuter sind nicht heimisch in Eslaryn und mir unbekannt." Neya wäre an dieser Stelle hilfreich gewesen. Die Kräuterfrau kannte jede Pflanze, egal von wo sie kam. Nur leider hatte ich sie in ein anderes Land geschickt. Zu dumm.

Mit schlendernden Schritten wanderte der König aus Tacia in mein Sichtfeld und ließ sich auf den modrigen Stuhl fallen. Ein mutiger Schachzug, wenn man bedachte, wie spröde das Holz aussah. Er trug eine lederne Weste über einem dunkelblauen Hemd, das er vorne unordentlich zugeschnürt hatte. Armmanschetten fassten die weiten Ärmel kurz vor dem Handgelenk zusammen, doch ansonsten konnte ich keinen Schmuck oder Zierde an ihm finden. Ihm fehlten die reichen Stickereien aus goldenen Fäden, die Henrics Kleidung so wertvoll gemacht hatte. Er trug weder schwere Gürtel, noch glänzten seine Stiefel. Ein leichter Bartschatten, den er vor zwei Tagen eigentlich verloren hatte, machte sich bereits wieder bemerkbar. Kein Wunder, dass ich gedacht hatte, er wäre ein Botschafter. 
„Was würdest du denn benötigen, um das Gift zu bestimmen?", holte er mich aus meiner Beobachtung.

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt