Maraden Lösung

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Gican; Zusammenfassung mehrerer kleiner
Fürstentümer oder Königshöfe zu einem
einzigen Land. Der Hof der Tacia gehört dazu.

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          „Ihr werdet hiervon doch nichts erzählen, oder?" Die Frage hallte in der Stille wieder. 

Ich nahm meine Augen nicht von seiner nackten Schulter. Tastend fuhren meine Finger über seine Muskeln auf der Suche nach der richtigen Stelle. Links hängend und fortschreitende Schwellung, sowie akute Bewegungsunfähigkeit. Sein bartloses Gesicht war dabei schmerzhaft verzogen und ließ ihn noch jünger wirken. Er würde seine Waffe so schnell nach niemandem schwingen. Ich musste besser werden und das brauchte all meine Aufmerksamkeit.

Aber eine Antwort konnte ich mir trotzdem nicht verkneifen. 
"Eine ausgekugelte Schulter ist kein Grund, sich zu schämen." So schnell würde er allerdings kein Schwert mehr schwingen und das  war bestimmt die schlechteste Nachricht, die ich ihm vorerst überbringen konnte. In nicht ganz zwei Wochen waren die ersten Tests für die neuen Rekruten.

Der Junge vor mir wurde rot. 
"Da-das meinte ich nicht..."

Ich weiß. 

Er hielt sein offenes Hemd mit einer Faust vor sich umklammert, als fürchte er, dass ich ihn jeden Augenblick anspringen könnte. Die ausgekugelte Schulter war tatsächlich nicht sein größtes Problem. Ich war es. 

Unser Arzt für die Soldaten war gerade verhindert. Aber ich würde ihm nicht den Gefallen tun und irgendeinen Mann holen. Wie gesagt... ich brauchte die Übung. 
Vorsichtig tastete ich über seine Haut, um die genaue Position des Oberarmknochens zu ermitteln. 

„Wie ist das passiert?", fragte ich, um ihn von der Untersuchung und mich von meiner wachsenden Anspannung abzulenken. Verkrampfte Muskeln würden keinem von uns beiden helfen.

Aufmerksam verfolgte der Bursche die Bewegungen, während meine Hände sich um seinen Unterarm schlossen. Er hatte sein Trainingsschwert mit hereingebracht, doch ein vollständiger Soldat war er noch lange nicht.
„Ich bin gefallen", erwiderte er ein wenig kurzatmig, die Augen groß wie die Solaya Planeten.

Dabei hatte ich noch gar nicht angefangen.
Meine Mundwinkel zuckten. Henric würde außer sich sein, wenn er erfuhr, dass mich einer seiner Auszubildenden vom Mittagsessen gerufen hatte. Der Junge durfte sich heute Abend den ein oder anderen Satz von ihm anhören. Und ich auch, wenn ich es nicht geschickt anstellte. Dahingehend saßen wir im gleichen Boot.

Vorsichtig zog ich den Arm nach vorne, als sich die niedere Tür zur Kammer öffnete und mein Bruder seinen dunklen Schopf durch den Spalt schob.
Ein breites Grinsen pflasterte sich auf sein Gesicht, als er den Jungen auf meinem Behandlungstisch sitzen sah.
„Toile! Bist du verletzt oder ist sie gerade dabei, nachzuhelfen?" Begeistert drückte er sich ebenfalls in den zu kleinen Raum und ließ sich neben den Soldaten auf die Tischoberfläche fallen, nicht ohne ihm einen freundschaftlichen Klaps auf das lädierte Gelenk zu geben.

Der Bursche winselte nur nicht, weil gerade sein Albtraum Wirklichkeit geworden war. Der zukünftige Herrscher unseres Landes hatte ihn halbnackt in einem Raum mit seiner Schwester versteckt gefunden hatte. Vielleicht würde er ohnmächtig werden. Das würde helfen. 

Entschieden schob ich meinen Bruder ein Stück von dem Patienten fort. Er mochte der nächste König sein, doch Jac Deraux hatte dieselbe Grazie wie ein Baby-Kichin. Er tapste schwankend durch jede Situation, fraß versehentlich den Lieblingssingvogel des obersten Priesters und rettete sein Fell allein damit, dass er niedlich aussah, wenn er schlief.
Nichts von all dem war eine Hilfe, wenn ich versuchte, jemanden zu heilen.

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt