Ein Trauerweiden Sätzling

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Das Freijagd- Jahr: Eine alte Tradition Gicans.
In einigen Regionen sogar fast ungefährlich.
In den meisten allerdings tödlich. Viel Glück.
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          Die Stimmung als angespannt zu bezeichnen war die Untertreibung des Jahrhunderts. Beerdigungen waren ein Fest gegen unseren Heimritt. Keiner von den Soldaten sprach. Sie alle hielten die Augen auf die Mähnen ihrer Pferde fixiert, als müssten sie erst einmal die Ereignisse des Tages durchgehen. Allein Andrew warf mir immer wieder schwierig zu deutende Blicke zu. Er war nicht direkt wütend, doch es blieb ohne Zweifel, dass sich seine Gedanken weniger um die Kriegserklärung, sondern um mich drehten.

Mein Kopf pochte mit jedem Schritt meines Reittieres stärker, was mich beinahe unfähig machte, die einzelnen Bruchstücke der heutigen Erkenntnis zusammenzusetzen. Yessaias Aussetzer... ich hatte keine Worte dafür. Er war bisher in allen Situationen gefasst aufgetreten, doch das ließ sich kaum für seine Darbietung vor dem benachbarten König sagen. Welche Hintergrundgeschichte die beiden teilten, sie beeinflusste ihn immer noch.

Uns empfing eine kleine Traube an Angestellten, bewaffnet mit Lampen und dicken Wolldecken, die eifrig ihren Herren nach dem Ausgang des Unternehmens fragten. Yessaia nur knapp, gerade so noch innerhalb der Grenzen der Höflichkeit. In einer fließenden Bewegung sprang er von seinem Rappen und drückte dem nächsten Burschen die Zügel in die Hand. Andrew führte seine Erklärungen aus, was nur noch mehr betroffenes Schweigen und erregtes Flüstern nach sich zog.

Mit beiden Händen half der König mir vom Pferd und zog mich beinahe sofort hinter sich her zum Haupthaus. Im Halbdunkel stolperte ich immer wieder, bemüht, mit seinen langen Schritten mithalten zu können. Bei seiner Eile begann mein Herz schneller zu klopfen. Ich hatte das ungute Gefühl, dass mir das folgende Gespräch nicht gefallen würde.

Er brachte mich zu meinem Zimmer, wo er die Tür hinter sich schloss und sich wie ein Wachmann dagegen lehnte.
„Wer kann nach deiner Kopfwunde sehen?" Sein Gesicht war steinern wie die Wand neben ihm.

Nicht sicher, was ich mit mir oder meinen Händen machen sollte, positionierte ich mich auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers und spielte mit Jacs Ring.
Seine Frage war nicht das, was ich erwartet hatte.
„Es ist nicht so schlimm, wie es vielleicht aussieht. Ich werde mich später selbst darum kümmern." Ohne darüber nachzudenken, tastete ich mit den Fingerspitzen über den Schnitt. Und zuckte prompt zurück. 

Die Haut war empfindlich. Aber ich hatte schon Schlimmeres erlebt. 

„Blödsinn", etwas in seiner Stimme oder die Tatsache, dass er mich nicht wirklich dabei ansah, machten mich noch nervöser, „Sag mir, was ich tun soll." Er sah sich in meinem Zimmer um, als erwarte er, dass sich meine winzige Sammlung der nötigsten Heilmittel von allein erklären würden. Wenn dem allerdings so wäre, wäre ich heute eventuell eine bessere Medizinerin.

Ich unterdrückte ein Seufzen. Etwas sagte mir, dass er in diesem Punkt heute nicht mit sich diskutieren lassen würde.
„In der Schüssel dort drüben habe ich noch einen Rest in Wasser gelöste Nachtkresse. Einen Lappen zum Tupfen findest du im Regal."

Er setzte sich sofort in Bewegung und gab mir so einen kurzen Moment, die Augen zu schließen, um meine Gedanken zu sortieren. Er hatte mir heute das Leben gerettet. Ich stand in so einer großen Schuld, dass ich kaum über den Berg sehen konnte. Und als Dank hatte ich einen Krieg ausgelöst. 

Kraftlos setzte ich mich auf die Kante meines Bettes und entfernte Stück für Stück die einzelnen Teile der Rüstung. Klirrend fielen sie neben mir auf den Boden, doch ihr fehlendes Gewicht half nicht so, wie ich es brauchte.

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt