Colorissaft Glas 1

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Der Wagenkönig; siehe auch: Willard Roussex
Ehemaliger Wegelagerer,
betreibt inzwischen ein zwielichtiges Pfandhaus.
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          Henric war bereit, mich umzubringen.
„Erklär mir bitte noch einmal, was mit Neya passiert ist?" Er konnte noch so ruhig sprechen, ich hörte die Anstrengung dahinter. Seine große Gestalt verbarg die Sonne in seinem Rücken und ließ mich im Schatten zurück. 

Ohne jedes schlechte Gewissen verschränkte ich die Arme vor der Brust und lehnte mich zurück gegen die hell verputzte Wand der kleinen Kräuterhütte. Es war das erste Mal seit meiner Ankunft im Palast, dass ich auch nur Spuren des alten Henric in ihm sah und ich genoss diesen Augenblick in vollen Zügen. Es ließ meine Handflächen kribbeln. 
„Es gibt ein Problem in der Kräuter-Handel-Szene. Bei so etwas darf man nicht trödeln", zuckte ich mit den Schultern.

Henrics linker Nasenflügel bebte leicht. Seine Finger tippten auf dem Schwertknauf herum, unschlüssig, was er damit tun sollte. Noch nie hatte ich ihn so mit seiner Ehre ringen sehen. Es war einfacher für ihn gewesen, als ich noch zu dem Fußvolk gehört hatte. Bei einem Mitglied des königlichen Haushalts war es deutlich schwieriger, Drohungen auszustoßen, die die alten Götter involvierten, und sich abends wieder einzureden, dass man alles richtig gemacht habe.

Pech gehabt. Aber hatte er wirklich gedacht, dass ich mich an seine Anweisungen halten würde? Kannte er mich so schlecht?

„Du hast sie fortgeschickt?", wiederholte er noch einmal, um Zeit für eine passende Antwort zu gewinnen, die nicht darin bestand, mich zum Mond zu wünschen. Seine Männer saßen auf ihren Pferden und starrten Löcher in den Himmel, als erwarteten sie, dass dies jeden Moment passieren würde.

Meine Mundwinkel bebten vor schlecht versteckter Selbstzufriedenheit. Natürlich hatte ich Neya fortgeschickt. Aber nicht ehe ich mich mit ihr ausgiebig über Moiras letzten Einkauf bei ihr unterhalten hatte.
„Viel wichtiger ist doch, dass sie mir etwas sehr Interessantes berichten konnte, bevor die Verantwortung sie außer Landes rief."

„Dir ist klar, dass meine Männer sie innerhalb einer Stunde aufspüren und in den Palast bringen können?", knurrte Henric. Er verlor langsam den festen Griff um seine Prinzipien und lehnte sich mit jedem Wort näher.

Ein angenehmes Prickeln breitete sich auf meiner Haut aus, doch ich drängte es zurück. Ich hatte einen Mord aufzuklären und ich würde mich nicht davon abbringen lassen.
Interessiert legte ich den Kopf schief.
„Du willst eine Kräuterfrau im Sakella Wald finden?"

Die Schatten der alten, verknoteten Bäume räkelten sich selbst über das schlecht gedeckte Strohdach. Sie waren ein schneidender Kontrast zu den üppigen Weiden und sanften Hügeln hinter Henrics Männern. Erzählungen zufolge, war früher die Magie aus diesem Wald in Form eines Hirsches gekommen.

Heute kamen meistens nur Probleme daher. Oder über die idyllische Straße von Mohor, die sich mit ihren grauen Steinen durch das satte Grün, zwischen kleine Höfe mit großen schlängelte. Es waren die zweiten Wohnsitze unserer Adeligen, verpachtet an wohlhabende Bauern. In so einem Hof war ich aufgewachsen. Und wenn es ein Paradies in Kaars Welt gab, dann würde es so aussehen.

Henric fixierte mich mit einem tödlichen Blick, der nur allzu deutlich machte, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gesprochen war. Fast wünschte ich, seine Männer wären nicht anwesend, nur um ihn vollkommen die Kontrolle verlieren zu sehen.
Doch als hätte er meine Gedanken erraten, richtete Henric sich in diesem Moment wieder auf und trat einen Schritt von mir zurück.
„Und was schlägst du stattdessen vor?"

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt