Zwei Trauerweiden Sätzlinge

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          Ich versuchte es mit Flucht. Den Kopf gesenkt, als würde er wieder vergessen, wer gerade in ihn hinein gerannt war, versuchte ich mich an ihm vorbei zu schieben. Doch sein ausgestreckter Arm spannte über die gesamte Breite des Ganges und schob mich problemlos zurück. 
"Kaliee." Er sagte es wie eine Drohung- mehr Knurren als mein Name. 

Hinter mir schob Lichi Andrew durch die nächste Tür, die gemurmelten Widerworte des Stewards ignorierend. Das Klicken der Tür hallte zwischen den steinernen Wänden hindurch und ließen mich mit ihm alleine. 

Ich wollte ihn nicht ansehen. Offensichtlich war er immer noch nicht besser auf mich zu sprechen und ich hatte wenig Bedürfnis, mit ihm über meine Bleibeerlaubnis zu diskutieren. Immer noch ohne Blickkontakt, versuchte ich, in die andere Richtung zu entkommen. 

Er war schneller.
"Oh nein, das wirst du nicht." Noch bevor ich zwei Schritte gemacht hatte, schlang sich sein Arm um meine Mitte und zog mich zurück. Er baute sich vor mir auf, wie ein Käfig, eine Faust jeweils links und rechts von meinem Gesicht gegen die Wand gestemmt. Effektiv gefangen, blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit dem Rücken dicht gegen das Mauerwerk zu drängen. 

Mein Puls hämmerte in meinen Ohren. 

„Erklär mir, warum du noch hier bist." Yessi sah auf mich herab, die Arme angespannt, sodass die Muskeln seiner Oberarme unter dem Hemd arbeiteten. In dem schmalen Gang wirkte er noch größer, als könne er den kompletten Platz mit seinen Schultern einnehmen. 

Ich verschluckte meine Zunge. Teilweise, weil er mir meine Möglichkeit zur Flucht genommen hatte und teilweise, weil ich nicht ganz sicher war, warum mich seine Worte kränkten. Er hatte mich hierher entführt, also sollte er sich nicht beschweren, dass ich da war. Trotz ließ mich aufrechter stehen. 
„Deine Leute sind krank. Sie brauchen Hilfe." 

Die Intensität, die hinter Yessis Augen aufflammte, ließ mich beinahe in die Knie gehen. Seine Finger neben meinem Gesicht streckten sich, pressten sich flach gegen die Wand und brachten ihn unweigerlich noch ein winziges Stück näher. 

Ich wollte nicht darüber nachdenken, warum meine Atmung so schnell ging, als wäre ich hierher gerannt.  Ich versuchte, sie herunterzuschlucken, doch die Bewegung in meinem Hals ließen Yessis Blick nur für einen Herzschlag zu lange auf meine Lippen fallen. 

Er hatte sich sofort wieder gefangen. Und er war nicht zufrieden mit meiner Antwort. 
"Kaliee." Noch eine Warnung. „Es gibt viele kranke Menschen dort draußen. Menschen, die deine Magie gebrauchen können."

Ich konnte ihm nicht widersprechen. Ich konnte nicht so stehen bleiben. Irgendwas löste in mir eine Reaktion aus, die meine Haut heiß laufen ließ. Also tat ich das einzig logische: Ich rammte ihm meine Arzttasche vor die Brust, sodass er einen Schritt zurückwich und marschierte an ihm vorbei. 
„Aber diese Leute müssen nicht auf einen Krieg vorbereitet werden, den ich verursacht habe", gab ich ihm Andrews Worte über die Schulter zurück.

Yessi zögerte. Es war nicht schwierig zu erkennen, dass er mit seiner Geduld kämpfte, ehe er mir mit großen Schritten folgte. „Ich will nicht, dass du hier bist, wenn der erste Angriff kommt. Auch wenn du es vielleicht nicht so siehst, der Rest der Welt braucht dich. Lebendig."

Der Nachdruck seiner Stimme ließ mich die Stirn runzeln und ich wurde schneller.
„Zu dumm, dass der Rest der Welt kein Entscheidungsrecht über mein Leben hat." Das „ganz besonders du nicht" verschluckte ich lieber. Gut. Er wollte mich nicht hier haben. Das hatte er sehr deutlich gemacht. Dann konnte er ja jetzt gehen.

Seine Finger schlangen sich um mein Handgelenk und er stoppte mich kurz vor meiner eigenen Zimmertür. Mit einem einzigen Zug drehte er mich zu sich um, sodass ich den Kopf heben musste, um ihn anzusehen. 
„Du hast deinem Gott einen Eid geschworen, dass du den Menschen helfen würdest. Wie gedenkst du das zu tun, wenn du tot bist?"

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt