Drei Trauerweiden Sätzlinge

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Magie; kann entweder durch
- magische Gegenstände
- genetische Vererbung
- Eidleistung an einen Gott 
erworben werden.
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          Unser effektvoller Abgang wurde nur leicht dadurch getrübt, dass Yessi noch einmal zurücklaufen musste, um den Dolch zu holen.

Ich wartete unter den weiten Ästen einer Eiche auf seine Rückkehr und beobachtete den Himmel. Seine Farben schmolzen langsam zu einem dunklen Blau zusammen und die ersten Sterne blinzelten wie die Augen aus Kaars Himmelreich. Es gab nicht viel, was diesen Ort schöner machte als meine Heimat. Das Wasser hatte den Boden und die Pflanzen ausgewaschen. Ich vermisste meinen Bruder. Und Henric. Und sogar ein winziges bisschen Madame Acó, einfach nur, weil sie nie in Angst vor mir zurückgewichen war.

Aber die Ruhe, die mit der hereinbrechenden Nacht einherging, war wie Balsam für meine Seele. Sie ließ mich das erste Mal dankbar sein, dass ich nicht an einem Ehrenbankett sitzen musste, an dem meine Verschleierung mit der Gabel kämpfte.

Ich hatte heute zu wenig gegessen und fast keinen Schlaf bekommen, aber statt der gewöhnlichen Leere und dem Knoten in meinem Magen, fühlte ich mich fremdartig belebt.

„Drei Kronen für deine Gedanken?" Yessis plötzliches Auftauchen ließ mich den Kopf drehen. Im Gegensatz zu mir sah er müde aus. Seine dunklen Haare waren ungekämmt und der Streit hatte noch immer nicht den Zug seines Mundes verlassen. Er erinnerte mich plötzlich wieder an den Mann, den ich bei unserem Ritt hierher kennengelernt hatte. Ein König, dessen Schultern kaum breit genug waren, um die ganze Last seiner Verantwortung tragen zu können.

„Worum ging es dort drinnen?", fragte ich zurück. Nicht unbedingt, weil ich die Unwissende spielen wollte, sondern weil ich mir sicher war, dass hinter dem Streit mehr lag als nur meine Anwesenheit.

Seine lange Pause bestätigte meine Annahme. Den Dolch immer noch zwischen den Fingern drehend, wandte Yessaia sich dem Anblick seines Innenhofes zu und lud mich ein, mit ihm ein Stück zu wandern.

Das wäre in Eslaryns Palast aus so vielen Gründen nicht möglich gewesen. Es war niemand hier draußen, der uns beaufsichtigt hätte. Niemand, der herbeigeeilt kam, um mir zu sagen, dass ich draußen im Dunkeln nichts verloren hätte.

„Liona wünscht sich ein anderes Leben", sagte er endlich, als wir uns der kleinen Baumgruppe aus Trauerweiden näherten, „Was ist schon ein König aus Gican, verglichen mit der Pracht, die du aus deinem Palast gewohnt sein musst?"
Er versuchte es mit einem Schmunzeln, doch es wirkte unecht und bitter. Neben den großen, dunklen Bäumen sah er verloren aus und allein.

„Ich weiß nicht. Bei dem Geschrei hätte man mich gezwungen...", ich wollte einen Scherz machen, um seine Stimmung zu heben, wurde aber abgelenkt durch das leise Rauschen der Äste im Wind. Sanft wogen sie hin und her, als spiele jemand auf einem Instrument.
„... sie auf weibliche Hysterie untersuchen müssen", kam das Ende des Satzes verspätet und ohne den Elan, den ich beabsichtigt hatte.

Gebannt starrte ich nach oben in die Kronen, der langen hängenden Äste. Sie waren ganz anders als die Pflanzen meiner Heimat. Verschlossen wie ihre eigene Welt. Ich war mir sicher, dass sie mir etwas zuflüsterten, das ich leider nicht verstand.

„Vielleicht würdest du ja fündig werden", ging der König auf meinen Kommentar ein. Als ich nicht sofort eine Antwort gab, schob er mit seinem Arm ein paar Äste zur Seite, sodass sich mir eine Öffnung auftat, durch die ich hindurch schlüpfen konnte.

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt