Colorissaft Glas 2

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Colorissaft;
gehört zu den morphinen 
Mitteln. Er betäubt Schmerzen. Überdosiert 
stört er Gleichgewicht und Wahrnehmung.
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          Dafür, dass Monsieur Roussex sich moralisch so weit es eben ging vom regierenden König distanzierte, waren ihre Häuser beinahe benachbart.

Und ähnlich groß. Die Villa hatte sogar einen kleinen Turm mit Zwiebeldach, das golden im Licht der Mittagssonne glitzerte.

Ein Diener mit schmalen Lippen und dem Ausdruck, als hätten wir ihm faulige Zitronen serviert, begleitete uns durch die zweistöckigen Hallen zum Arbeitszimmer des Hausherrn.
Dicke Teppiche verschluckten unsere Schritte, während die Augen eines riesigen Hunde-Porträts am Ende des Flurs uns verfolgten. Jemand hatte sich außerdem große Mühe gemacht, ausgefallene Pflanzen in ausladende Blumentöpfe zu quetschen.

Jac raunte mir beim Eintreten den Namen des Dieners zu, doch ich meine eigenen Erinnerungen lenkten mich ab. Stuhlreihen und flüsternde Adelige im dämpfigen Schatten von Pfeifenrauch. Der schwere Vorhang hinter der Bühne. Und das Gefühl zu ersticken.
Der Ring meines Bruders drückte schmerzhaft in meine Handfläche. Ich hatte nicht bemerkt, wie ich ihn in der Rocktasche umklammert hielt. All das lag lange hinter mir.

Vor einer Feuerstelle, die vermutlich noch nie in ihrer Existenz benutzt worden war, lag die Inspiration des Hallenkunstwerks und hob interessiert den Kopf. Es war ein grauer Jagdhund, schlank und agil, mit blauen Augen und neugierig gespitzten Ohren.

Henric sah sich ebenfalls ungemütlich um. Man hatte ihn gezwungen, am Eingang alle Waffen abzulegen, selbst die eingenähten in seinem Gürtel. Nun vermutete er einen Hinterhalt, der in unserer Geiselnahme oder Hundefutter enden würde.

„Ich dachte, ich hätte alles erlebt, als der Palast beschloss, Bettler zu krönen. Doch nie hätte ich mir träumen lassen, dass Jac Deraux noch einmal in meinem Haus stehen würde. Der Held unseres Landes bittet um eine Audienz bei dem Wagenkönig", begrüßte uns Roussex hinter einem Schreibtisch hervor.
Er war ein dicklicher Mann in viel zu aufwendiger Kleidung, die am Ende doch nicht von seiner Glatze und den wässrigen Augen ablenken konnte. Wenigstens passte seine Erscheinung zur Einrichtung.

Jac versteifte sich neben mir.

„Und er hat seine bezaubernde Schwester mitgebracht. Das Grün der Nevanam steht dir, Kaliee, oder ist es eine baldige Vermählung, die dich so strahlen lässt?", erhob sich unser Gastgeber von dem Stuhl und bedeutete uns, ihm gegenüber Platz zu nehmen.

Da mein Bruder seine Zunge verschluckt hatte und wir uns darauf geeinigt hatten, dass Henric nicht sprechen, sondern lediglich beobachten würde, sah ich mich in der fremden Rolle das Wort zu ergreifen. Und bei Kaar, darauf hatte ich nur so gewartet.
„Spar dir deine Komplimente, Willard. Keiner von uns freut sich, dich zu sehen."

Gespielt getroffen, fasste der Wagenkönig sich ans Herz, doch sein grimmiges Lächeln blieb bestehen. „Dann frage ich mich doch, warum ihr überhaupt hier seid."

Mit den zwei Männern im Schlepptau setzte ich mich in den mittleren der drei Sessel ihm gegenüber. Henric blieb wie meine persönliche Leibgarde hinter mir stehen und erwiderte Roussex vielsagenden Blick, ohne zu blinzeln. Auch wenn er nicht eingreifen würde, seine Anwesenheit stärkte mein Selbstvertrauen ungemein.

Jac brauchte dies nicht. Auch wenn seine Anspannung förmlich von ihm abstrahlte, er hatte sie genug im Griff, dass sie ihn nicht lähmte.
Mit beachtlicher Geschwindigkeit fand er in sein altes Leben zurück und lehnte sich auf dem Stuhl nach vorne: „Wir brauchen Informationen."

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt