Kosotus-Kerne Teil 3

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In gepresstem Schweigen ritten wir weiter.
Früher hatte ich fahrende Händler und Roussex Männer von Tacia berichten gehört. Weit und breit gab es nur Sumpfland und dreckige Seen. Keine Wälder oder Weiden. Lediglich Fische, Bären und Wölfe. Ich hatte es verbockt.

„Ich werde dir nichts tun", unterbrach er meine Erinnerungen. Seine Stimme war genauso angespannt wie sein gesamter Körper hinter mir, „Aber du musst mir helfen."

Ich hob den Kopf, den Blick stur auf die verschwommene Linie gerichtet, wo das Grau des Himmels mit dem Braun des Bodens verschmolz. Ich wollte ihm nicht helfen. Aber wahrscheinlich hatte ich kaum Wahl.

„Du musst meine Schwester retten." Er sagte es, als flehe er um sein eigenes Leben. Der Arm, den er vorsichtshalber um meinen Körper gelegt hatte, wurde weicher, sanfter.

Ich presste meine Zähne aufeinander. Selbst wenn ich gewollt hätte... ich konnte nicht. Und früher oder später würde er das auch sehen. Und was war sein Versprechen dann noch wert?
Ich schüttelte den Kopf, ein leises Schnauben entlassend. Blut mischte sich in meinen Handflächen mit Dreck.

Bitte. Sie ist noch ein Kind und-...", er hatte mit Nachdruck gesprochen, dicht an meinem Ohr, sodass ich die ehrliche Verzweiflung dahinter hörte. Aber ein Gedanke musste sie davon gestohlen haben, denn noch bevor er den Satz zu Ende brachte, richtete er sich hinter mir wieder auf und die Schärfe kam zu seinen Worten zurück: „Legen nicht alle Nevanam einen Eid ab, zu helfen?"

Ich streckte meine Handfläche ein letztes Mal aus, bis der Schmerz mir einen klareren Verstand gab. Er hatte mich nicht auf den Geheiß seines Herren entführt? Das war merkwürdig. Und könnte ihm zukünftig enorme Probleme bereiten.
Doch leider half mir das jetzt gerade nicht viel. Niemand konnte abschätzen, wie ein desinteressierter König mit einer entführten Adeligen umging, die nicht einmal helfen konnte.
Ich hatte nicht viel Wahl. Jac oder Henric würden mich retten müssen, sobald Boltier Henric wieder zusammengeflickt hatte. Ich musste nur bis dahin überleben. Und das bedeutete eine Nevanam zu spielen.
„Der Eid ist vor demselben Gott, der besagt, dass wir nicht entführt werden dürfen."

Sein Pferd stolperte und seine Brust schlug gegen meine. Er antwortete nicht sofort und als er es doch tat, presste er sie gerade so zwischen seinen Zähnen hindurch.
„Euer König hätte niemals die letzte Nevanam aus seinem Palast gelassen."

Dachte er, dass ich mich im Palast versteckte, um nicht helfen zu müssen? Meine Augenbrauen warfen meine Stirn in Falten.
„Weil es in der großen weiten Welt auch keine anderen Heiler gibt."

„Nicht in meinem Zuhause", schnappte er zurück. Sein Arm spannte sich wieder an und die Handschuhe ächzten unter dem Druck, mit dem er den Zügel umklammert hielt, „Und ich brauchte vielleicht jemanden, der sogar magische Heilkräfte hat. Du bist die Letzte dieser Art."

Ich schloss die Augen und war dankbar, dass er mein Gesicht nicht sehen konnte. Besondere Kräfte brauchten Jahre, um sich bei einer voll ausgebildeten Nevanam zu entwickeln. Ich war davon ähnlich weit entfernt, wie er von der Heilung seiner Schwester. Jac und Henric würden sich mit der Rettung beeilen müssen.
„Es sind nicht direkt magische Kräfte...", setzte ich an, doch seine Geduldsschnur riss.

„Es ist mir egal, wie du es machst. Du musst sie einfach nur retten." Sein Temperament brach aus ihm heraus, wie ein in die Ecke getriebenes Tier. Die Angst, die dahinter lag, ließ mich aufrechter sitzen.

„Was hat Eure Schwester?" Es war die erste ehrliche Frage aus meinem Mund. Er hatte ohne Befehl eine Nevanam aus dem benachbarten Königreich entführt und womöglich den König Eslaryns auf dem Gewissen. Aber nur die Erkrankung seiner Schwester machte ihm Angst?

Er schluckte hörbar.
„Das wirst du sehen, wenn wir da sind."

          Der Weg nach Tacia war weniger weit, als ich es mir immer aus den Erzählungen vorgestellt hatte. Tatsächlich war der Sakella Wald das größte Hindernis. Das lag daran, dass weder meine Heimat noch die des Gesandten wirklich groß waren. Eslaryn hatte gerade einmal zwei wirklich große Städte, Tacia vermutlich überhaupt keine. Dass wir noch nicht überrannt worden waren, lag an dem beschaulichen Heer, das der König aufgestellt hatte.

Die angespannte Stille unseres Rittes nagte mehr an mir, als ich zugeben wollte. Sein Schweigen machte mich fast so nervös, wie die Aussicht auf ein krankes Kind, das ich nicht heilen konnte.
Ich fror, bis er mir seinen schweren Mantel über die Schultern legte. Ich fand nicht die Worte, um ihm zu sagen, dass die Kälte nicht am Wetter lag, sondern von innen aus mir herauskam.

Stattdessen zog ich den Mantel enger um mich herum, als könne er mich so vom Zerfallen retten. Ich linste über den steifen Kragen hinaus auf das trostlose Land. Das Königreich war, wie fast die ganze Föderation von Gican, eben bis zum Horizont. Flach und sumpfig.

Und genau auf dieser Ebene zeichnete sich am Horizont ein unförmiger Berg ab, der mit den Stunden Zusehens zu einem Palisadenumgebenen Gehöft wurde. Das Mauerwerk bestand aus unterschiedlichen runden Steinen, die ein merkwürdiges Muster malten und mit der Umgebung verschmolzen. Mehrere Gebäude erhoben sich dahinter mit Holzschindeldächern. Die Fenster waren klein und mit Holzflügeln versehen.

„Ist es das?" Ich war selbst erschrocken, wie klein meine Stimme klang. Nichts von dem goldenen Prunk, den ich aus der Hauptstadt kannte. Keine Säulen oder Statuen, keine Wasserspringbrunnen und Zwiebeldächer. Es hätte trotzdem schön sein können. Friedlich, wie der Hof, auf dem ich aufgewachsen war. Doch der graue Schleier, der über dem ganzen Land lag, hatte sich auch in jeden noch so kleinen Winkel des Anwesens gegraben. 

„Es ist egal, wie es aussieht", entgegnete der Gesandte ruhig, „Jeder in diesem Hof würde für das Haus sterben."

Und das machte mir noch mehr Angst. 

"Happy Monday People!" - Morgan, hat bald Prüfung.
Hat auch Angst. 

Btw (Weil ichs vergessen habe):
Do you want to be my valentine?
♥️🌹💕

Die letzte NevanamWhere stories live. Discover now