Kaseia Paste Portion 1

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Als hätte der König meine Gedanken gehört, setzte er seine Rede fort. Oder aber er hatte schon die ganze Zeit gesprochen und ich tauchte erst jetzt wirklich aus meiner kleinen Blase auf. So etwas passierte mir in Madame Acós Unterricht regelmäßig.
„In den kommenden Tagen werden Henric LeClair und meine eigene Leibgarde genauere Untersuchungen zu den Umständen anstellen. Ich möchte euch nicht beunruhigen, aber genauso wenig möchte ich offene Fragen in Verbindung mit dem Tod einer Priesterin."

Etwas in mir regt sich, blendet sie Taubheit aus. Er wusste, dass es kein Unfall war. Ich sollte... ich musste... Es wäre meine einzige Möglichkeit auch nur den kleinsten Bruchteil meiner Schuld zu begleichen. Sie um Verzeihung für mein Versagen bitten.
Noch bevor ich den Gedanken zu Ende bringen konnte, hatte ich bereits einen Schritt aus der Traube an Frauen heraus gemacht.

Der König fuhr indessen über ein Denkmal fort, das mich kaum weniger interessieren konnte. Ein Festessen würde meiner Mentorin keine Gerechtigkeit schenken. Es hätte ihr noch nicht einmal gefallen. Und die, die ihr am nächsten standen, das einfache Volk vor den Palasttüren, würden sowieso nicht geladen sein.
Kein Mörder ließ sich so fangen.

Eine Hand schloss sich um meinen Arm und zog mich mit einem Ruck zurück. Fast wäre ich gestolpert, doch Madame Acós Klammergriff hätte mich genauso gut einige Handbreit über dem Boden festgehalten, so sehr quetschte sie mein Fleisch.
„Bleib, wo du bist und senk den Kopf", zischte sie mich aus dem Mundwinkel an, ihr gepudertes Gesicht starr nach vorne gerichtet, als würde diese Regel nicht für sie gelten.

Als ich nicht sofort reagierte, zog sie noch einmal an meinem Arm, sodass ich beinahe in die Knie gegangen wäre. Bei Kaar, hatte diese Frau zuletzt Henrics Trainingsstunden besucht? Ich überlegte, ihr mit Jacs Ring eine zu verpassen, um mich zu befreien.

Meine scharfe Antwort wurde von dem König abgeschnitten, der allen Stärke und Liebe von ihren Angehörigen wünschte und damit die kleine Versammlung für die Öffentlichkeit schloss. Das kurze Durcheinander, das ihm folgte, war eine willkommene Deckung für meine Befreiung.
In einem Moment versuchte meine Lehrerin noch, mich hinter sich aus dem Thronsaal zu schleifen, im Nächsten hatte ich ihr meinen Arm entwunden und duckte mich zwischen zwei schniefenden Frauen hindurch. Erinnerungen aus meiner Vergangenheit blitzten auf und verschwanden auch genauso schnell wieder.

Der Strom an Männern war gleichzeitig ein Hindernis und meine einzige Chance nahe genug an den Thron heranzukommen. Ohne Erlaubnis des Königs würde ich Henric nicht begleiten können. Aber so lange ich offiziell in Trauer und damit laut Monsieur Boltier nicht zurechnungsfähig war, würde ich keine Audienz bei ihm bekommen.
Der Trick war, die Bewegungen wie in einem Fluss vorauszuahnen und sie sich zunutze zu machen.
Ich fädelte mich an breiten Schultern und großen Rücken vorbei, wich ihren ausholenden Gesten aus, die ihre sinnlosen Gespräche interessanter machen sollten, immer darauf bedacht, Madame Acós suchendem Blick auszuweichen.

Im Zickzack kämpfte ich mich nach vorne, das Kinn hochgereckt, um nicht mein Ziel aus den Augen zu verlieren.
Viele der Männer waren massiger als ich und ihre Kopfbedeckungen türmten sich noch höher auf. In schwankenden Bewegungen kamen sie auf mich zu, als existiere ich überhaupt nicht, sahen mich nicht an, solange ich sie nicht berührte.

Und dann stolperte ich beinahe über die unterste Stufe des dreiteiligen Podests, auf dem die Stühle des kleinen Rats in einem Halbkreis platziert worden waren. Sie waren, genau wie Jac oder Isabellas Sitzplätze, großteilig verwaist, während sich die Ältesten dicht um König Dieuchosit scharten. Mein Bruder musste seine Verlobte an einen ruhigeren Ort gebracht haben und für einen winzigen Moment beneidete ich ihre vertraute Zweisamkeit.

Dann hörte ich hinter mir das Japsen meiner Lehrerin nahe der Ohnmacht. Ich würde keine zweite Gelegenheit bekommen. Wenn sie mich erwischte, würde ich Moira bald selbst nach ihrem Mörder fragen können.
„König Dieuchosit!" Ich musste laut rufen, um über das allgemeine Gemurmel hinaus zu kommen, doch er reagierte nicht. Alam Catròz hatte sich dicht zu ihm gebeugt und flüsterte unablässig in sein Ohr, das Gesicht zur Rückwand gedreht.

Die letzte NevanamWhere stories live. Discover now