Rotes Gift

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Nevanam; (magische) Heilerinnen
und Priesterinnen Kaars.
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            Eine gläserne Tür entschied über Moiras Tod und niemand anderes öffnete sie als die Heilerin selbst. Eigentlich war die Heilerin bereits an ihr vorbeigelaufen. Doch so wie es nun einmal mit Glastüren ist, trug auch diese den lauten Streit von draußen herein und weckte das Interesse der Nevanam.

Es war der Ausgang zur großen Terrasse, um genau zu sein. Hinter den dunkelblau gefliesten Säulen erstreckte sich einer der größten Bergseen des Nord-Gebirges. Zu friedlich, um für Streitigkeiten genutzt zu werden und doch...

„Es wird Zeit diesen Blödsinn zu beenden." Die Worte gehörten zu der wohl bekanntesten Stimme in ganz Eslaryn. Insbesondere Langschläfer hatten sie zu hassen gelernt, als der Alam Catròz die Uhrzeit für den morgendlichen Weckruf vom südlichen Palastturm geändert hatte.

„Du bist jung, unerfahren und durch Gefühle gesteuert, die es dir schwer machen, dich den Wünschen Klügerer zu beugen", schnarrte er und Moira erhaschte einen Blick auf die fettigen dunklen Haare, die er zu einem langen Zopf gedreht hatte. Ein Statussymbol, das er überhaupt nicht benötigte. Sein blaues Gewand war genauso eindeutig und spiegelte dabei auch noch zweifelsfrei seinen Charakter. Steif und eintönig, vollkommen schmucklos und ein bisschen zu wenig für den stattlichen Körper.

„Ich beuge mich den Ideen Klügerer, aber mit euren bisherigen Vorschlägen gehört weder der Rat oder Ihr zu dieser Kategorie." Und es gab nur eine einzige junge Frau im ganzen Palast, die derartig respektlose Worte so unschuldig vorbringen konnte. Sie meinte es nicht böse. Sie verstand es als Fakt. 

Moira konnte das Zähneknirschen des Alam bis auf den Gang hinaus hören. Aber er zwang sich- er zwang sich mit all seiner wenigen Selbstbeherrschung zu einer, zumindest aus seiner Sicht, rationalen Antwort. 
"Du hast als Frau eine Pflicht. Wie gedenkst du diese zu erfüllen, wenn du weiterhin nur deinen eigenen Interessen nacheiferst?"

"Gar nicht."

Dies war der Moment, in dem Moira beschloss, einzuschreiten.
Doch noch bevor sie sich bis zu besagter Glastüre zurück bemüht hatte, wurde diese bereits von der anderen Seite aufgerissen und Catròz stürmte auf den Flur heraus, seine blasierten Züge grotesk verzerrt.

„Vorsicht", knurrte Moira, die in ihrer langsamen Bewegung innehielt, „Wenn Euch jemand so sieht, denkt er noch, Ihr hättet Euch mit Hysterie angesteckt. Soll ich einmal einen Blick auf Euren Zustand werfen?" Sie stützte sich schwerfällig auf ihrem Stock ab, während die Glastür hinter dem Mann wieder zu fiel.

Der Alam stoppte sofort, kaum da er die Nevanam erblickte. Über seine lange Nase starrte er auf sie herab, die Mundwinkel so tiefhängend, dass sie sein Kinn länger machten.
„Größenwahnsinnige Weibsbilder, alle zusammen. Du denkst, dass du dir herausnehmen kannst, was du willst, weil Kaar dich mit Magie beschenkt hat", seine gelben Augen funkelten wie die Eissteine in den Höhlen unter dem Palast.

Er konnte froh sein, dass Magie niemals Schaden anrichten konnte. Zumindest seit die alten Götter verbannt worden waren. 
Moiras ganzes Gesicht weitete sich bei dem breiten falschen Lächeln, das ich darauf ausbreitete. Funken kletterten ihren Gehstock hoch, wanderten durch ihren Körper und sammelten sich schließlich in der Faust, die sie Alam Catròz unter die Nase hielt.
„In der Tat, mein Lieber. Was genau hat er noch mal dir geschenkt? Deine krummen Zähne?"

Sie krächzte noch immer vor Lachen, als das Glaubensoberhaupt des Palasts bereits wieder die Farbe von Weiß zu Rot wechselte.
„Ich lasse mir diese Frechheiten nicht mehr bieten! König Dieuchosit wird ein Machtwort sprechen müssen!"

Die letzte NevanamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt