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Hayden

Nachdem ich den Morgen mit Lernen verbracht habe, kümmere ich mich nach einem verspäteten Frühstück um die restlichen Kartons. Ich befülle meine Schränke mit all meinen Kram und sortiere meinen Kleiderschrank ein, wohl das erste Mal seit Jahren sieht er richtig ordentlich aus.

Als ich später von der Arbeit zurückkomme, höre ich Naomis Stimme aus dem Wohnzimmer. Sie liest Sophie wohl was vor.

Ich versuche, nicht zu nervös zu werden über die Tatsache, dass sie bei uns ist. Dass sie nur ein Raum weiter sitzt. Ich sprinte in mein Zimmer, streife mir die Jeansjacke ab und gehe dann sofort weiter ins Bad. Dort wasche ich mir die Hände, betrachte mich im Spiegel und stelle fest, dass ich total fertig aussehe.

Meine Wimperntusche ist unter meinem Auge ziemlich verschmiert. Ich wische sie ab und trage ein wenig neue auf. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich im Kopf beschließe, sie später anzusprechen.

Ich habe zwar keine Ahnung, wie lange sie heute bleibt und was ich dann sagen soll, aber egal. Ich denke mir bis dahin schon noch was aus. Voller Zuversicht öffne ich die Badtür und laufe schnurstracks in eine Person herein.

"Huch.", höre ich und merke sofort, dass es Naomi ist. Wer auch sonst. Ich trete sofort zurück. "Tut mir leid.", murmele ich und weiche ihrem Blick gekonnt aus. Sie trägt ein dunkelrotes Top, dass ihr wirklich gut steht.

Sie seufzt. "Schon okay, ich habe auch nicht aufgepasst.", eine Veränderung in ihrer Stimme bringt mich dann doch dazu, hoch zu sehen.

Als unsere Blicke sich treffen, läuft mir ein kalter Schauer über die Schultern. Ich bin wie erstarrt. Ihre Haare sind kurz. Ganz kurz. Ihre langen, schwarzen, glänzenden Haare sind jetzt eine schwarze Kurzhaarfrisur. Sie sieht so gut aus, dass ich augenblicklich rot werde, weil ich noch nie etwas so anziehend fand wie sie mit kurzen Haaren.

Ihre Mundwinkel zucken, als ich versuche, mich zu sammeln. "Steht dir, der Haarschnitt.", meine Stimme ist so leise, dass ich sie fast selbst nicht höre.

"Danke. Hab sie erst seit gestern.", sagt sie mit ebenso leiser Stimme und blinzelt drei Mal. Vier Mal.

"Ich... wollte mich entschuldigen. Mein Verhalten war echt scheiße.", ich will noch so viel mehr sagen, aber etwas stoppt mich. Ich atme tief durch und versuche es dann nochmal. "Ich... es tut mir so leid, Naomi. Wirklich, ich fühle mich so schlecht. Du musst mir nicht verzeihen, du kannst mich auch ignorieren, aber ich möchte es wenigstens gesagt haben. Ich wollte es dir heute sagen, aber ich weiß nicht, wann du gehst und deswegen sage ich es jetzt, bevor du gehst.", als ich aufhöre zu reden, schnappe ich nach Luft.

"Ich...", beginnt sie, stoppt dann aber. "Okay.", sagt sie dann nur. Unsere Blicke lösen sich nicht voneinander, als sie sich in Richtung Flur dreht.

Ich nicke. "Du... denk darüber nach. Vielleicht können wir... Kontakt halten, ich weiß nicht.", ich stolpere über meine Worte, weil ich so aufgeregt bin. Sie geht sich durch ihre Haare und stößt sich dann leicht gegen die Stirn. Ich kann ihre Geste nicht deuten.

Sie nickt. "Okay."

"Okay.", wiederhole ich und wende dann den Blick ab. Wenigstens habe ich gesagt, was ich sagen wollte. Sie weiß, dass es mir leid tut.

Ich will sie noch einmal ansehen, tue es aber nicht. Stattdessen gehe ich, den Blick auf den Boden gerichtet, in Richtung meines Zimmers.

Ich lasse die Tür auf, weil ich hören möchte, wie sie in den Flur geht, ihre Schuhe anzieht und dann leise die Haustür hinter sich zumacht, weil Sophie im Wohnzimmer eingeschlafen ist und der Flur direkt neben dem Wohnzimmer ist.

Aber ich höre sie nicht. Stattdessen sehe ich, wie sie mein Zimmer betritt, als ich mich umdrehe.

Ich sehe an ihr hoch, ihrem dunkelrotem Top, dem wunderschönen Dekolté, ihrem mir so vertrauten Gesicht und ihren kurzen Haaren. Wieder geht sie sich mit der einen Hand durch die Haare und schließt mit der anderen die Zimmertür.

Dann kommt sie auf mich zu und es dauert keine Sekunde, bis ihre Lippen auf meinen liegen. Nicht vorsichtig, sondern so verlangend. Es gibt mir das Gefühl, dass sie mich auch so vermisst hat wie ich sie vermisst habe.

Es fühlt sich so realitätsfern an, wie sie ihre Hände um meine Taille legt. Wie ich meine Arme um ihren Hals schlinge. Wie wir den Kuss vertiefen und unsere Zungen sich berühren. Wie ich ihre Wärme spüre, zwischen zwei Küssen ihren schweren Atem höre. Wie ihre Augen glänzen.

Eng umschlungen lassen wir uns auf mein Bett fallen. Ihre Arme halten mich fester, sie küsst mich noch zarter. Es ist alles so viel schöner als zuvor. Es ist wie im Traum.

Aber es ist kein Traum, sie ist wirklich hier bei mir. Ich bin umhüllt von ihrem süßen Duft, möchte sie für immer spüren. Als unsere Lippen sich voneinander lösen, grinst sie mich zufrieden an. "Weißt du, ich wollte eigentlich schon letzte Tage zu dir kommen und das klären.", sagt sie.

"Warum hast du es nicht getan?", ich wünschte, ich hätte schon viel früher den Mut gehabt, mich bei mir zu entschuldigen.

"Na ja, das ist eine lange Geschichte.", sie schmunzelt in sich herein und ich merke mir, sie wann anders nochmal danach zu fragen.

"Aber was viel wichtiger ist.", fährt sie fort. Sie streicht mit einem Finger über meinen Oberarm. "Ich habe mich für die Bundeswehr angemeldet.", ihre Worte lassen mich kurz zusammen zucken.

"Wirklich?"

Wow.

"Jap. Einfach so. Ohne irgendjemanden davon zu erzählen.", mir hat sie es erzählt.

"Und du wurdest genommen?", hake ich weiter nach.

Sie nickt. "Aber ich werde die ersten Monate in einer anderen Stadt sein. Ich weiß noch nicht, wo, aber danach komme ich wieder."

"Das ist doch egal. Hauptsache du kannst deinem Traum folgen, und wir sehen uns wieder. Und das werden wir.", ich lege meinen Kopf an ihre Schulter.

"Ich bin so stolz auf dich, Naomi."

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