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Hayden

Obwohl ich nicht gedacht hatte, dass das überhaupt noch möglich ist, fühle ich mich am nächsten Morgen noch beschissener als gestern.

Nach dem Gespräch mit Naomi war ich komplett weg, habe nur noch Wein getrunken und geweint.

Ich würde so gern mit ihr sprechen, mich bei ihr ausheulen. Mir ist alles zu viel, der Umzug, das Vorabi und dann noch die Sache mit Eve. Eve sagt jede Verabredung von uns ab und in der Schule ist sie komisch.

Anscheinend hat sie Stress mit Mac, aber dann braucht sie mich doch nicht deswegen zu ignorieren. Ich verstehe sie einfach nicht.

Aber egal. Wichtiger ist, dass Naomi sich keine Sorgen um mich machen soll. Und das ich jetzt erstmal aufpassen sollte, weil ich im Bio Unterricht sitze.

In weniger als drei Wochen schreibe ich meine erste Vorabi Klausur und ich bin gar nicht vorbereitet. Ich lerne und lerne, aber nichts will in meinem Kopf bleiben. Alles geht in einem Ohr rein und im anderen wieder raus.

"Hayden? Hay-den?", höre ich Jemanden neben mir sagen. Ich zucke zusammen und fahre dann herum.

Eve bindet gerade ihre Haare hinten zusammen.

"Was ist los?", frage ich leise, weil wir eigentlich eine Aufgabe bearbeiten müssen.

"Ich habe eine Frage.", meint sie und öffnet den Zopf wieder. Dann bindet sie sich einen Neuen. "Kommst du am Samstag zu der Party von Mac?"

"Wie von Mac? Ich dachte, ihr hättet Streit?", entgegne ich verwirrt.

"Ja... Also er war sauer, weil ich erst nicht zu seiner Party kommen wollte. Also habe ich ihm versprochen zu kommen und alleine schaff ich das nicht, kommst du mit?", sie legt ein süßes Lächeln auf.

"Du weißt, dass ich nicht gerne auf Partys gehe.", versuche ich, auszuweichen.

"Ach komm schon.", sie rutscht auf ihrem Sitz leicht hin und her. "Tu es für mich. Wir werden viel Spaß dort haben.", das sagt sie jetzt so. Und dann, wenn wir dort sind, haut sie direkt ab und bleibt den restlichen Abend bei Mac.

"Okay, wenn es sein muss. Aber ich kann selbst entscheiden, wann ich gehe.", stelle ich fest.

"Natürlich. Selbstständigkeit ist wichtig.", murmelt sie, während sie schon wieder grinsend auf ihr Blatt schaut.

Wenn ich sie damit glücklich machen kann, dann gehe ich eben hin. Aber warte...

"Kommen Macs Freunde auch?", frage ich sie mit einem vielleicht etwas zu auffällig lauten Ton. Ein Mitschüler dreht sich nach uns um.

"Klaro, was dachtest du denn, dass er nur Wildfremde einlädt?", sie lacht trocken.

Also wird Naomi auch mitkommen? Vielleicht wird es dann doch nicht so übel.

Ich schaue auf die Aufgaben, die wir machen müssen. Nur dieses Wochenende. Danach werde ich lernen bis ich umfalle.

°°°

"Es gibt keine bessere Musicalverfilmung als Grease. Und egal, was du jetzt sagst, meine Meinung bleibt."

Naomi und ich sitzen in meinem Zimmer und lernen. Beziehungsweise, wir lernen schon seit einer halben Stunde nicht mehr.

"Was ist mit The Rocky Horror Picture Show?", ich nippe an meinem Kaffee und schwanke damit beim Hinstellen so heftig, dass ich ihn beinahe über mein Rechtskunde Buch schütte.

"Den habe ich noch nie gesehen.", Naomi zuckt mit den Schultern.

"Das Musical oder die Verfilmung?"

"Äh... beides?", sie verzieht das Gesicht, als wäre das eine Schande. Und das ist es sehr wohl.

"Bitte was? Das werden wir bald nachholen, Fräulein.", sage ich und rümpfe die Nase.

"Anderes Thema: Du kommst zu Mac's Party am Samstag, oder?", frage ich sie.

Sie legt den Kopf schief und nickt lächelnd. "Du auch?"

"Jap. Eve hat mich überredet."

"Ich dachte, Mac und Eve hätten gestritten?", fragt sie und kneift die Augen zusammen.

"Dachte ich auch, aber als Entschuldigung kommt sie zu seiner Party."

"Wäre sie nicht sowieso gekommen?"

"Nein, sie wollte nicht aber frag mich nicht wieso, ich verstehe das auch nicht.", ich mache eine wegwerfende Handbewegung.

Sie schmunzelt. "Egal, hauptsache du kommst.", meint sie und dabei schaut sie mich mit einem Funkeln in den Augen an, was mich daran zweifeln lässt, dass sie nicht auch ein klitzekleines bisschen auf Mädchen steht. Trotzdem traue ich mich nicht zu fragen.

Ihre Augen lösen sich von meinen und fallen auf das Buch vor mir auf dem Schreibtisch.

"Warum hast du überhaupt Rechtskunde?", fragt sie im nächsten Moment.

"Ich möchte Jura studieren.", murmele ich, und frage mich, ob ich jemals sagen werden kann "Ich studiere Jura.". Nein, ich will Jura studieren. Aber man bekommt nicht immer das was man will, nicht wahr?

"Habe ich mir irgendwie gedacht. Du siehst echt aus wie eine Anwältin.", meint sie und schaut an mir herab.

"Findest du?", ich hebe die Brauen.

"Jep. Du wirst mich zu hundert Prozent in diesem Outfit vertreten, wenn ich mich mit Eve wegen schlechten freundschaftlichen Verhalten geprügelt habe."

Ich schaue an mir herab. Ich trage eine Jogginghose und ein schwarzes oversize Shirt.

"Erstens: Ganz sicher nicht. Und zweitens ist Eve keine schlechte Freundin.", entgegne ich.

"Man stellt seinen Freund nicht über seine beste Freundin. Und schon gar nicht, wenn es sich um Mac handelt.", erwidert sie lachend.

"Ich dachte, Mac wäre ein guter Freund von dir?"

"Das ist er. Aber manchmal nervt er echt. Und ich finde, dass beste Freundinnen viel wichtiger sind als irgendwelche Typen.", erklärt Naomi und kämmt dabei mit den Fingern eine Strähne ihrer glatten, dunklen Haare durch. Ich könnte ihr den ganzen Tag nur dabei zusehen.

"Übrigens.", beginne ich, nippe aber erst wieder an meiner Kaffeetasse.

"Nur das das klar ist: In Zukunft streitest du nicht mehr mit deinen Eltern, es war echt scheiße ohne unsere Lernnachmittage.", ich mache einen Schmollmund.

"Ich versuche, mich zusammenzureißen.", verspricht sie lachend, aber ihre Miene verfinstert sich sofort, als wäre ihr etwas eingefallen. "Das war aber nicht der Grund, weswegen du letztens so schlecht drauf warst, oder?", fragt sie mit leiser Stimme.

Sofort schüttele ich den Kopf. "Das war... ich war nicht schlecht gelaunt, sondern einfach müde. Vergiss das.", an jenem Abend habe ich mich einfach so erschöpft und ausgelaugt gefühlt, dass ich am Liebsten einschlafen und nie wieder aufwachen wollte.

Trotzdem habe ich die Nacht darauf nicht geschlafen, weil ein Albtraum meine Laune nicht gehoben hätte.

"Okay, wir müssen nicht darüber spre"-

Im gleichen Augenblick wird meine Zimmertür aufgestoßen und Sophie kommt reingestürmt.

"Hayden?", sie sieht zwischen uns hin und her. "Oh, was macht Naomi hier?", sie quetscht ihren Teddybär zwischen ihren Armen.

"Hallo, Sophie. Wie geht's?", frage ich sie und grinse sie an.

"Gut. Gehen wir zum Spielplatz? Naomi kann ja auch mitkommen."

Da wir sowieso nicht mehr lernen, stimmen wir zu und beschließen, nach dem Spaziergang noch ein wenig mit Schulsachen weiterzumachen. Frische Luft hilft immer, um den Kopf frei zubekommen.

High enough to fall for you✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt