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Naomi

Wie oft saßen wir in der Schule und haben gehofft, der Unterricht würde schneller vorbeigehen. Die Uhr würde schneller ticken. Alles würde schneller vorbeigehen. Die ganze Schulzeit wäre schon vorbei.

Tja, jetzt, in der letzten Schulwoche ist man nur noch überfordert.

Mit dem, was neben der Schulzeit noch alles geht. Wenn man jung ist, gibt Schule einem alles. Freunde, Zeitvertreib, viel zu tun und vor allem eine Struktur im Leben. Jetzt ist man auf sich selbst gestellt und hat keinen blassen Schimmer, wie man das alles allein machen soll.

Na ja, noch sind wir ja in der Schule. Und Zwar noch genau eine Woche.

Die letzte Schulwoche gilt als die allerbeste in der gesamten Schulzeit. Weil man zwar Unterricht hat, aber daneben alle Regeln und Privilegien über Bord werfen darf.

Ich will die Woche in allen Zügen genießen. Mit meinen Freunden, und auch mit Hayden.

Was nicht so ganz einfach ist, weil wir auf verschiedene Schulen gehen. Aber ich habe sie und Eve eingeladen, am Freitag mit bei uns in der Schule zu übernachten.

Denn bei uns ist das Tradition, dass die Abiturienten am letzten Schultag, nachdem sie die Zulassung für das Abi erhalten haben, in der Turnhalle übernachten. Und da Hayden an ihrer Schule nicht so was cooles macht, kommt sie einfach zu uns.

Das wird schon niemandem auffallen. Und ich freue mich zudem riesig, dass ich sie bei einem so bedeutungsvollen Ereignis dabei haben darf, wenn wir schon beim Abiball auf getrennte Partys gehen.

Eine weitere Tradition der Abschlussklassen ist es außerdem - allerdings an allen Schulen-, sich jeden Tag nach einem Motto zu verkleiden. Wir haben ziemlich interessante Mottos, am Montag zum Beispiel Horror.

Ich habe mir dafür ein wenig Kinderschminke und Kunstblut gekauft. Kontaktlinsen in hellblau habe ich noch von Halloween, und die waren ziemlich creepy, also kommen die auf jeden fall wieder zum Einsatz.

Hayden kommt schon um sieben zu mir, weil wir uns am ersten Tag zusammen fertig machen wollen.

"Wie soll ich mich denn bitte männlich schminken?", fragt Hayden mich mit skeptischem Blick. Ihr erstes Motto ist das andere Geschlecht. Also Mädchen verkleiden sich wie Jungs, und die Jungs wie Mädchen.

Hayden trägt bereits eine blaue, weite Jeans und ein Männershirt, was sie für drei Euro bei Tedi abgestaubt hat.

"Du musst die Wangenknochen betonen.", sage ich und gebe ihr einen Contouring Stift von mir.

"Ich glaube, du musst mir das machen, ich kann das nicht.", sie grinst süß und dreht sich zu mir.

Ich mache den Stift auf und fahre damit leicht ihre Wangenknochen entlang. Dann verblende ich das mit meinem Finger, allerdings ist es schwer, weil sie ganze Zeit über lächelt und ihre Wangenknochen dadurch schwerer auszumachen sind.

"Wirst du wohl aufhören so dumm zu grinsen?", zische ich amüsiert.

"Kann ich nicht, du siehst aus wie eine Zombie-Lesbe.", flüstert sie und wir müssen los lachen.

Dann beugt sie sich vor und gibt mir einen kurzen Kuss auf den Mund. "Igitt, ich stehe nicht auf Männer!", meine ich sarkastisch.

Hayden lacht. "Wow, wenn ich so schnell wie ein Mann aussehen kann", sie schaut in den Spiegel und merkt, dass die Kontur eigentlich kaum etwas gebracht hat.

"War nicht ernst gemeint.", sage ich lachend und kann mich nicht mehr einkriegen.

"Ist mir schon klar.", sagt sie. Dann macht sie noch mehr von dem Contouring Stift drauf.
"Männer haben auch immer fette Augenbrauen. Und lange Wimpern.", denke ich laut nach.

"Ja stimmt. Und das mit den Wimpern ist so ungerecht. Alle Männer die ich kenne haben lange Wimpern, warum ich nicht? Die interessiert das doch sowieso nicht, wie lang ihre Wimpern sind.", beschwert sie sich, während sie in meiner Make-up Schublade rum kramt und schließlich einen Augenbrauen Stift herausholt.

"Der ist abgebrochen.", kommentiere ich.

Sie holt einen anderen heraus. "Der auch.", stellt sie fest.

"Wie viele abgebrochene hast du da drin rumfliegen?", fragt sie schmunzelnd.

"Es würde zu lange dauern, die zu zählen.", antworte ich, während ich mir die Augen schwarz male, was dank den Kontaktlinsen ziemlich schwer ist.

"Hast du auch einen, der nicht abgebrochen ist?", hakt sie weiter nach.

"Nö, ich glaube nicht.", entgegne ich.

"Wie soll ich denn dann meine Augenbrauen fett machen?", fragt sie und kramt verzweifelt weiter in der chaotischen Schublade.

Ich nehme einen Schwarzen Kajalstift und gebe ihn Hayden.

"Ich habe hellblonde Haare!", zischt sie.

"Soll ich sie dir schwarz tönen?", frage ich.

Eine Stunde später hat Hayden schwarz getönte Haare, die so hoch gesteckt sind, dass sie wie eine Kurzhaarfrisur aussehen. Bei ihrem kurzen Bob ist das kein Problem gewesen.

Dazu hat sie dicke kajal-Augenbrauen, die ein bisschen albern aussehen, aber insgesamt hat sie einen coolen, männlichen Look.

Ich trage eine zerrissene Strumpfhose und dazu einen schwarzen Minirock, und obenrum einen dunklen Pulli, der ein paar Nummern zu klein ist und sehr ausgeleiert. Ich habe ihn mit Kunstblut bespritzt und ich würde sagen, dass das Ergebnis ziemlich spooky ist.

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