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Naomi 

Die Abendluft ist erfrischend kalt. Der Balkon gibt einen genauen Ausblick auf die Straße, auf der Mac wohnt.

Unten an laufen ein paar Männer mit Bier in der Hand lang. Außerdem steht ein Mädchen an der Ampel. Sie trägt einen Kapuzenpulli und hat die Kapuze davon über dem Kopf gezogen.

Bei näherem Hinsehen merke ich, dass sie mir bekannt vorkommt. Irgendwas an ihr erinnert mich an Jemanden, aber ich weiß nicht, an wen.

Sie läuft in meine Richtung und hält vor Macs Haus. Erst jetzt nimmt sie die Kapuze ab und einen Moment bleibt mein Herz stehen. Es ist Hayden, die in der Tür verschwindet.

Ich eile vom Balkon, dränge mich durch die vielen lachenden und brüllenden Menschen und komme an der Tür an, aber Hayden ist weg. Panik steigt in mir auf. Sie sollte nicht hier sein, nicht, wenn sie gerade eine Panikattacke hinter sich hat.

Ich drehe mich um meine eigene Achse, aber sie ist nirgendwo.

Ich verschütte fast meinen Becher, als ich in die Küche eile. Dort steht sie und schüttet sich einen Drink ein.

"Hayden.", ich mache einen Schritt auf sie zu. Ihre hellen Haare sind ein wenig zerzaust, sie hat sich leicht geschminkt.

"Hey, Naomi.", aus ein wenig roten Augen sieht sie mich an.

"Was machst du hier?", zische ich.

"Habe mich rausgeschlichen. Ich wollte dich nicht allein lassen.", sie wippt mit dem Oberkörper hin und her und grinst mich verschmitzt an. Irgendwie passt das nicht zu ihr.

"Hayden... das kannst du doch nicht machen! Hast", ich stocke. "Hast du was genommen?"

"Vielleicht.", sie zuckt mit den Schultern und grinst noch breiter.

Ich nehme ihre eisig kalte Hand in meine und ziehe sie mit durch die vielen Jugendlichen.

"Wo gehen wir hin?", höre ich sie hinter mir fragen.

Ich antworte nicht, sondern führe sie prompt durch den Gang zu Macs Zimmer. Ich stoße die Tür auf und stelle erleichtert fest, dass niemand hier ist.

"Setz dich.", ich kenne Mac und weiß, er hätte kein Problem damit, dass wir hier sind. Ich habe das Gefühl, allein kann ich besser auf Hayden aufpassen, denn sie scheint offensichtlich nicht so ganz bei Verstand zu sein.

Ich schließe die Tür hinter mir und setze mich neben sie aufs Bett.

Sie stürzt den Drink in einem Zug runter und lässt den Becher dann auf den Boden fallen.

"Also... was machen wir hier?", fragt sie, während sie das Gesicht verzieht.

"Du kannst dich nicht betrinken und so tun, als wäre alles wie immer, Hayden.", sage ich.

"Du sagst so oft meinen Namen. Ich mag es, wie du meinen Namen sagst.", säuselt sie. Dann schmunzelt sie.

"Warum sagst du das?", flüstere ich.

Sie antwortet darauf nicht, sondern lässt sich nach hinten aufs Bett fallen.

Die laute Musik kommt nur gedämpft durch die Wände, es ist mir beinahe möglich, alle Hintergrundgeräusche auszuschalten und nur Haydens langsamen Atem zu hören.

Sie hat die Augen geschlossen, und ist auf einmal ganz ruhig. Ich frage mich, wie sie so schnell abschalten kann.

Ich lasse mich neben sie fallen und versuche, ihren Atemrhythmus zu imitieren.

Eine Weile liegen wir einfach nur so da, und ich beobachte sie dabei, wie sie einschläft.

Ihre schönen Augen, ihre langen Wimpern. Ihre weichen Haare, ihre vollen Lippen.

Mein Blick wandert über ihr Gesicht, immer und immer wieder.

Irgendwann öffnet sie langsam ihre Augen und sieht genau in meine. Es ist ein Moment, der sich komplett ungefiltert und echt anfühlt.

Ihre Mundwinkel zucken. "Habe ich was im Gesicht?", wispert sie.

Wir müssen beide schmunzeln. "Nein.", flüstere ich zurück.

Dann ist es wieder still, und wir sehen uns einfach nur an.

"Hayden?", murmele ich.

Das Licht flackert. Sie nickt und sieht mich fragend an.

"Du stehst auf Frauen, richtig?", meine Stimme bebt und ist langsam. Die Sekunden ziehen sich quälend lang, bis sie wieder nickt.

"Also hast du schonmal eine geküsst?", fahre ich fort.

"Jap.", meint sie.

"Und", ich presse die Lippen aufeinander.

Ich möchte nicht komisch auf sie wirken, aber irgendwie fühlt es sich an, als wäre sie die einzige Person, die ich so etwas jemals fragen würde.

"Wie fühlt es sich an?", wispere ich.

Sie schließt die Augen, und öffnet sie wieder. Sie öffnet den Mund, sagt aber nichts, und klappt ihn wieder zu. Ein paar Sekunden ist es still, draußen läuft Hips don't lie von Shakira, der Beat dröhnt gedämpft an meinen Ohren.

"Willst du es probieren?", ihre Stimme klingt ein wenig kratzig, als sie das sagt.

High enough to fall for you✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt