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Naomi

"Mum? Dad? Ich bin zuhause!", ich gehe in mein Zimmer durch und merke erst dann, das mir niemand geantwortet hat.

"Mum?", sie meinte heute Morgen noch, dass sie früher frei macht. Ich gehe in die Küche und finde dort einen Zettel.

Hatte einen wichtigen Termin, deshalb komme ich später, da ist Pizza im Kühlschrank<3

Ich mache mir die Pizza und setze mich auf den Balkon. Die Sonne knallt immer noch, obwohl es schon ziemlich spät ist.
Seit ich letzte Woche mit Nora, Mac und Jolene in der Mall war, habe ich fast nur noch für Klausuren gelernt, dementsprechend ist meine Laune auch ziemlich gesunken.

Unser Balkon ist schon immer ein Ort für warme Sommerabende gewesen.

Letzten Sommer waren Nora und Jolene fast jeden Abend bei mir und wir haben Alkohol mit allen möglichen Sachen gemischt oder Serien geschaut und uns gegenseitig Gesichtsmasken auf die Haut geschmiert.

Die haben in den seltensten Fällen gegen unsere hoffnungslos schlechte Haut geholfen, aber wir hatten immer Spaß dabei.

Diesen Sommer wurden diese Treffen immer seltener, weil Nora gefühlte fünf Typen hintereinander hatte und Jolene andere Probleme, als sich mit mir zu treffen.

Aber das ist schon okay. Mittlerweile habe ich ja auch viel zu tun mit Babysitten und Schule. Apropos Schule, ich habe noch viel zutun, fällt mir ein.

Ich bringe meinen Teller weg und gehe in mein Zimmer, um meine Sachen zu holen und auf dem Balkon Hausaufgaben zu machen.

°°°

Als ich am nächsten Morgen aufwache, kriege ich kaum die Augen auf. Drei Stunden habe ich geschlafen, weil ich mich gestern einfach nicht mehr auf die Schulsachen konzentrieren konnte und so doppelt so lange brauchte.

Ich brauche eine geschlagene halbe Stunde, bis ich es in die Küche geschafft habe, um mir einen Kaffee zu holen. Die Milch verschütte ich fast.

"Ziehst du heute endlich das Kleid an, was ich dir besorgt habe?", höre ich Mum hinter mir. Sie stellt sich neben mich an die Theke und schüttet sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein.

"Ich weiß nicht.", murmele ich, noch unfähig zu denken. Aber auch, wenn ich es wäre, würde meine Antwort nicht ja lauten.

Ich mag das Kleid nicht besonders, auch wenn es total in der Mode ist. Jeder zweite trägt so ein Kleid, aber ich eben nicht.

"Ach komm schon, du hast dich doch darüber gefreut!", meint Mum.

"Ich bin eben eine gute Schauspielerin.", raune ich und gehe ins Bad.

"Bitte was?", höre ich Mum noch rufen, aber ich antworte nicht mehr.

°°°

"Es wird nicht noch einmal vorkommen.", sage ich zum tausendsten Mal.

"Bitte, Naomi. Du musst dich nicht so oft entschuldigen, es ist alles gut. Gib ihr einfach keine Kirschen mehr, dann ist doch alles fit.", Miss McJanne läuft an mir vorbei in die Küche und dann kommt sie mit einer Tasche und einer Deoflasche wieder.

"Ich muss jetzt gehen. Bis später, Sophie Schätzchen!", ruft sie in Richtung Wohnzimmer, wo Sophie gerade ihre Lieblingsserie schaut.

"Ciao, Naomi!", sie winkt knapp und wirft dann die Tür hinter sich zu.

Auf einmal ist es ganz still, man hört nur die Musik vom Fernseher. Ich schnappe nach Luft.

Der Unfall mit Sophie hat mich extrem verunsichert. Das ist das Schlimmste, was hätte passieren können. Und mir, der dummen Naomi, ist es natürlich passiert.

Aber na ja, es war das erste und letzte Mal. Jetzt passe ich noch mehr auf.

"Sophie?", ich gehe in das Wohnzimmer der McJannes und setze mich neben sie auf die Couch.

"Worauf hast du Lust?", frage ich sie.

"Darf ich dich was fragen?", sie schaut mich an und grinst, sodass ihre kleinen Zähnchen zu sehen sind.

"Immer doch."

"Hast du einen Freund?", ich muss schmunzeln.

"Nein, hab ich nicht. Du etwa?"

"Sam aus meiner Gruppe im Kindergarten hat mich am Dienstag gefragt, ob ich seine Freundin sein will.", erzählt sie kichernd.

Ich erinnere mich nur allzu gut an meine Kindergartenzeit. Eigentlich habe ich schon ziemlich viel vergessen, aber bei meinem Praktikum letztes Jahr im selben Kindergarten sind die Erinnerungen wieder nacheinander hochgekommen, je länger ich dort war. Ich hatte eine gute Freundin, sie hieß Olivia.

Und sie hatte auch ständig einen Freund nach dem anderen. Sie hat den ganzen Kindergarten gedatet, kann man so sagen. Natürlich waren das keine richtigen Beziehungen, sondern nur Freundschaften. Vielleicht noch nicht mal das.

Ich habe früher viel mit den Jungen gespielt, aber ich war nie eine Freundin von einem. Das wäre mir auch zu absurd gewesen.
"Ist der Sam denn nett?", frage ich Sophie.

"Schon ein bisschen.", sie zieht eine Grimasse.
"Ein bisschen? Das klingt nicht so vielversprechend.", ich lache. Sie lacht auch. Dann lachen wir ein paar Minuten nur.

"Wollen wir ein bisschen Spazieren gehen?", schlage ich vor, als die Sendung zuende ist.

"Ich mag Spazieren gehen nicht. Mit Mum muss ich das auch immer machen.", sie legt einen patzigen Ausdruck auf.

Sie sieht einfach zu niedlich aus mit den zwei kleinen Zöpfchen, die mit bunten Klammern festgemacht sind. Auf einer ist ein Fliegenpilz und auf dem anderen eine kleine Meerjungfrau.

"Aber du warst noch nie mit mir Spazieren. Ich kenne eine Eisdiele in der Nähe.", entgegne ich.

"Echt? Gibt es da auch blaues Eis?", ihre Augen weiten sich.

"Aber natürlich, das blaue Eis wartet schon auf dich, komm!", ich mache den Fernseher aus und nehme sie an der Hand.
"Yeah!", macht sie und dann gehen wir.

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