43 | überfällige Gespräche

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| Emma |

Der Gedanke, nie wieder in Harrys Armen aufzuwachen, hatte mir über Monate hinweg Schmerzen bereitet. Dass ich an diesem Morgen jedoch genau das tat, war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich wollte ihn festhalten und nie wieder gehen lassen. Doch genau das war das Schönste daran: Mir war endlich klar, dass er überhaupt nicht gehen wollte.
Gerade als mir dieser Gedanke ein Lächeln auf die Lippen zauberte, meldete sich Harry gähnend zu Wort.
„Ich muss gehen."

Irritiert sah ich ihn an. „Wo willst du denn um die Uhrzeit hin?"
„Es ist 11 Uhr nachmittags, Emma", lachte Harry. „Ich muss nur kurz ins Büro. Ich habe mir die Tage weitestgehend freigehalten. Aber der ein oder andere Termin verlangt mich heute eben doch. Aber du kannst natürlich gerne genau so hier liegenbleiben."
Liebevoll küsste er mich auf die Stirn, ehe er sich aus meinen Fängen befreite und aus dem Bett stieg. Harry hatte Glück, dass ich so schrecklich müde war und nicht lange protestieren konnte.

„Fühl dich ganz wie Zuhause, aber das weiß du ja", versicherte er mir. „Wenn du willst, sag' ich Rosa unten Bescheid, dass sie dir einen Kaffee bringen soll."
„Schon gut, danke", winkte ich gähnend ab. „Ich hätte ehrlich gesagt sogar Lust, später eine Runde Laufen zu gehen." Der Gedanke, dass ich nach wenigen Metern erbärmlich vor mich hinröcheln würde, hielt mich allerdings noch zurück.

„Mach das doch!", hakte Harry eine Spur zu euphorisch ein. „Solche Eingebungen haben meistens etwas zu bedeuten. Vielleicht musst du heute raus, jemand sieht dich und du bist genau die Motivation, die jemand da draußen gebraucht hat."

„Ein 'Ach was, bleib doch lieber im Bett, Emma' wäre mir lieber gewesen", sagte ich schmunzelnd, meinte es aber nicht allzu ernst. Wie er die Dinge sah, war einer der Hauptgründe, weshalb ich ihn so gerne in meinem Leben hatte.

Grinsend kam Harry noch einmal zu mir und küsste mich auf die Lippen. „Tu das, worauf du Lust hast. Ich für meinen Teil muss los. Je eher ich verschwinde, desto eher bin ich wieder da, also... Bis gleich."


Ich hatte mich tatsächlich zum Sport aufgerafft, doch wie erwartet waren es knapp zehn Minuten Laufen und dreißig Minuten Schlendern. Ich sah mir die Häuser an, überlegte bei den vorbeigehenden Leuten, ob man sie wohl kennen sollte und genoss diese Leichtigkeit in mir, die ich bisher nicht gekannt hatte.

Zwar war ich nicht die Schnellste, doch lange außer Haus war ich trotzdem nicht. Umso überraschter war ich, als ich Harry meinen Namen rufen hörte, kaum war ich aus der Dusche gestiegen.
Ich konnte mir kaum vorstellen, wie er seine Meetings über die Bühne gebracht hatte oder wie schnell er irgendwelche Dinge abgesegnet hatte. Fakt war, dass er überraschend schnell wieder zurück war.

„Wow, das ging ja wirklich fix", staunte ich nicht schlecht und trocknete mir mein Haar, als ich die Treppe zu ihm nach unten kam. „Bist du —"
„Jeffs schlechtester Mitarbeiter? Oh ja, so wurde ich vor exakt 40 Minuten betitelt. Ich würde dir raten, Jeff vorerst nicht zu begegnen, der Gute ist nicht besonders gut auf dich zu sprechen", grinste Harry und kam auf mich zu, um mich zur Begrüßung in den Arm zu nehmen. „Er kann nicht ganz verstehen, weshalb ich gerade nicht 24 Stunden, 7 Tage die Woche an mein Album denke."

„Na, aber du bist doch heute immerhin pflichtbewusst dort aufgetaucht", versuchte ich das Positive an der Sache zu sehen, während Harry mich fest in die Arme schloss.
Ich spürte, dass sich seine Brust hob, als er tief seufzte. „Das war allerdings auch nicht ganz uneigennützig. Ich muss dir etwas sagen."

Dieser Satz zog meist nichts Gutes nach sich. Angespannt sah ich also zu Harry auf und ermahnte mich selbst, nicht direkt vom Schlimmsten auszugehen.
„Nämlich?", hakte ich misstrauisch nach, während Harry sanft meine Hand nahm und sich auf das naheliegende Sofa setzte.
Mit gerunzelter Stirn tat ich es ihm gleich.

Big Tip || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt