24 | eine halbe Flasche Wein

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| Harry |

Die Zeit in Malibu verflog geradezu. Meine Karriere florierte und all unsere Ideen nahmen nach und nach Gestalt an. Wir begaben uns auf eine imaginäre Reise zu einer fiktiven Insel namens Eroda, die die wohl umschweifendste PR-Kampagne nach sich zog, die ich mir je hätte ausmalen können.

Es gab Ideen für Kooperationen mit Reisebüros, einen eigenen Internetauftritt, Werbevideos und Reiseführer. Doch was mich am meisten beeindruckte, war Emma. Es war schön, sie an dem großen, runden Tisch auf der Terrasse sitzen zu sehen und dabei zu beobachten, wie sie in ihrer Kreativität aufging. In jedem Meeting und mit jedem Tag verlor sie sich mehr darin, was mich zunehmend glücklicher und stolzer werden ließ.

Sie war es, die mich verstand und es wagte, unkonventionell zu denken. Sobald ich angemerkt hatte, dass ich in der Geschichte um Adore you ungern ein Paar mit festgelegter Sexualität zeigen wollte, kam Emma prompt mit der Idee eines Fisches um die Ecke. Schon waren wir von einer klassischen, heterosexuellen Paarbeziehung bei einer herzzerreissenden Freundschaft zwischen einem Menschen und einem Fisch gelandet.

Emma blühte auf und war kaum mehr zu bremsen. Was mir jedoch zu schaffen macht war, dass sie mir gegenüber zunehmend nachdenklicher wurde.

Vielleicht hätte es damit zu tun, dass ich immer versuchte, sie von der Gruppe abzukapseln. Womöglich war es zu offensichtlich, dass ich sie von Christopher fernhalten wollte, doch ich traute ihm immer noch nicht über den Weg. Es war zu riskant. Womöglich würde er ihr früher oder später doch vorschlagen, ihre Geschichte zu vermarkten und dann würden wir alle einen herben Rückschlag erleben - insbesondere Emma selbst.

Ansonsten gab es nur noch eine weitere Erklärung, die mir für ihr Verhalten einfiel.

Jedes Mal, wenn wir alleine waren und unsere Gespräche, die ich bisher immer so geschätzt hatte, persönlicher und intimer wurden, ergriff sie plötzlich die Flucht. Womöglich hatte sie mich also gern und sie konnte unsere berufliche Beziehung zueinander nicht damit in Einklang bringen. Sollte dem so sein, ging es ihr ganz ähnlich wie mir.

Sie war etwas Besonderes und ihre Anwesenheit, ebenso wie ihr Lächeln, machte etwas mit mir. Im Gegensatz zu Emma stellte unser berufliches Verhältnis für mich allerdings kein großes Hindernis dar. Ich war bereit, dem Ganzen auf den Grund zu gehen und musste die Sache wohl selbst in die Hand nehmen.

Die Sonne ging bereits unter, als ich an diesem Tag nach Emma suchte. Auf ihrem Zimmer war sie nicht, dafür hatte ich dort ihre Einwegkamera auf dem Bett liegen sehen. Ihre andere Kamera hingegen fehlte. Emma musste also losgezogen sein, um Bilder zu schießen und ich ahnte, wo ich sie finden würde. Ohne lange nachzudenken, nahm ich die Einwegkamera an mich und machte mich auf den Weg zu ihr.

Beruhigt stellte ich unterwegs fest, dass sich der Rest des Teams in der Küche tummelte, um zu Abend zu essen. Sicherlich hatte sich Emma unbemerkt zurückgezogen und war damit alleine am Meer. Schnell schnappte ich mir also zwei der Weinflaschen, die vor der Küche standen und sammelte zwei Pappbecher auf der Terrasse ein, ehe ich zum Strandabschnitt des Hauses lief.


Es war schrecklich klischeehaft und kitschig, wie Emma dort zusammengekauert im Sand saß und versuchte, den Sonnenuntergang bestmöglich einzufangen - und auch schrecklich schön.

Grinsend legte ich die Flaschen und Becher in den Sand, um durch die Einwegkamera zu sehen und den Moment festzuhalten. Erst das Blitzlicht machte Emma auf mich aufmerksam.

Erschrocken drehte sie sich zu mir um und fasste sich seufzend ans Herz. „Himmel, hast du mich erschreckt", murmelte sie, während ich mich im Sand niederließ. „Das Bild ist bestimmt nicht gut geworden. Der Blitz macht den Sonnenuntergang kaputt", merkte sie beiläufig an, ehe sie sich selbst wieder ihrer Kamera widmet.
Nach einer kurzen Weile ließ sie diese jedoch auch wieder frustriert sinken.

Big Tip || h.s. ✓Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum