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D A R C Y  H U G H E S

Die Stimme in meinem Kopf, die ich krampfhaft versucht hatte zu verdrängen, hatte recht behalten. Sie hat sich an die Oberfläche gekämpft und mich die Wahrheit sehen lassen. Mein geliebte Mutter lag nicht im selben Zimmer.

Sie liegt hier nicht. Nur mein Vater ist hier am Liegen. Ein grausamer Anblick, der sich vor mir erstreckt. An die verschiedensten Geräte ist er verbunden und hat die Augen geschlossen.

Dass ich sie jemals so sehen würde, habe ich mir niemals ausgemalt. Nie solch ein Szenario gehabt, wie es doch die meisten hatten. Für mich galt es immer, dass sie ein Leben lang bei mir bleiben würden.

An meiner Seite und mich niemals verlassen würden. Meine geliebten Eltern. Tränen fließen über meine Wangen. Der Schmerz in meiner Brust war kaum auszuhalten.

Als würde der psychische Schmerz nicht ausreichen, ist der Anblick meines Vaters ein absolutes Horrorgefühl für mich.

Da lag er also. Mit einem Beatmungstubus. Ein Schlauch, der wahrscheinlich in seinem Glied steckte und zu dem Beutel, gefüllt mit Urin, führte. Stück für Stück zerbricht meine heile Welt und zerfällt in Trümmer.

Das Piepen des EKGs wurde immer lauter in meinen Ohren. Eine Gänsehaut überrollte mich und ließ mich abrupt zusammenzucken. Ich will nicht mehr in diesem Zimmer sein. Schnellstmöglich drehe ich mich um und verlasse dieses Zimmer.

Neben der Tür stütze ich mich an dem Handlauf ab und versuche für einen Augenblick auf alles klar zu kommen.

Ein Schluchzer bahnt sich meinen Hals hinauf und zwängt mich somit auf meine Knie. Dass mein Vater nebenan halb Tod im Bett liegt, macht mich fertig.

Nein, dass alles konnte nicht wahr sein.

Ich lasse mich zu Boden gleiten, dennoch behalte ich meine Hände an dem Handlauf geklammert. Die Handläufe sind momentan mein einziger Halt.

Wieso...?⋘, Murmele ich schwach zu mir selbst. Wieso hatte Gott es zugelassen? Konnte er uns nicht in Ruhe lassen. Wir waren doch so glücklich. Dennoch hatte er es mit einem Schlag komplett zerstört. In Asche und Trümmer zerlegt.

Das alles wird mir zu viel, weshalb ich mich umdrehe, die Handläufe losließ und endlich mein Rücken an wie Wand lehnen kann.

Meine Beine zog ich an meine Brust, die Arme legte ich auf den Knien ab und versteckte mein Gesicht. Mein Kopf explodierte. Meine Wangen brennen wie Feuer und das Gefühl, jede Sekunde zu ersticken, frisst mich innerlich auf. ⋙Wieso, Gott?⋘, schluchze ich, doch mir ist nach schreien. Mir die Seele aus dem Leib schreien, um endlich zu mir zukommen.

Schluchzend ziehe ich die Beine näher an meine Brust. Das alles ist nicht wahr. Alles ist nur ein schlechter Albtraum, aus dem ich irgendwann voller Angst und Schrecken erwachen würde. Das alles ist nur ein böser Traum.

Das ist alles kein böser Traum. Wach auf! Das ist die knallharte Realität.

Da war schon wieder diese Stimme. Sie aus meinen Gedankengängen zu verbannen wäre unnötig.

Schritte hallten im Gang, weshalb ich mein Kopf anhebe und aufschaue. Eine Krankenschwester, die ihren Rundgang macht. Ich schniefe und wische mir die Tränen weg. Mein Kopf brummt lautstark. Meine Wangen fühlen sich unter meinen Fingern wie Feuer an.

Als mich die Krankenschwester entdeckt hat, kommt sie eiligen Schrittes auf mich zu. Jedoch ist mir nicht nach sprechen. Dennoch weiß ich, dass ich da durch muss. Ob ich will oder nicht.

Als die Krankenschwester vor mir zu stehen kommt, gleitet ihr Blick zu der geöffneten Tür, daraufhin wieder zurück zu mir. Ich seufze jedoch nur angestrengt und will meine Ruhe haben.

Masslose Besessenheit {Band 1}Where stories live. Discover now