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Eine Woche später
Negans Sicht

Ich lief in meinem Zimmer auf und ab. "Stimmt etwas nicht, Negan?", fragte mich einer meiner Leutnants. Mit einer abwertenden Handbewegung deutete ich ihm, dass er gehen sollte, doch bevor er den Raum verließ, drehte ich mich nochmal zu ihm. "Bring sie zu mir. Jetzt." Nickend verließ er mein Zimmer. Ich ging mir frustriert durch die Haare. Nochmal und nochmal. Dann räusperte ich mich, nahm Lucille und schlug nach der Luft. In meinen hektischen Bewegungen fiel ihre Kette aus meiner Jackentasche. Der rote Anhänger fiel und unter ihm bebte der Boden. Ich rieb mir die Stirn, schloss kurz die Augen und hockte mich runter, um die Kette wieder aufzuheben. Sofort schossen mir Erinnerungen durch den Kopf. Wie sie gelächelt hatte, als ich ihr diese Kette um den Hals gelegt hatte und wie sie mit mir getanzt hatte. Ihr Lachen. Alles gespielt. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Nein. Sie war nicht echt. Niemand war heutzutage echt. Ich schmiss den beschissenen Anhänger in die Ecke und trank schnell noch einen Schluck Scotch.

Die Tür öffnete sich und der sonst so perfekt strahlende Schein ihrerseits war komplett verschwunden. Tiefe, dunkle Augenringe zogen sich unter ihren Augen entlang und die gepflegten Haare lagen zerzaust auf ihrem Rücken. Die Kleidung dreckig und aufgeplatzte Lippen. "Lasst uns allein.", befahl ich meinen Männern und Simon schubste sie einige Schritte vorwärts. Anschließend schloss er hinter sich die Tür. Sie sagte nichts. Stand da wie angewurzelt. Die Hände vorne zusammengebunden. "Ist das wirklich notwendig?" "Sei still!", zischte ich und ließ meinen Blick von ihr ab. Sie verstummte sofort. Wir beide sprachen eine kleine Weile kein Wort. "Deine Typen. Sie haben mir von den Patriots erzählt." "Das sind nicht meine Typen! Was haben sie dir erzählt?" "Sie haben mir von einer Athena erzählt, die sich die letzten sechs Jahre ihren Arsch auf gutem Leder in Büchern vertieft hat. Sie haben mir auch erzählt, dass du früher eine Schauspielerin warst und dein Job dein Leben ist. Und das ich nicht der Erste war, den du verarscht hast.", sie wollte gerade ansetzen, mir zu widersprechen aber ich winkte ab und sprach weiter, "Aber das ist relativ. Ich will, dass du mir von deinem Zuhause erzählst." "In welcher Weise hilft mir das aus dieser Situation? Du wirst mir nicht glauben.", war alles was sie zuerst sagte. Als ich ihre Aussage komplett ignorierte und mir nur ein weiteres Glas Scotch eingoss, fing sie schließlich doch an richtig zu reden.
"Nachdem die Krankheit ausgebrochen war, bin ich mit einem Kollegen durch die Welt gezogen und wir haben irgendwie überlebt. Irgendwann hat uns ein Mann mitten im Nirgendwo gefunden und uns zu seiner Gemeinschaft gebracht. Den Patriots. Anfangs fand ich den Namen lächerlich, doch es war ein netter, friedlicher Ort und er machte nach einer Weile seinem Namen alle Ehre. Unser Anführer, Christian, er leitete den Ort. Es ist ein großes Industriegebiet mit großen Lagern und vielen Vorräten. Christian bot mir an, in seinem persönlichen Unterschlupf zu leben, wo nur seine engsten Vertrauten und fleißigsten Leute lebten, dabei kannte er mich nicht einmal gut. Ich fragte ihn damals, wieso? Er antwortete, er habe etwas in meinen Augen gesehen und eines Tages würden meine "Fähigkeiten" ihm von großen Nutzen sein. Also lebte ich bei ihm. Wir hatten nie viel miteinander zutun, doch nachdem drei Jahre vergangen waren, stand er plötzlich in meiner Tür und sagte mir, dass jetzt die Zeit gekommen war. Er wollte mich wegschicken, um für ihn zu arbeiten. Er wies mich in seine geheime Arbeit ein. Er infiltriert Gemeinschaften mit Potenzial, beseitigt die tyrannischen Anführer und fängt die unterdrückten Menschen auf, die immer mit Freuden ein Teil der Patriots wurden. Und nun sollte ich meinen Beitrag leisten und eine solche Gemeinschaft infiltrieren. Er sagte mir, ein junger Mann leitet diese Gemeinschaft und ich sollte nur ein paar Informationen über ihn sammeln. Und ich tat es. Ich setzte eine Maske auf und wurde Teil einer anderen Gemeinschaft. Schnell erkannte ich, wie schlecht es den Menschen ging und so schnell wie ich in diese neue Gemeinschaft aufgenommen wurde, so schnell hatte ich sie wieder verlassen. Christian tötete ihn über Nacht. Ich hatte ihn auf hinteren Wegen in die Gemeinschaft gebracht. Die Leute jubelten und fielen Christian um den Hals, dabei hatte ich die eigentliche Arbeit gemacht. Alles, was ich bekam, war ein Schulterklopfer unseres Anführers und eine schönere Unterkunft. Nicht viele Leute redeten über mich aber die, die es tat, nannten mich Aphrodite aus der Hölle und fanden es lustig. Ich sagte Christian, dass ich das nie wieder tun wollte und er stimmte mir zu. Ich dachte ich würde mein Leben also friedlich allein bei den Patriots leben aber vor einigen Monaten stand Christian wieder vor meiner Tür. Mit einem Funkgerät in der Hand."
Ich verschluckte mich, unterdrückte den Reflex jedoch und schlug das Glas auf den Tisch. Ich sah sie nicht an, hatte ihr meinen Rücken zugedreht. Ich fing an zu lachen.

Athenas Sicht

Er lachte. Seine ungewöhnlich wüsten Haare lagen leicht ungebändigt zur Seite.
"Negan.", mein Herz tat weh, er verstand es nicht, "Ich habe abgelehnt, hatte mich auf sein Versprechen berufen, doch er sagte mir kalt ins Gesicht, dass ich meinen Beitrag zu leisten habe und dass wenn ich mich weigere, er mich töten würde. Er sagte mir auch, dass es nicht so schwer sein würde. Dass ich dir gefallen würde und dass ich schnell herausfinden würde, wie ich mich zu verhalten hätte, um an all deine Geheimnisse zu kommen. Er sagte mir auch, dass du ein schlechter Mensch und ein Arschloch mit Gottkomplex seist. Und wenn ich meinen Auftrag zu seiner Zufriedenheit ausführen würde, ich einen Platz unter den Privilegierten bekommen würde. Ich hatte also keine Wahl. Ich wollte nicht sterben! Außerdem-"
"Warum waren meine Männer im Wald, Athena?" Seine Stimme war tief und hinterfragend. Es war eine Fangfrage. Ich atmete tief durch, nahm meinen Mut zusammen und schaute zu ihm. "Ich wusste, dass die Patriots im Wald waren, ich hatte sie dorthin geschickt um dich und Simon mitzunehmen. Aber ich hatte nie vor, dich auszuliefern. Deswegen waren unsere Männer dort. Ich habe sie unterwiesen im Wald Stellung zu nehmen und auf mein Zeichen zu warten. Ich bin mit einem Auftrag und einer Lüge zu dir gekommen, ja. Aber ich habe mich geändert. Du hast mich verändert. Du bist mein Anführer Negan. Nicht er. Und ich würde dich niemals verraten! Niemals!"
Negan stand da. Er beobachtete jede meiner Bewegungen. Er lehnte an einem Schrank, die Hände jeweils neben ihm am Schrank abgestützt. Er deutete mir, zu sich zu kommen. Langsam ging ich zu ihm und blieb ein paar Zentimeter vor ihm stehen. "Näher.", sprach er tief und eindringlich. Ich kam ihn so nah ich konnte, bis meine vor meinem Körper gefesselten Hände gegen seinen Oberkörper stießen. "Sieh mich an." Meine rot unterlaufenden Augen trafen auf seine. Er richtete sich richtig auf und legte eine Hand an meine Wange. Ich atmete zittrig aus. Ich hatte eigentlich keine Angst vor ihm, doch jetzt fuhr mir eine eiskalte Gänsehaut über den Körper. Er starrte mir direkt in die Seele und ich sah nur noch ihn. Und dann spürte ich ihn. Seine Lippen drückten sich auf meine Lippen. Die Spannung in meinem Körper löste sich etwas. Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl unter seinem angestrengten, sanften Kuss. Nur leider blieb es bei diesem einen langen Kuss. Er löste sich, sah mir wieder in die Augen, strich mir eine Strähne hinters Ohr und flüsterte. "Ich habe all ihre Mauern niedergerissen, Liebes. Und das ist deine Schuld."

Butterflies From Hell || TWD NeganWhere stories live. Discover now