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Naomi

Die schwüle Abendluft fliegt mir um die Ohren, als ich die Wohnung der McJanne's verlasse.

Sophie ist einfach zu händeln, ich denke, das ist leicht verdientes Geld. So gehen Mum und Dad mir nicht mehr ewig auf den Keks, dass ich später nicht genug Geld habe.

Was sie allerdings nicht wissen: Ich möchte gar nicht studieren. Studieren ist ätzend und langweilig.

Ich hasse die Schule ja jetzt schon, wie soll ich nach dem Abi noch weitere Jahre in Vorlesungen sitzen? Zudem würden meine Noten das nicht mitmachen. 

Mein Fahrrad steht an der Hauswand gelehnt und kocht in der Sonne vor sich hin. Ich hoffe wirklich, dass es bald kühler wird.

Ich fühle mich total unwohl in der kurzen Hose, die Mum mir immer andreht, weil es für sie entschieden zu warm für eine lange Hose ist. Für mich hat Kleidung keine Wettervorschriften. Ich finde es nicht wärmer oder kühler in kurzen oder langen Hosen. In langen Hosen kleben die Beine nicht aneinander und man fühlt sich wohl, dass sind die einzigen Unterschiede. 

Als ich nach Hause komme, ist Dad im Wohnzimmer vor dem Fernseher eingeschlafen und Mum arbeitet im Bürozimmer.

So ist es immer, entweder Dad arbeitet bis spät in die Nacht und Mum schläft viel zu früh ein, oder es ist andersherum. Und wenn ich viel zu früh sage, dann meine ich das auch. Es ist gerade einmal halb sieben. 

“Mum?”, ich klopfe vorsichtig an der Bürozimmertür. Mum dreht sich auf ihrem Schreibtischstuhl um und lächelt müde. Sie ist total blass und dunkle Ringe umrahmen ihre trotzdem noch schön geschminkten Augen. 

“Wie geht's dir, wie war dein erster Arbeitstag?”, fragt sie. 

“Ganz gut, die kleine Sophie ist nett.”, entgegne ich. 

“Kannst du auch gut mit ihr umgehen? Jetzt kannst du es mal üben, für später.”, sie hebt auf ihre typisch strenge Art die Brauen. 

“Mum, ich habe dir doch gesagt, dass ich noch nicht sicher bin, ob ich überhaupt Kinder möchte.”, murmele ich. Das Thema hatten wir schon zu oft. Aber Mum ist der Meinung, ich könne das in dem jungen Alter noch nicht beurteilen.

Das mag sein, aber warum erzählt sie dann immer, dass sie schon mit zehn Jahren wusste, dass sie ihre Tochter später Naomi nennen möchte? 

“Ja ja, ist ja schon gut. Das wird sich schon noch ändern, wenn du erstmal einen Freund hast.”, sie dreht sich wieder um und tippt etwas auf ihrem Laptop. 

“Kein Mann kann”-

“Mir vorschreiben, ob ich Kinder will oder nicht, ich weiß, mein Schatz.”, beendet sie meinen Satz. Das Thema hatten wir entschieden zu oft, aber es kommt einfach immer wieder auf, wenn wir miteinander sprechen.

Mum kann es einfach nicht lassen, mich auf meine Zukunft anzusprechen. Zu gern würde ich ihr sagen, dass ich eigentlich ganz andere Pläne habe.

Nur leider habe ich Angst, dass sie meinen Traum dann schon im Keim erstickt. Darin ist sie nämlich ziemlich gut. 

“Dann gute Nacht, Mum. Ich habe keine Lust, zu diskutieren.”, murmele ich. 

“Schlaf gut, und denk dran, noch deine Hausaufgaben zu machen!”, der strenge Ton ist zurück. Ich seufze, aber mache “Mhmh” und nicke, was sie aber nicht sieht, weil sie längst schon wieder in ihre Arbeit versunken ist. 

Ich gehe in die Küche und mache mir Instantnudeln, weil ich keinen Hunger auf die Suppe habe, die Mum gekocht hat. Dann verschwinde ich in meinem Zimmer und lasse mich auf mein Bett fallen.

Wenigstens hat Mum jetzt eine Sache weniger, für die sie mich anmeckern kann. Ich habe jetzt einen Nebenjob, und zwar den, den sie sich immer für mich gewünscht hat. Ist doch mega, oder? Ich seufze erschöpft. Das wird schon alles. 

Ich zücke mein Handy und gehe auf Instagram.

Als erstes poppt ein Bild auf meiner Timeline auf, dass meine Freunde Nora, Mac und Jolene zeigt.

Nora und Jolene werfen im Wasser ihre langen Haare nach hinten und Mac schiebt sich eine Pommes in den Mund und grinst dabei sein typisches Mac-Grinsen.

Ich frage mich, wer das Foto gemacht hat. Wahrscheinlich Macs neue Freundin. Sie heißt Eve und ist seit ein paar Monaten 24/7 bei Mac. Sie waren wohl heute am See.

Ich denke, ich kann verkraften, dass sie ohne mich dort waren, Immerhin habe ich dreißig Euro mehr verdient als sie. 

Ich schließe Instagram direkt wieder und lasse meinen Kopf  in mein Kissen fallen.

Es ist komplett still, man hört nur ein paar Vögel draußen zwitschern. Ich schließe die Augen und genieße die Ruhe einen Moment lang. 

  

High enough to fall for you✓On viuen les histories. Descobreix ara