Dad ist tot

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10 Jahre zuvor:

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10 Jahre zuvor:

Die Sonne war gerade dabei unter zu gehen

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Die Sonne war gerade dabei unter zu gehen. Ich beobachtete sie dabei, wie sie den Himmel in ein feuerrotes Rot eintauchte und langsam immer kleiner wurde. Dad saß auf der Picknickdecke zu meiner rechten, an einem Glas frischer Limonade nippend.

Wir hatten heute in der Schule im Ethikunterricht  über das Thema Religion, insbesondere Christentum, gesprochen. Dabei war es zu einem Streit zwischen Ashley und Betty gekommen, weil Betty Ashleys Überzeugung, dass es einen Gott gibt als Schwachsinn bezeichnet hatte.

Ich fand das gemein. Bloß, weil Ashley keine eindeutigen Beweise dafür geben konnte, dass es einen Gott gab, hieß es doch nicht, dass sie falsch lag.

Natürlich hatte ich tausende Male zum Himmel geblickt, hatte nach Anhaltspunkten dafür gesucht, dass es das Himmelstor, das ewige Reich, die Engel, Jesus, den lieben Gott, wirklich gab.

Dies hatte sich leider als vergebens herausgestellt. Ich hatte keines dieser Dinger im großen, riesigen Himmel entdecken können.

Aber vielleicht lag es daran, dass wir Menschen viel zu weit weg von Gott lebten und deshalb nur Wolken, die Sonne den Mond und die Sterne sehen konnten.

Vielleicht legte ja die Seele tausende von Kilometern hinter sich, bis sie endlich bei Gott ankam.

Oder vielleicht war es ja möglich, mit dem passenden Teleskop das Himmelreich zu erblicken. Die Planeten wie Pluto, Merkur und Venus sah man ja schließlich auch nicht mit dem bloßem Augen und trotzdem zweifelte keiner an deren Existenz, nachdem sie durch Galileos für die Menschen sichtbar gemacht wurden.

,,Ich kann sehen, dass dich etwas beschäftigt, mein Schatz. An was denkst du gerade?''

Dad ließ von seiner Limonade ab und setzte mich auf seinen Schoss.

,,Darf ich dich etwas fragen, Dad?''

Ich wollte ihn an meinen Gedanken teilhaben lassen. Also entschied ich mich dazu, ihm die Frage zu stellen die mir brennend auf der Zunge war.

,,Alles was du willst, meine Prinzessin'', versicherte er mir.

Dad war klug. Ganz bestimmt war er in der Lage mir auf diese Frage eine Antwort zu geben.

,,Gibt es einen Gott?''

,,Ich weiß es nicht, mein Schatz.''

Warum wollte er es mir nicht verraten?

Das war nicht fair.

,,Komm schon Dad, verrat es mir.''

Er lächelte mich entschuldigend an, als ich ihn enttäuscht anblickte.

,,Ich würde es dir verraten, wenn ich könnte, mein Schatz. Ich weiß es leider genauso wenig wie jeder andere Mensch auf dieser Welt.''

Das war nicht wahr. Tante Sue und auch Ashley schienen sich sicher zu sein zu wissen, dass es einen Gott gab.

Sie gingen jeden Sonntag zusammen mit ihren Familien doch zur Kirche zum Gottesdienst und redete ständig vom Heiligen Vater, seinem Sohn und dem heiligen Geist, die angeblich alle Gott bloß in einer anderen Form waren.

,,Das stimmt nicht. Tante Sue zum Beispiel weiß aber, dass es einen Gott gibt.''

,,Nein, Tante Sue hat bloß den starken Glauben, dass es einen Gott gibt. Und das ist auch eine tolle Sache. An etwas zu glauben von dem man nicht mal weiß, ob es wirklich existiert, sich mit seinen eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Sich dessen bewusst sein, was man fühlt und nicht was der rationale Verstand einem sagt.''

Aber war nicht Jesus Leben Beweis genug dafür, dass es Gott wirklich gab?

Und was war er, wenn Gott nicht mit dem rationalen Verstand zu finden war?

,,Was ist mit Jesus?''

,,Oh, das ist eine sehr gute Frage. Er ist ein sehr kluger Mann, ohne Frage. Er hat sehr viele weise Dinge gesagt.''

,,Ist er Gott?''

Ein grüblerischer Gesichtsausdruck nahm wieder Dads Gesicht ein und ich wusste, dass er diese Frage abermals mit ,,Ich weiß es nicht'' beantworten würde.

,,Ich weiß es nicht. Ich habe dazu schon eine Meinung. Aber das ist meine Meinung. Du kannst eine ganz eigene haben, mein Schatz. Warum sollte ich also deine Meinung durch meine eigene zerstören? Benutz deinen eigenen Verstand, Selina und habe keine Angst davor, an Dinge zu glauben, die du vielleicht nicht sehen kannst. Versuch selbst herauszufinden, an was du glaubst, ob es einen Gott gibt, ob Jesus Gott ist.'' Ich verstand nicht, warum ich diese Fragen alle selbst beatworten sollte und hätte am liebsten gequengelt ,,Sind Erwachsene nicht dazu da, ihren Kindern die Welt zu erklären?''

Doch ich entschied mich dazu leise zu bleiben und seinen Rat zu befolgen. Dad war wie gesagt ein kluger Mann und ich vertraute darauf, dass er mir die richtigen Denkanstöße fürs Leben gab.

,,Lebe ein erfülltes Leben. Lebe es in vollen Zügen, sei wann immer du kannst glücklich. Hab keine Angst vor dem Scheitern oder dich zu blamieren und stehe wieder auf, wenn du fällst. Denk nicht zu viel darüber nach, was andere Leute von dir halten und verbringe deine Zeit mit denen, die sie verdient haben. Stelle dir Fragen, die du gerade nicht beantworten kannst und versuch trotzdem nach der Antwort zu suchen. Lass keinen Tag vergehen, ohne etwas Neues dazugelernt zu haben.'' Gerade als er zu einer kurzen Pause ansetzte, ging die Sonne vollständig am Himmel unter. Das Einzige, was von ihr noch übrig war, war nur ein roter Strich, der mit der Zeit immer kleiner und blasser wurde. Vielleicht. war es mit uns Menschen auch so. Vielleicht würden die Spuren, die von unserer Existenz zeugten, irgendwann vollständig verblassen. Doch das hieß nicht, dass wir nicht existiert hatten. Doch keiner würde von unserer Existenz wissen, wenn er uns nicht gekannt hatte. Da wir als lebende nicht wussten, was uns nach dem Tod erwartete, konnte wir nicht sagen, ob es Gott und sein Himmelreich auf die Weise gab, wie wir uns sie vorstellten. ,,Erkunde die Welt. Sonnenuntergänge sind das schönste Naturschauspiel der Welt. Reise und beobachte ihn jeden Abend von einem anderen Erdteil der Welt und du wirst erkennen, dass er dir jedes Mal aufs Neue einzigartig erscheinen wird.''

Band 1 der Living Reihe - Living Next Door ✔️Where stories live. Discover now