𝐭𝐰𝐞𝐥𝐯𝐞

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Ob es die schlauste Idee war, soetwas zu Harry zu sagen? Vermutlich nicht, nein.

Ob ich es bereue? Vermutlich auch nicht.

Seit Monaten denkt der Kerl, ihm gehört die Welt und er kann tun und lassen, was er will.
Aber so läuft das nun mal nicht.

Er hat sich so oft über mich lustig gemacht, dumme Sprüche gerissen oder mir die ein oder andere Verletzung zugefügt. Nie habe ich mich gewehrt.

Kaum sage ich mal etwas, komme ich mit einem blauen Auge und einer blutigen Nase davon.

Klar, ist es nicht das erste mal, dass er handgreiflich geworden ist, aber so schlimm, war es dann doch nie. Ich bin selbst ein bisschen überrascht gewesen.

Auf dem Nachhauseweg habe ich die ganze Zeit überlegt, was ich meiner Mutter erzähle, schließlich ist sie nicht blöd.

Ich habe ihr gesagt, es war ein Fussball-Unfall. Sie hat zwar etwas skeptisch ausgesehen, hat es aber damit gut sein lassen. So ganz gelogen ist es ja nicht mal.

Seuftzend betrachte ich mein Gesicht erneut im Spiegel und atme tief durch. Ich schüttele leicht den Kopf und lasse mich in mein Bett fallen. Gut, dass ich doch dort schon duschen war. Ich möchte nämlich einfach nur noch schlafen.

Ich kuschele mich ein, ziehe die Decke bis unters Kinn und schalte den Fernseher ein.
Irgendein Liebesfilm läuft, aber das interessiert mich recht herzlich wenig.

Blöde Liebe. Existiert sowieso nicht.

Es dauert kaum zehn Minuten bis ich einschlafe, so erschöpft bin ich. Dabei ist es gerade mal kurz nach acht.

Als ich das nächste Mal aufwache, ist mein kompletter Hals trocken, weshalb ich erstmal zu meiner Wasserflasche auf dem Nachtschrank greife und den Rest leer trinke.

Seuftzend strecke ich mich kurz und zucke unwillkürlich zusammen. Mir tut alles weh, fuck. Blöder Harry. Er hat mich beim Trainig bis zum äußersten getrieben und das bekomme ich jetzt zu spüren.

Ich kneife die Augen leicht zusammen, als ein helles Licht durch mein Fenster scheint. Klasse, das Rollo hätte ich auch echt mal runter machen können.

Mein Blick fällt auf meinen Wecker. Es ist nach drei. 3:36 Uhr, um genau zu sein.
Ich bewege meinen Kopf ein paar mal in alle Richtungen und er knackt bei jedem mal.

So schnell ich kann, rappele ich mich auf und klettere zum Ende meines Bettes, um das Rollo runter zu lassen, als ich leicht erschrocken zusammen zucke.

Das Licht kommt aus Harry's Zimmer.

Unsere Häuser stehen nicht dicht an dicht, aber doch nah genug, um einen Blick in das Zimmer des jeweils anderen werfen zu können.

Harry scheint mich zu bemerken, denn er steht von seinem Schreibtisch auf und kommt zum Fenster gelaufen, um mich ebenfalls anzusehen. Fast automatisch gehe ich einen Schritt zurück, seuftze dann aber über meine eigene Dummheit und gehe zurück ans Glas, um ihn anzusehen.

Warum zum Teufel ist er noch wach? Es ist nach drei und morgen ist Schule.

Ich fühle mich gerade wie in einem Horrorfilm, wo der Killer sein Opfer beobachtet, bevor er zuschlägt.

Schnell lasse ich den Rollladen runter, ohne Harry noch einen Blick zu würdigen und verkrieche mich zurück unter meine Bettdecke.

Keine Sekunde später kommt eine Nachricht auf meinem Handy rein und ich zucke erschrocken zusammen, als es vibriert. Gott, manchmal bin ich echt ein Weichei.

Unbekannt:
Wieso bist du noch wach?

Woher hat er meine Nummer?

Ich:
Könnte ich dich genauso fragen.

Idiot von Nebenan:
Ich konnte nicht schlafen, also sitze ich an den Hausaufgaben. Und du?

Seit wann macht der seine Hausaufgaben denn selber? Bullshit.

Ich:
Habe Muskelkater bis zum geht nicht mehr.

Idiot von Nebenan:
Oh

Ja, Oh. Blödmann. Das hast du doch mit Absicht gemacht. Kurzerhand lege ich mein Handy wieder auf den Nachttisch und drehe mich weg. Ich werde einfach nicht schlau aus dem Typen. Vor ein paar Stunden haut er mir vollekanne eine rein und jetzt fragt er, wieso ich nicht am schlafen bin.

Ich verdrehe die Augen bei dem Gedanken an ihn und schlafe letztendlich doch wieder ein. Gottseidank.

Am nächsten Morgen mache ich mich schnellen Schrittes auf den Weg zur Schule. Ich will unbedingt verhindern, dass ich Harry über den Weg laufe. Zwischenzeitlich stopfe ich mir ein Brot in den Mund und eile dann weiter.

Von Harry ist aber keine Spur weit und breit. Und Donnerstag auch nicht.

Ob er krank ist? Oder einfach nur zu faul, um beim Unterricht zu erscheinen? Wahrscheinlich letzteres. Einige Lehrer haben mich schon gebeten, ihm die Hausaufgaben vorbeizubringen, aber ich habe dankend abgelehnt. Ich sagte doch, ich mache nichts mehr für diesen Typen und nach dem Vorfall vor zwei Tagen erst recht nicht mehr.

Um ehrlich zu sein, habe ich schon ein bisschen ein schlechtes gewissen. Aber auch nur ein bisschen. Schließlich macht er auch ständig Witze auf meine Kosten und es interessiert ihn nicht die Bohne.

Seuftzend schleppe ich mich zum Spanisch Unterricht und setze mich neben Liam. Ich habe ihn gestern nirgends gesehen, weshalb ich ihm jetzt eine kleine Schachtel mit Schokoladen-Bonbons hinlege.

Grinsend zieht er eine Augenbraue nach oben. „Was soll das werden? Willst du beim Test bei mir abschreiben und das ist deine Bestechung?"

Meine Augen werden groß und ich sehe ihn an. „Wir schreiben einen Test?"

Er lacht auf und schüttelt den Kopf. „Ich wollte dich nur verarschen. Also womit habe ich die verdient?" fragt er und schenkt mir ein lächeln.

Ich zucke leicht mit den Schultern. „Weil du mich beim letzten Training in Schutz genommen hast. Vermutlich hätte Harry sonst weiter auf mich eingeprügelt. Ich meine du hättest mich auch einfach festhalten können, sodass er besser zuschlagen kann. Oder du hättest auch einfach direkt mitmachen können. Hast du aber nicht. Und dabei ist Harry dein bester Freund und nicht ich." ich sehe wieder nach vorne, doch Liam dreht meinen Kopf zu sich.

„Louis, das ist selbstverständlich. Klar, ist er mein bester Freund. Aber das ging zu weit. Selbst für seine Verhältnisse. Er musste einfach wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommen, mach dir keinen Kopf." er öffnet die Schachtel und schnappt sich ein Bonbon. „Die behalte ich aber trotzdem. Vielen Dank." grinst er und hält mir fragend die Schachtel hin, woraufhin ich dankend eine nehme.

plastic hearts [L.S.]Where stories live. Discover now