KAPITEL 22| Gabe

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Gabriel 'Gabe' Parker
Zwischen den Welten, Alaska
30. Januar

Der Schnee hatte sich gelegt und endlich hatte ich es geschafft die Antenne halbwegs zu reparieren. Auch wenn ich dafür einige andere Aufgaben vernachlässigte. Wie in einem Tunnelblick musste ich das Funkgerät zum laufen kriegen. Mehr hatte in meinem Kopf nicht Platz. In Rekordzeit war ich von der Antenne zur Hütte gerannt, um wirklich zu testen, ob meine provisorische Reparatur der abgebrochenen Antenne half. 
Schon als ich in die Hütte kam hörte ich das Funkgerät. Das undurchdringbare Rauschen war zu einem sanfteren Rauschen verklungen. Enttäuscht starrte ich das Funkgerät an, als könnte es etwas dafür, dass es nicht funktionierte. 
Mit einem tiefen Seufzen ließ ich mich auf den Stuhl davor sinken und vergrub mein Gesicht in den Fingern. Die letzten paar Tage hatte ich mir selbst eingeredet, dass ich nur wissen wollte, wer mich anfunkte. Aber das war eine Lüge. Ich wollte das sie mich anfunkte. Und ich war mir mittlerweile sicher das ich wollte, dass sie mich bat zu ihr zu kommen. Ich hätte es sofort getan. Ich hätte meine drei Sachen geschnappt, den Pferden genügend Nahrung bereitgestellt und wäre mit Rufus losgegangen. In, mehr oder weniger, vier Tagen konnte ich in der Stadt sein. Ich könnte in einer Woche bei ihr sein. 
Und dann? Ich hatte es ausprobiert in der echten Welt zu leben. Es hatte nicht sonderlich gut geklappt. Davon konnte gerade meine Familie ein Lied singen. Ich war kein guter Mensch und doch hatte sie mir gesagt, dass sie mich liebte. Ich war egoistisch genug, um sie an mich binden zu wollen. Ich wollte das sie zu mir gehörte und jeder das wusste. Doch ich wollte ihr keine mitleidigen Blicke aufbürden. Sie würden sich alle fragen, was jemand wie sie mit jemandem wie mir anfangen wollte. Selbst ich stellte mir die Frage. Doch es war mir egal. Denn ich wollte sie. Und wenn sie nicht herkam, dann gab es nur die eine Lösung, die mir solche Angst machte. 
"Parker?" Ich riss den Kopf hoch. Schockiert starrte ich das Funkgerät an. Perplex starrte ich es an, reagierte aber nicht, als mein Name ein zweites Mal genannt wurde. "Parker, sind sie da?" 
Langsam erwachte ich, griff nach dem Mikro und drückte den alten, grauen Knopf. "Parker hört." Sagte ich fest und hatte nicht damit gerechnet, dass überhaupt etwas über meine Lippen kam. "Parker?" Wieder mein Name und ich nickte dummerweise. "Hier spricht Sadie Matthews aus der Zentrale in Lowell Point." Stellte die gesichtslose weibliche Stimme sich vor. "Ich versuche seit Tagen sie zu erreichen, Mr. Parker." Ich nickte. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, meine Ohren klingelten und meine Lunge brannte. Mir tat alles weh. 
"Ich habe eine Nachricht für Sie." Führte sie fort. "Mr. Parker?" Ich war so versunken in ihren Worten, dass ich nicht mehr reagiert hatte. "Ich bin hier. Was ist das für eine Nachricht?" Wollte ich wissen und wartete gespannt auf ihre nächsten Worte. "Zunächst muss ich wissen, ob es Ihnen gut geht. Mir wurde gesagt, Sie sind verletzt worden?" Fragte sie mich und ich schnaubte. Wenn interessierte das denn? 
"Mir geht es gut." Erklärte ich. "Was ist mit ihren Vorräten? Uns bleibt ein kleines Fenster in der Wetterfront." Sie wollte mir weitere Vorräte abwerfen?
"Mir geht es gut. Was ist das für eine Nachricht?" Fragte ich ungeduldig. Ich wollte nicht über solche Belanglosigkeiten sprechen. Nicht wenn ich vielleicht schon heute aufbrechen würde. Nur ein Wort von Sky und ich würde sofort gehen. Nur ein Wort.
"Schon gut, schon gut." Sagte Sadie und ich holte tief Luft. "Die Nachricht ist mir von State Trooper Silver übermittelt worden und kommt von einer..." Sie hielt kurz inne. Innerlich schrie ich auf. Schrieb sie in ihrer Freizeit Krimis? Den Spannungsbogen hatte sie jedenfalls mehr als raus. "... von einer Aubrey Baker." Ich erstarrte. Die Nachricht war nicht von Sky. Doch von ihrer Schwester? Damit hatte ich nicht gerechnet. War Sky etwas passiert? Scheiße! 
"Ja?" Hakte ich nach, wollte endlich hören, was diese verdammte Nachricht war. "Die Nachricht lautet wie folg:..." Gespannt starrte ich das Funkgerät an. Ich hielt die Luft an, als würde jeder Atemzug den Empfang stören. Sadie räusperte sich, bevor sie - ENDLICH! - begann die Nachricht abzulesen. "Parker, wenn da auch nur irgendetwas ist, dass sie für Sky empfinden, dann hören Sie auf in ihrem beschissenen Selbstmitleid zu suhlen und bewegen Sie ihren Arsch zurück in die Zivilisation." Las sie vor und ich lächelte sanft. Nein, das klang wirklich gar nicht nach Sky. 
"Sky braucht Sie. Und glauben Sie mir es gibt da etwas, dass sie dringend von Sky hören sollten." Redete Sadie weiter. "Wenn Sie in der Stadt sind melden Sie sich bei State Trooper Norman Silver. Er wird Ihnen helfen!" Ich nickte. Brannte mir den Namen in meinem Kopf ein. Aubrey wollte das ich zu Sky kam. Sie wollte das ich zu ihr kam. Dies war mein Zeichen. Das Zeichen, das ich hatte hören wollen. Und doch bewegte ich mich keinen Millimeter.
"Parker?" Hörte ich Sadie. Sie hatte meinen Namen ein paar Mal gesagt, doch ich hatte nicht reagiert. Doch in meinem Kopf herrschte Funkstille und absolutes Chaos gleichzeitig. 
"Haben Sie die Nachricht verstanden, Parker? Oder soll ich sie wiederholen?" Fragte Sadie wieder. "Ich habe alles verstanden. Danke, Sadie." Erklärte ich. Doch langsam bildete sich ein Plan in meinem Kopf. 
"Sadie?" Fragte ich. "Ja?" Ich holte tief Luft. "Wie lange ist das Fenster? Kündigt sich eine kaltwetterfront an?" Fragte ich. Ich würde keine drei Tage da draußen überleben, wenn ein Schneesturm unterwegs war. "Das Wetter ist unberechenbar. Ich sehe auf dem Radar maximal sechs Stunden. Danach kommt von oben wieder ein ziemliches Unwetter." Ich nickte. Sechs Stunden? In Sechs Stunden war ich nicht sehr weit gekommen. "Wie sieht es mit der Kachemak Bay aus?" Wollte ich wissen. Es war meine letzte Idee.
"Das ist Irrsinn, Parker." Rief Sadie, als würde ich das nicht wissen. "Geben Sie mir eine halbe Stunde ich werde die Daten überprüfen. Gehen Sie nicht los ohne meine Rückmeldung! Verstehen Sie das Parker?" Ja ich verstand. Doch das befolgen von Befehlen hatte mich im Leben schon eine ganze Menge gekostet. Und ich wusste nicht, ob ich bereit war auch diesen Preis zu zahlen.

Freezin' Soul ( Freezin' 2)Where stories live. Discover now