KAPITEL 1| Sky

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Skyler 'Sky' Baker
Down to Reality, Seattle
15. Januar

Aby starrte den Arzt an, der nun schon zum vierten mal wiederholt hatte, was er nun noch einmal sagte. "Der Test war positiv." Vier einfache Wörter.
Meine Schwester wandte mir ihren Blick zu und starrte mich lange an. Seit wir in Seattle waren hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Nicht wirklich jedenfalls. Ich hatte seit einer Woche, seit wir aus dem Flugzeug gestiegen waren kaum das Haus verlassen. Doch Aby hatte darauf bestanden, dass ich mich nochmal durchchecken ließ.
"Sky?" Begann sie leise und ungläubig. "Ich gebe Ihnen einen Moment." Sagte der junge Arzt. Normalerweise hätte Aby ihn direkt angebaggert, doch heute hatte sie das nicht getan. Sie scharwenzelte seit einer Weile um mich herum. Ich wusste sie machte sich Sorgen. Gerade weil ich nicht mit ihr sprach. 
Langsam ließ sie sich neben mir auf der Liege nieder. Auf ihrem Gesicht dieser Ausdruck. Sie verstand es nicht. Sie dachte das hier wäre meine Art mit einem Trauma umzugehen. ich würde Albträume haben, wegen des Absturzes. Doch noch immer erinnerte ich mich nicht daran. Ich wusste nur noch wie ich aufgewacht war. Und dann war da noch Gabe.
Genau das verstand sie nicht. Ich trauerte nicht wegen eines Traumas. Ich verarbeitete nicht das ich abgestürzt war. Ich vermisste ihn. Ich vermisste Gabe. Rufus. Alaska.
"Hat er dich angefasst?" Fragte sie nach einer Weile des Schweigens. Sie hatte vor ein paar Tagen die Samthandschuhe abgelegt und kam nun direkt zum Punkt. So kannte ich sie. 
"Er hat nichts getan was ich nicht wollte." Stellte ich sofort klar. Sie nickte, doch sie glaubte mir nicht. Ich konnte nicht verstehen, warum in ihrer Vorstellung ausgerechnet Gabe der Böse war. 
Immerhin hatte er mich gerettet. 
"Sky..." Begann sie leise, als wolle sie mir die Wahrheit entlocken. Doch es gab keine andere Wahrheit. "Es kann so nicht weitergehen. Ich weiß es ist noch nicht lange her. Aber du musste darüber reden." Leise seufzte ich.
"Aby, bitte." Bat ich leise. Ich wollte diese Diskussion nicht nochmal führen. Ich fühlte mich schlecht. Vorher hatte ich immer mit Aby gesprochen. Über alles. Doch ich wusste nicht warum, aber ich war nicht bereit mit ihr über Alaska zu sprechen. Ich hatte Angst, wenn ich es tat, würde es Real werden und wenn es das war, so hatte ich Gabe wirklich zurückgelassen. Und am schlimmsten: Ich hatte auch den wichtigsten Teil von mir selbst verloren. Mein Herz. 
"Lass uns gehen." Schlug ich vor, erhob mich, schnappte meine Jacke, zog sie über und ignorierte Aby. Ich wollte einfach nur nach Hause.
"Sky, wir müssen darüber reden." Ich hasste diesen Satz. Es gab nur einen Menschen mit dem ich reden wollte. "Wir müssen gar nichts." Rief ich und war über die Lautstärke und die plötzliche Wut selbst überrascht. "Ich will einfach nur nach Hause." Erklärte ich und wusste nicht ob ich das kalte, kahle Zimmer meinte in dem ich mich so alleine fühlte, wie noch nie zuvor. 
Es war als wäre dieses ganze Leben, mein altes Leben, mir zu eng geworden. Oder vielleicht war ich auch einfach nicht mehr in der Lage das alles hinzunehmen. 
Nicht nur mein Zimmer, auch die Art wie Aby war. Ich liebte sie, doch nie zuvor war mir aufgefallen, wie oft sie Entscheidungen traf, die nicht ihre zu entscheiden waren. 
Dieses Leben war nicht was ich wollte. Ich wollte nicht hier sein. Dabei war Seattle das erste und einzige Zuhause das ich je gekannt hatte. Jedenfalls vorher. 
Den ganzen Weg nach Hause sagte keine von uns ein Wort. Mein Gewissen brannte in mir. Doch ich wollte einfach nicht mehr die kleine Sky sein. Die Sky, die es allen Recht machte. 
Ich wollte nicht in diesem Leben sein. Mir graute es davor zur Arbeit zu gehen. Vielleicht wäre es niemandem aufgefallen, dass ich gar nicht da war. Und dann durfte ich Arbeiten machen, die nicht zu meinen Aufgaben gehörten, die keinen Spaß machten und dabei zusehen, wie andere dafür den Ruhm ernteten. Alles was ich machte fühlte sich falsch an und ich wusste ich musste etwas ändern. Doch was das war oder wie ich das machen sollte, wusste ich nicht. 
Sobald wir die kleine Wohnung betreten hatten verschwand ich in meinem Zimmer. Mit zitternden Fingern holte ich das kleine Bild heraus, das immer unter meinem Kopfkissen war. 
Es war das einzige was mich daran erinnerte, dass all das, das Alaska, das Gabe, wirklich passiert war. Und auch wenn es wehtat, so war es das einzige, das mich beruhigte. Wie ein Talisman presste ich es an meine Brust und blickte aus dem Fenster. Der Himmel passte perfekt zu meiner gedrückten Stimmung. 
Langsam ließ ich mich auf mein Bett fallen. Doch selbst wenn ich mich hinlegte würde ich nicht schlafen können. Das konnte ich nie. 
Es waren zwei Wochen vergangen, die sich wie Jahre anfühlten und gleichzeitig irgendwie so als wäre das alles ein seltsamer Traum. Alles fühlte sich falsch an.
Wenn etwas falsch war musste man es richtig machen. Also erhob ich mich wieder und ging zu meinem Schreibtisch, der noch immer genau so war, wie ich ihn vor zwei Monaten verlassen hatte. Sachte strich ich über den Laptop und drückte den On-Knopf. 
Es dauerte einen Moment, doch dann setzte ich mich an den Tisch und öffnete den Browser. Ich konnte nicht einfach in mein altes Leben zurück. Das wusste ich. Bevor ich die halbfertigen Gedanken weiterdachte öffnete ich ein paar Bilder Kenai Mountains und seufzte Sehnsüchtig. Irgendwie war es tröstlich mir vorzustellen, dass Gabe genau das gleiche Sah wie ich. Das er jetzt gerade in den Himmel blickte und die mächtigen Berge vor sich hatte. Vielleicht dachte er an mich. 
Sanft fuhr ich über meinen Bauch und kämpfte gegen die Tränen. "Ich vermisse dich." Hauchte ich und blickte das kleine Bild an, das ich noch immer in den Fingern hielt. Gabe lächelte mich mit strahlendem Blick an. Auf dem Bild war er so anders und gleichzeitig so wie ich ihn immer gesehen hatte. Ich wünschte ich hätte ihn kennenlernen können, bevor das alles passiert war. Bevor er entschieden hatte, die Welt wäre besser dran ohne ihn. Denn egal wie oft er sich das auch sagte, so wusste ich einfach, dass es nicht so war. Die Welt war mir egal. Ich war ohne ihn nicht besser dran. Und die kleine Bohne in meinem Bauch wohl auch nicht. 


Freezin' Soul ( Freezin' 2)Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz