KAPITEL 13| Sky

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Skyler 'Sky' Baker
Im Kreise der Familie, Staunton
28. Januar

Das Geräusch der Klingel brannte in meinen Ohren. Zusammen mit meinem Herzschlag bildete es eine verquere Melodie, die obwohl es still war, so still, lauter war als alles was ich je gehört hatte. 
Meine Hände zitterten, meine Knie wackelten, mein Magen rebellierte. Ich war so nervös und ich hatte das Gefühl als müsse ich mich übergeben. Immer wieder sprach ich mir selbst Mut zu, als würde ich stundenlang vor der Tür stehen, dabei waren es nur einige ewig lange Sekunden. 
Es wird alles gut, Sky! Tief holte ich Luft. Dir und dem kleinen Wurm geht es gut. Euch wird es immer gut gehen! Ich atmete aus. Du hast immer noch Aby. Egal was passiert. DU. BIST. NICHT. ALLEINE! Wieder holte ich bebend Luft. 
Als die schwere, weiße Tür sich öffnete wurde mir die Luft aus den Lungen gepresst. Für einen Moment glaubte ich tatsächlich ich würde ohnmächtig werden. Es hätte mich nicht überrascht. Und doch traf es mich unvorbereitet. 
Vor mir stand ein Mann. Er war bestimmt einen Kopf größer als ich, doch nicht so groß, wie Gabe es war. Er wirkte nur ein bisschen älter als er. Vielleicht ein paar Jahre. Doch es war das haselnussbraune Haar und diese tiefen, grünen Augen, die mich kalt erwischten. Er war ihm ähnlich. Sehr ähnlich. Zu ähnlich.
"Ähm..." Stotterte ich leise, versuchte den Frosch in meinem Hals zu lösen. Doch er sagte nichts, lächelte nur sanft und wartete, bis ich etwas sagte. 
Dieser Mann war ihm ähnlich, doch er hatte nicht die Schwere im Blick, wie Gabe es hatte. Selbst wenn Gabe lächelte konnte man eine Trauer in seinen Augen sehen. Doch dieser Mann war unbeschwert. Mir war klar, dass dieser Mann mit Gabe verwandt sein musste, hatte er noch einen Bruder? Er hatte mir nur von seiner Schwester erzählt. Von seiner kleinen Schwester. Von einem Bruder aber wusste ich nichts. "Mr. Parker?" Fragte ich nach einer gefühlten Ewigkeit und er nickte lächelnd. "Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?" Fragte er freundlich und lächelte sanft. Es war schwer ihn anzusehen. Er war ihm einfach so ähnlich.
"Alexander, wer war denn an der Tür?" Hinter ihm tauchte eine ältere Dame auf. Sie war gut gekleidet, hatte gepflegte, dunkelblonde, leicht ergraute Haare und ein mütterliches Lächeln auf den Lippen. Doch ich erkannte in ihren Augen einen abschätzenden Blick. Sie wusste genau was sie wollte und es war kein Zufall, dass sie jetzt hier an der Tür auftauchte. 
Tränen schossen aus mir heraus und ich schniefte laut. "Verzeihung." Flüsterte ich und wischte mir über die Augen. Denn auch sie sah ihm ähnlich. Ihre Mundpartie und das musternde Lächeln. Er war ihr Sohn. Unverkennbar.
"Tut mir leid." Japste ich wieder und versuchte mich zusammen zu reißen. "Wollen Sie vielleicht hereinkommen? Sie sehen aus als könnten Sie einen Tee vertragen." Schlug die ältere Frau vor und scheuchte ihren Sohn, Alexander davon. 
Sanft legte sie ihren Arm um mich und schob mich ins Haus. Sanft bugsierte sie mich durch die kleine Eingangshalle nach Rechts, durch ein Esszimmer in eine große Küche. Das hier hatte nichts mit dem zu tun, mit dem Gabe lebte. Ob er in diesem Haus aufgewachsen war?
"Ich bin Miranda. Miranda Parker." Erklärte sie mir und ich nickte schlicht. "Sky." Sagte ich und spürte noch immer den Kloß in meinem Hals, doch meine Stimme klang fester. "Und das an der Tür war mein Sohn. Alexander Parker." Erklärte sie weiter. Wieder nickte ich. 
Unauffällig sah ich mich um. Doch obwohl die Küche ein gemütlicher Raum war, konnte ich nichts sehen, dass auf Gabe schließen lies. Ich hätte gerne ein Bild von ihm gesehen. Ein Kinderbild vielleicht?
Keine zwei Minuten später stellte sie mir eine heiße Tasse Tee vor die Nase und setzte sich neben mich. Lange sagte sie nichts und ich versuchte mir etwas zurecht zu legen. Schlaue Worte, gute Worte. Doch es fiel mir schwer einfach nur Worte zu finden. 
"Ich habe ihre Adresse von Seargent Towns." Begann ich und spürte wie Miranda neben mir verkrampfte. Doch sie versuchte es zu überspielen und klammerte sich einfach an ihrer Tasse fest. "Wie geht es..." Sie räusperte sich. "Wie geht es Jim?" Wiederholte sie ihren Satz und vollendete ihn diesmal. "Ich denke es geht ihm ziemlich gut. Andererseits kenne ich ihn auch nicht sehr gut." Erklärte ich ihr schlicht. Wieder schwiegen wir einen Moment.
Nervös strich ich mir über den Bauch. Ich musste meine Nerven beruhigen. Doch diese Geste fiel ihr sofort auf. Ich konnte sehen, wie sie mich beobachtete, doch noch immer sagte auch sie kein Wort.
Erst als meine Tasse beinahe leer war und ich langsam die Anspannung loswurde brach sie die Stille. "Also warum sind sie hier, Sky? Sie sind ja nicht durch Zufall vor meiner Tür gelandet, oder?" Ihre Stimme war bestimmend und gleichzeitig irgendwie sanft. Sie hatte nichts von der Schroffheit die ich bei Gabe manchmal gesehen hatte. Eine unbeholfene Schroffheit. Miranda aber war anders. Sie war abschätzend und berechnend, doch nicht auf eine unangenehme weise. Auch bei ihr hatte ich das Gefühl, sie konnte mich durchschauen. Mit einem Blick in meinen Kopf gucken. Ich wünschte sie würde es können, denn dann würden mir die Worte nicht so schwer fallen. 
"Ich..." Begann ich, doch eigentlich wusste ich nicht so recht wo ich anfangen sollte. Immerhin war Gabe seit fast zehn Jahren nicht mehr hier gewesen und ich bezweifelte sehr, dass sie ihn in Alaska besucht hatte.
"Mein Name ist Skyler Baker." Begann ich also ganz vorne. Ich wollte das sie mich mochte. Ich wollte das sie mir glaubte. "Ende November bin ich wegen der Arbeit nach Alaska geflogen." Führte ich weiter aus, versuchte das ganze Thema mit dem Absturz auszulassen. "Ihr Sohn hat mir das Leben gerettet." Erklärte ich und spürte wie meine Stimme zu zittern begann. Meine Lippe bebte und Tränen schossen mir aus den Augen. Ich war doch früher nie so eine Heulsuse.
"Er hat mich aufgenommen und mir geholfen und..." Mittlerweile starrte sie mich nur an. In ihren Blick kaltes Entsetzen. Ihr kalter Blick zog in mich ein und ließ mich frösteln.
Sie glaubte mir nicht. Panik packte mich und sofort sprang ich von dem Hocker. "Tut mir leid. Ich hätte nicht kommen sollen." Ohne ein weiteren Blick zu ihr zu werfen steuerte ich die Tür an. Ich hätte nicht kommen sollen. Ich hätte mein Leben einfach weiterleben sollen. Ohne ihn. Irgendwie hätte ich das hinbekommen sollen. Verdammt, Sky!


Freezin' Soul ( Freezin' 2)Where stories live. Discover now