KAPITEL 7| Sky

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Skyler 'Sky' Baker
In der Vergangenheit, Renton
25. Januar

Ich saß auf dem unbequemen Stuhl und starrte in die Tasse vor mir. Ich hatte mir in meinem Kopf so viele Worte zurechtgelegt, doch keins davon schien jetzt ausreichend zu sein. Nichts schien wirklich wichtig zu sein.
James Townes, Jim, musterte mich nur väterlich und wartete darauf, dass ich anfing zu sprechen. Geduldig wartete er, nippte ab und an an seiner Tasse und lächelte nur freundlich. Ich erkannte eine Härte in seinem Gesicht, doch sie war so tief vergraben, dass ich mich wohl fühlte. Wohler als ich es in den letzten drei Wochen getan hatte. 
Ich fühlte mich besser. Ich fühlte mich Gabe näher und vor allem fühlte ich mich mir selbst näher. Die letzten Wochen hatte es sich angefühlt, als hätte ich mich selbst verloren. Hier und jetzt war ich wieder ich. Ich konnte wieder atmen. Für einen Moment war ich ganz bei mir.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bevor ich endlich den Mut hatte etwas zu sagen. Tief holte ich Luft. "Ich bin Fotografin." Sagte ich und er nickte. "Für einen Job bin ich nach Alaska geschickt worden." Wieder nickte er einfach. Er drängte mich nicht, doch er hörte mir trotzdem zu. "Wir wollten eine Tour über die Kenai Mountains machen. Ein Versorgungsflug..." Erklärte ich, doch bei der Erinnerung wurde mir übel. Ich wollte mich daran nicht erinnern. "Ich erinnere mich nicht an viel. Nur das ich aufgewacht bin, als wir schon am Boden waren." 
Jim setzte sich etwas auf. Ich konnte sehen, wie er realisierte was ich ihm erzählte. "Keine Ahnung wie lange ich es geschafft hab bei der Kälte durchzuhalten." Erklärte ich weiter. Es war mir noch immer ein Rätsel. "Beim nächsten Mal als ich aufwachte, lag ich in einem Bett." Er nickte wieder. Ich schluckte. Wie würde er reagieren, wenn ich von Gabe sprach? Würde er mich wegschicken? 
"Ich hatte ein paar Verletzungen, die einige Zeit gebraucht hatten, bis sie heilten." Sträubte ich mich seinen Namen zu sagen. Ich wollte nicht wissen, wie er klang, wenn ich ihn laut sagte. 
"Gabe..." Ich zuckte beinahe zusammen, als ich ihn sagte, dabei sprach ich so leise, dass ich ihn beinahe selbst nicht verstand. "... hat mir das Leben gerettet. Er hat sich um mich gekümmert..." Führte ich aus, vermied es aber ihn anzusehen. "Er hat mir von Ihnen erzählt. Und von Billy." Sagte ich leise. Umklammerte mit bebenden Fingern die Tasse von der ich noch keinen Schluck genommen hatte. 
"Er hat mir von Ihrer Freundschaft erzählt." Ich wusste nicht, wie ich weitermachen sollte. Die Tränen konnte ich nicht zurückhalten. "Er hat mir Fotos gezeigt." Flüsterte ich und reichte ihm das Foto, das er mir von sich gegeben hatte. "Es ist alles was ich von ihm habe." Fügte ich leise hinzu. Dann schwieg ich, denn ich wusste nicht was ich noch sagen konnte.
"Wie geht es ihm?" Fragte Jim mich und langsam hob ich den Blick. Sah wie er das Bild anstarrte und konnte die Tränen in seinen Augen glitzern sehen.
"Er gibt sich selbst die Schuld." Sagte ich leise. "Das hat er immer." Flüsterte Jim und griff nach meiner Hand. Schniefend sah ich nun in seine tiefen Augen. "Er wird sich das nie vergeben. So ist er eben." Ich nickte. Das glaubte ich ihm sofort. Er hasste sich selbst so sehr, dass er es auch anderen verbot ihn zu lieben.
Langsam strich ich über meinen Bauch. Wieder und wieder. Ich wusste es war absurd darüber zu weinen. Uns war beiden klar gewesen, das, was auch immer das war, ein Ende haben musste. "Es ist nicht einfach ihn zu lieben." Flüsterte Jim plötzlich und wieder hob ich den Kopf. "Das war es nie. Aber seit..." Er machte eine kurze Pause und holte tief Luft. "...nach Billy war es unmöglich." Ich nickte. "Dabei war er einer der besten Männer die ich je gekannt hatte. Er war mutig. Und er war stur. Er war so stur. Er weigerte sich einfach aufzugeben." Jim lachte. "Er war loyal, treu und ein guter Freund." Mir entging nicht, dass er in der Vergangenheitsform sprach. "Keiner von uns machte ihm einen Vorwurf daraus was mit Billy passiert ist." Ich nickte. "Aber er tat es. Er hat sich von seiner Familie abgekapselt, von seinen Freunden, von seinen Kameraden..." Wieder hielt er inne. "Als ich ihn kennenlernte, hatte er eine große Klappe." Leise lachte er wieder. "Er war ziemlich lustig, wenn er nicht gerade ein Idiot war." Ich nickte lächelnd. Ich wünschte ich hätte ihn zu der Zeit gekannt. 
"Die ganze Welt lag vor ihm und er hat nur zu gerne zugegriffen. Er war einer von der Sorte, die das Leben geliebt haben." Dann verschwand sein Lächeln. "Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, sah er aus als wäre er schon gestorben." Trauer flutete sein Gesicht.
"Ich wünschte ich hätte ihn gekannt. So wie er vorher war." Gab ich zu, doch Jim schüttelte den Kopf. "Dieser Mann ist Tod." Ich nickte. Damit hatte er recht. Diesen Gabe gab es nicht mehr. "Aber ich bin mir sicher, dass du den Gabe, der er jetzt ist, besser kennst, als jeder andere auf der Welt." Ich nickte. Nun das war keine große Kunst. "Du musst etwas besonderes sein, wenn er dich an sich heranlässt." Bemerkte er knapp. "Nur nicht besonders genug." Flüsterte ich leise und holte wieder tief Luft. 
"Er hat dir von mir und von Billy erzählt." Stellte er klar. "Glaub mir du bist besonders. Und in seiner verqueren Welt schützt er dich. Dich gehen zu lassen, ist ein Opfer das er bringt, um dich zu beschützen." Wut kochte in mir hoch, denn ich wusste er hatte Recht. "Aber wovor will er mich so unbedingt schützen?" Fragte ich energisch. "Na vor sich selbst. Er ist der Böse in seiner Geschichte." Ich nickte. Damit hatte er recht.
"In meiner Geschichte ist er nicht der Böse, weil er diese Dinge erlebt hat. Er ist der Böse weil er mich alleine lässt. Mich und sein ungeborenes Kind." 

Freezin' Soul ( Freezin' 2)Where stories live. Discover now