KAPITEL 14| Aby

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Aubrey 'Aby' Baker
Zurückgeblieben, Seattle
28. Januar

"Hast du ihn erreicht?" Fragte ich zum dritten Mal heute, doch auch diesmal war seine Antwort keine Positive. "Tut mir leid, Aubrey." Erklärte er und ich seufzte. "Vielleicht ist die Antenne beschädigt." Erklärte er und ich ließ mich enttäuscht auf den Küchenstuhl sinken.
"Ich versuche es weiter. Versprochen!" Sagte Silver und ich nickte. "Danke." Flüsterte ich. Seit zwei Tagen versuchte ich ihn zu erreichen. Beziehungsweise versuchte Silver ihn zu erreichen. Er musste es wissen. 
"Wie geht es dir?" Fragte er und riss mich mit seiner melodischen Stimme aus meinen Gedanken. "Geht so." Es war die Antwort die ich ihm immer gab. Denn besonders glücklich war ich nicht gerade. 
Sky hatte mir eine Nachricht geschrieben, als sie in dem kleinen Nest in Virginia angekommen war. Doch seitdem hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Dabei war es schon kurz nach halb sieben. Gelinde gesagt machte ich mir Sorgen. Aber das war auch nichts Neues. In den letzten Monaten hatte ich nichts anderes getan, als mir Sorgen zu machen.
"Ich muss mit ihm reden. Er muss es wissen." Erklärte ich energisch. "Und wenn ich selbst zu ihm da raus kommen muss." Fügte ich hinzu und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. 
"Ich will dir, aus rein egoistischen Gründen, nicht ausreden her zu kommen..." Begann er und ich lächelte. Ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. "...aber im Moment ist da oben kein durchkommen. Wie gesagt, ich werde es weiter versuchen. Aber diese Dinge brauchen Zeit." Einer der Sätze die ich hasste. Einem ungeduldigen Menschen zu sagen, das Dinge Zeit brauchten, das man abwarten sollte? Für mich persönlich war abwarten reine Zeitverschwendung. Ich wollte das etwas passierte und das möglichst so schnell wie es eben ging.
"Danke. Ich danke dir wirklich, Norman." Erklärte ich ihm ernst. Ich wusste nicht, was ich ohne ihn tat. 
In Alaska hatte mich seine Überheblichkeit genervt. Doch er war ein guter Freund geworden. Ich verließ mich auf ihn und bis jetzt hatte er dieses Vertrauen nicht enttäuscht. Und nur für eine Sekunde wünschte ich mir bei ihm zu sein und mich nochmal von ihm küssen zu lassen. 
Doch wir lebten in verschiedenen Welten und ich war nicht bereit meine für ihn aufzugeben. Ich war ja nicht Mal bereit Platz für ihn zu machen. Obwohl da gerade so viel Platz war, dass es wehtat.
"Nicht dafür, Schneeflocke." Ich schnaubte bei dem albernen Namen, den er mir gegeben hatte, doch meine Laune besserte sich sofort. Langsam erhob ich mich und zog von dem unbequemen Stuhl aufs Sofa um. 
"Wie geht es Sadie?" Fragte ich nach einer Weile und ignorierte den bescheuerten Stich den ich fühlte, als ich an ihre roten Wellen dachte. Sie war wirklich hübsch. "Gut. Denke ich. Hab ne Weile nichts von ihr gehört." Erklärte er und ich lächelte. "Und Melvin?" Fragte ich dann, als würde ich einfach alle Leute die ich kennengelernt hatte, durchgehen. "Griesgrämig wie immer." Lachte er und auch ich musste lachen. "Wenn man in der Kälte lebt, dann muss man doch auch irgendwie verschroben werden." Gab ich aus. Immerhin war es an einigen Tagen bis zu -30° C. Silver lachte. "Willst du damit sagen ich bin verschroben?" Fragte er empört und ich schnaubte belustigt. "Warte mal noch zwanzig Jahre." Erklärte ich spielerisch und wieder lachte er. Doch plötzlich wurde er ernst. "Ich werde eine Frau haben, die mich davon abhält verschroben zu sein." Erklärte er ernst, doch ich lachte nur. "Und wie wird sie das anstellen?" 
Ich kuschelte mich in eine Decke ein und machte es mir auf dem Sofa gemütlich. "Nun ihr wird schon was einfallen, womit sie mich auf Trapp halten wird." Erklärte er leise. "Vielleicht kennt sie einige Tricks." Fügte er hinzu. "Dann ist sie eine ziemlich krasse Frau." Gab ich zu und hörte wie er mir zustimmte. "Ja das ist sie." 
Eine Gänsehaut überzog mich und ich schloss für einen Moment die Augen. Doch meine Gedanken hingen noch immer irgendwo zwischen Sky und Parker. Irgendwo in der Mitte. Denn ich wollte Sky nicht verlieren und ich wollte sie glücklich machen. Ohne sie war ich alleine. Ich wusste ich konnte mich noch immer auf Bailey verlassen und irgendwie gab es da auch noch Silver. Aber Silver war ewig weit weg und eigentlich ein Fremder und Bailey? 
Bailey war meine beste Freundin, doch Sky war immer da gewesen. Wir gegen den Rest der Welt. 
"Ich dachte..." Begann er nach einer Weile. "...Wenn ich in ein paar Wochen Urlaub hab..." Führte er weiter aus. Doch er warf mir nur einen Brocken nach dem anderen hin. "...Ich war noch nie in Seattle." Sagte er dann und wieder schob sich ein Lächeln auf mein Gesicht. 
"Willst du mir gerade sagen, dass du mich besuchen kommen willst?" Hakte ich nach und grinste breit. "Nein." Rief er schnell. "Ich will nur sagen, wenn ich jemanden kennen würde in Seattle, der vielleicht eine Couch frei hätte, würde ich eine Menge Geld sparen." Ich lachte auf. "Also bist du geizig?" Fragte ich scherzhaft. "Ich könnte schönere Dinge mit meinem Geld machen." Antwortete er ernst. "Wie zum Beispiel?" Fragte ich ihn und ich hörte, wie er Luft holte. "Ich könnte dich zum Essen ausführen." Sofort begann mein Herz zu rasen. Doch ich konnte das hier nicht weitermachen. Denn ich wusste, dass dieser Mann mir wirklich gefährlich werden konnte. Immerhin konnte ich mich schon jetzt seiner Wirkung nicht entziehen.
"Wir sollten nicht..." Begann ich, doch er unterbrach mich sofort. "Nur ein Date. Kein Antrag." Sagte er leise und eigentlich hätte er alles sagen können. Er hätte mich mit allem sofort umgestimmt. "Der Antrag kommt später." Scherzte er. Missbilligend schnalzte ich mit der Zunge. "Wenn du so weitermachst darfst du draußen auf der Fußmatte schlafen." Sagte ich mit einem breiten Grinsen. "So gemein bist du nicht." Rief er und traf damit ins Schwarze. Denn er hatte absolut recht. So gemein war ich nicht. Würde Norma Silver an meine Tür klopfen würde ich sie aufreißen und ihn an mich ziehen. Denn die paar Tage die ich in Alaska war, hatte ich mich auf ihn verlassen können. Und er hatte mir in der unsichersten Zeit meines Lebens die größte Sicherheit gegeben. Und auch wenn ich nun wieder in meinem alten Leben, oder so etwas ähnliches war, wollte ich diese Sicherheit nicht verlieren. 
Vielleicht war es genau das was auch Sky fühlte. Nur tausend Mal schlimmer. Ich war echt eine beschissene große Schwester. 

Freezin' Soul ( Freezin' 2)Where stories live. Discover now