Kapitel 13 - Die Wahrheit

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V's Sicht: „Du bist dir sicher, dass ich dich nicht zuerst zum Hotel bringen soll, damit du deine Klamotten wechseln kannst?" Nachdem der Sturm sich gelegt hatte, hatten wir tatsächlich das Glück unseren Leihwagen ohne Schäden wieder zu bekommen. „Meine Kleidung ist jetzt wieder trocken und ich will jetzt einfach nur mit Amy reden" Während der Rückfahrt hatte ich mich dazu entschieden nicht weiterhin auf meine Chefin zu hören. Ihrer Meinung nach sollte Amy in Ruhe gelassen werden, aber ich hatte das Gefühl, dass dieses Mädchen der Schlüssel zu all unseren Fragen sein könnte.
„Fahr mich einfach zum Krankenhaus. Ich hol mir auf dem Rückweg ein Taxi." Als Antwort schwieg er. Ich hasste das Gefühl, dass die Antwort zum Greifen nah war, aber wir einfach nicht wussten, nach was wir greifen sollten. Heute morgen, als ich neben Tanner aufgewacht war, wusste ich es: Amy musste der Schlüssel sein, sie war wahrscheinlich nur bis jetzt noch zu sehr mit fem Verarbeiten ihrer Gefühle und den Geschehnissen beschäftigt, als das sie sich getraut hatte uns Alles zu erzählen und das was im Verhörraum geschehen war, hatte dabei auch nicht geholfen. „Hier sind wir" Tanner hielt am Rande des Fußweges und von weitem konnte ich das eher kleine überschauliche Krankenhaus sehen. „Danke für fahren" bedankte ich mich lächelnd, gab ich ihn noch schnell einen Kuss auf den Mund und war gerade dabei auszusteigen, als er nach meiner Hand griff. „Sowas hast du noch nie gemacht" Er hatte recht, sowas hatte ich wirklich noch nie gemacht. „Wir sind verlobt und heißt, dass nicht das wir jetzt erwachsen sind? Und so weit ich weiß machen erwachsene das so" mit den Worten schlug ich die Tür zu und machte mich auf dem Weg, um den Schlüssel zu all unseren Fragen zu finden.

Scarletts Sicht: Ich hatte das Gefühl, dass es bereits Morgen war, als wir wieder alle zusammen durch die Gänge zum Aufzug getrieben wurden, aber eine Gelegenheit, die aufgehende Sonne zu sehen oder auch nur einen Blick auf den Himmel zu erhaschen, bekamen wir nicht. Das einzige, was ich sicher wusste war, dass es um einige Drinks später war, als bei unserem ersten Betreten des kleinen Puff-Raumes. Der Rest der Nacht war eigentlich ziemlich angenehm vergangen, wenn man von angenehm sprechen konnte. Vielleicht war ich leicht hysterisch geworden, als ich mit Valerie geredet hatte beziehungsweise als ich geredet hatte, und mit all meiner Kraft gehofft hatte, dass die Worte Valerie erreichten, aber Janet hatte es geschafft, dass ich mich beruhigte.
„Wenn dein Team keine Verbindung mehr zu dir hätte, hätten sie bereits jetzt irgendwie eingegriffen", war ihr ausschlaggebendstes Argument gewesen. Das leuchtete auch ein, und ich konnte erwarten, dass Valerie das Team wirklich alarmiert hatte. Bis Dr. Poole aufwachen, sich von seinen Fesseln befreien und mich bei den Menschenhändlern anklagen könnte, wären wir längst wieder auf dem Schiff, hatte Janet gesagt, als ich ihr nach dem zweiten Vodka Tonic auch diese ganze Sache erzählt hatte, und da wir jetzt schon im Aufzug standen und niemand mir spezielle Aufmerksamkeit schenkte, konnte ich annehmen, dass sie recht behalten hatte. Wir waren in dem fiesen Raum geblieben, wobei Janet ab und zu Exkurs zur Bar gemacht hatte, und als sie nach einem Blick auf die geklaute Taschenuhr festgestellt hatte, dass es kurz vor sechs war, waren wir nonchalant rausgegangen, und zurück nach oben, wo wir auch schon von Joe mit einem passiven „Ah, hier sind noch zwei. Dann sind wir fast komplett", begrüßt worden waren.
Trotz all dieser für Undercover-Mission-Verhältnisse glücklichen Fügungen war ich weiterhin gestresst. Und nicht nur das - angetrunken war ich jetzt auch. Vielleicht hatte ich es mit den Drinks doch etwas übertrieben, denn gerade gehen schien mir auf einmal wie eine völlig ungeahnte Herausforderung.
„Die werden wieder aufgezogen. Los!", befahl Terry uns genervt und gab jedem Mädchen erneut eine der fiesen Strumpfmasken. Oh Gott, jetzt auch noch das Ding? Orientierung, Adieu.
„Halt dich einfach an meiner Hand fest", flüsterte Janet, die anscheinend mehr vertrug als ich - oder sie hatte sich weniger harte Getränke bestellt. Oh man, was hatte ich denn da schon wieder angestellt! Trinken im Dienst! Und dann auch noch einem so wichtigen Dienst! Aber gerade deshalb hatte ich ja getrunken, weil der Stress sonst einfach zu viel war. Es kostete meine gesamte Konzentration, möglichst unauffällig und ohne Schwanken zurück in den Lastwagen einzusteigen, und als ich dann drin war ließ ich mich sofort auf eine der unbequemen Holzbänke plumpsen. Im besten Falle würde ich jetzt noch einmal auf den genauen Weg achten, also die Rechtskurven, Linkskurven, all das, aber meine Gedanken waren zu vernebelt, um eine ordentliche Route in meinem Kopf zu erstellen.
Jede Zeitangabe, die ich versuchte, zu zählen, verlor sich in irgendwelchen anderen Gedankengängen, und das einzige, das ich am Ende mit Sicherheit sagen konnte war, dass es einige Kurven gegeben hatte und nicht besonders schnell gegangen war. Der Fahrer bremste hart, und irgendeine der dauergenervt redenden Handlanger, die wahrscheinlich alle verkannte Army Sargeants waren, brüllte „Endstation!" woraufhin wir uns alle erhoben. Oh Gott, aber wohin denn nun! Mein Gleichgewichtssinn hatte sich für heute verabschiedet, und auch, wenn Janet (beziehungsweise eins der Mädchen - ich konnte ja nicht erkennen, ob es Janet war) mich hinter sich her in die richtige Richtung zog, hatte ich das Gefühl, ich hätte auch ohne Strumpfmaske kaum einen Fuß vor den anderen setzen können - mit dieser Maske glich die Schwierigkeit dem eines Seiltanzakts.
Einen Fuß vor den anderen... nur immer einen Fuß vor den anderen... War das Metall? War das hier gerade die Gangway auf das Schiff? Ich hatte das Gefühl, jetzt über Schiffboden zu gehen, aber sicher konnte ich mir da nicht sein. Sicher konnte ich mir bei gar nichts sein, nicht mal genau, wo oben und unten eigentlich war, wie ich feststellen musste, als ich bei einer Art kleinen Stufe trotz Vorwarnung seitens dem Mädchen vor mir vollends die Balance verlor und auf den Boden fiel. Joe oder wer das war packte er mich daraufhin unsanft an der Schulter und zog mich so abrupt hoch, dass ich das Gefühl hatte, mein Arm könnte sich ausgerenkt haben. Allerdings rutschte die Eventualität einer ausgerenkten Schulter kurz darauf ganz nach unten auf die Liste meiner Probleme, und es stellte sich heraus, dass ein verrutschter Kleid- und BH-Träger das sehr viel Kritischere war.
„Hey, was ist DAS denn?"
Leider handelte es sich bei „DAS" nicht etwa um ein geheimes Tattoo. Nein, was dieser Typ meinen konnte war sofort eindeutig, obwohl ich noch immer die Maske trug: er hatte das Mikrophon entdeckt.

Bis sie stirbt I Der erste Fall Where stories live. Discover now