Kapitel 20 - Die Entführung

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Eine Stunde Zuvor...
Scarletts Sicht: Wieso war mir das nicht vorher aufgefallen! Wo hatte ich nur meine Gedanken! Das heißt, ich wusste natürlich genau, wo ich meine Gedanken hatte, es wäre nur gut gewesen, wenn ich nicht so völlig davon eingenommen gewesen wäre und auch mal auf die Tankanzeige geguckt hätte. Ich war nicht besonders oft in diesem Teil von Washington, ich erinnere mich nur vage, dass ich ein paar Kilometer weiter draußen, am südlichen Rand der Stadt mal eine Shell Tankstelle gesehen hatte. Hoffentlich täuschte ich mich da nicht, denn wenn ich jetzt den falschen Schildern folgte und irgendwo in der Walachei strandete, ohne Benzin und Orientierung, dann würde das definitiv meinen Tag ruinieren. Ich überlegte, Valerie anzurufen und zu fragen, wo die nächste Tankstelle an ihrem Zuhause war, aber dann war es mir doch zu unverantwortlich, sie in dem Wissen anzurufen, dass sie nun längst auf dem Highway, oder wenigstens auf dem Weg zum Highway sein müsste. Ich würde das schon noch hinkriegen, oh ja! Trotzdem schwitzte ich wie nach einer zehnminütigen Rock n Roll Darbietung, so nervös war ich. Immer wenn sich die Möglichkeit ergab, ließ ich mich rollen, was in San Francisco mit seiner bergigen Landschaft vermutlich besser (oder schlechter - falls es bergauf ging) funktioniert hätte. Es war fast, wie wenn man dringend aufs Klo musste, aber einfach keine Toilette in der Nähe war. Wie hatte ich das Benzin denn so völlig missachten können! Mit feuchten Händen bog ich in diese und jene Straßen ein, bis die Häuser weiter auseinander standen und ich langsam an den Rand der Stadt kam. Wenn hier jetzt keine Tanke war...
Ich drehte die Auto-Klimaanlage voll auf, da mir vor Stress immer noch heiß war wie in der Sauna. Der Zeiger war mittlerweile am linkesten Punkt des roten Bereichs angekommen, weiter links kam nichts mehr, nur noch das kleine e, das mich gnadenlos von der Anzeige aus ansah. E wie empty. Leer. Bildete ich mir das nur ein oder gab es immer mal wieder Aussetzer wenn ich ein bisschen Gas gab? Ich wurde immer nervöser. Natürlich, es wäre kein Weltuntergang, wenn mein Benzin alle gehen würde, ich war ja nicht mal auf der Autobahn, sondern nur auf einer Landstraße, und außerdem war es mitten am Tag. Ich würde wohl einfach einen Abschleppwagen rufen müssen. Die Kosten waren schon schlimm genug, der Aufwand genauso, aber die Peinlichkeit... die Peinlichkeit, abgeschleppt werden zu müssen, weil man vergessen hatte, zu tanken... ich würde am liebsten im Boden versinken, wenn ich daran dachte, wie Dad und alle anderen, inklusive der Leute, die mich abschleppen müssten, reagieren würden. Vielleicht ergab es doch Sinn, einer von diesen Menschen zu sein, die ihren Tank immer nur halb leer gehen ließen, oder wenigstens die Art von Mensch, die spätestens tanken ging, wenn der Anfang des roten Bereichs erreicht war. Es war fast schon ein Wunder, dass ich noch ordentlich lenken konnte und nicht abrutschte, denn meine Hände waren nass, als hätte ich sie mit einem feuchten Lappen abgewischt. Als ich rechts in der Ferne die Tankstelle sah, fühlte es sich fast an wie eine Fata Morgana, die rettende Oase, die nur Einbildung war, aber je näher ich kam, desto klarer erkannte ich sie. Eine Shell war es zwar nicht, sondern einfach irgendeine No-Name Tankstelle, also war meine vage Erinnerung falsch gewesen, aber das war mir völlig egal. Wichtig war nur, dass ich die paar hundert Meter jetzt auch noch schaffte. Kurz vor dem Ziel liegen zu bleiben, wo kämen wir denn da hin. Mit dem Allerletzten Rest vom Rest, dem Zeiger klar bei dem kleinen e, rollte ich neben einer der Tankstellen ein, zog die Handbremse an und den Schlüssel aus dem Schloss, und ließ mich dann erstmal im Sitz nach hinten fallen, als wäre ich gerade einen marathon gerannt.

So ab von allem wie ich gedacht hatte war diese Tankstelle anscheinend nicht mal, denn nur ein paar Minuten später, während ich gerade die so schwer benötigte klare Flüssigkeit in meinen Tank füllte, parkte ein schick polierter schwarzer SUV an der Säule neben mir. Kein Wunder, dass solche Art von Kundschaft hierhin kam - das Benzin war ziemlich teuer (aber vielleicht war es heute auch überall so teuer, schließlich hatte ich lange, viel zu lange, nicht mehr getankt). 20 Liter würden also erst mal reichen, damit käme ich lange aus. Ich legte die Tankpistole in die Zapfsäule zurück, machte den Tankdeckel zu und holte mein Geld aus dem Auto. Drinnen überlegte ich, eine Packung Cookies zu kaufen, aber auch die waren hier sündhaft überteuert, also sagte ich bloß
„Ich würde gerne Tanksäule 2 bezahlen."
„Okay, das macht dann 35,70 Dollar", informierte mich der junge Mann an der Kasse.
„Mit Karte bitte."
„In Ordnung, dann bitte einmal hier reinstecken und die Geheimzahl eingeben."
Ich tat, was er sagte und ließ mir die Quittung geben.
„Vielen dank, dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag!"
„Danke, gleichfalls."
Ich fühlte mich leicht, als ich die schwere Tankstellentüre aufschob und wieder nach draußen trat. Da war ja alles gerade noch mal gut gegangen! Wenn man schon vom FBI beurlaubt war, musste der Thrill eben irgendwo anders herkommen, das war knapp gewesen! Aber jetzt konnten sich meine Adrenalinwerte wohl wieder etwas normalisieren.
Ich wusste nicht, wieso es mir auffiel, aber da glänzend polierte Autos den Blick anziehen, war ich neugierig, dass ich noch mal hinsah, wer da immer noch Zugange war an Tanksäule Nummer 3, denn sie hatten anscheinend falsch geparkt, denn der Mann musste mit der Tankpistole hinten um das Auto herumgehen, um den Tank zu erreichen. Aber irgendwas war komisch. Der Tank... er lag gar nicht auf der rechten Seite, warum stand dieser Mann dann mit der Tankpistole dann dort? Zu spät wurden meine FBI Instinkte geweckt. Zu spät realisierte ich, dass ich weg musste. Zu spät wurde mir klar, warum dieser Wagen sich von allen freien Tanksäulen ausgerechnet die direkt neben mir ausgesucht hatte. Zu spät öffnete ich meine Autotür. Zu früh packte der Mann mich und stach mir eine Spritze in den Hals.

Bis sie stirbt I Der erste Fall Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu